Leitsatz (amtlich)

Bis zum Inkrafttreten der Vorschrift des § 7a Abs. 4 KStG konnte eine Organgesellschaft die ihr als Obergesellschaft zufließende Schachteldividende nur um die von ihr zu entrichtende Nachsteuer gekürzt, d. h. die Schachteldividende nicht in voller Höhe an ihren Organträger weitergeben.

 

Normenkette

KStG § 9 Abs. 1, § 12 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisonsklägerin (Klägerin) - eine AG - ist seit dem 1. Juli 1962 Organgesellschaft der ...-gesellschaft, mit der sie einen vom Beklagten und Revisionsbeklagten (dem FA) anerkannten Ergebnisabführungsvertrag (EAV) geschlossen hat. Sie war im Streitjahr (1965) ferner zu 26 v. H. am Grundkapital der S AG beteiligt. Für den Ertrag dieser Beteiligung stand ihr die Steuervergünstigung aus § 9 Abs. 1 KStG zu. Die Nachsteuer gemäß § 9 Abs. 3 KStG hat das FA von der Klägerin erhoben (Urteil des BFH vom 23. März 1965 I 167/63 U, BFH 82, 581, BStBl III 1965, 456).

In ihrer Körperschaftsteuererklärung 1965 hat die Klägerin ihrem Gewinn (infolge der Abführungsverpflichtung = 0 DM) neben anderen Beträgen (125 864 DM) die um die Nachsteuer (95 472 DM) gekürzte Schachteldividende (mit 169 728 DM) hinzugerechnet, die Summe jedoch um die volle Schachteldividende (265 200 DM) gekürzt. Demgegenüber hat das FA (in dem am 13. November 1968 für endgültig erklärten Bescheid vom 1. Juni 1967) dem Gewinn der Klägerin die volle Dividende hinzugesetzt und die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um die volle Dividende gekürzt.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Mit ihrer gegen die in EFG 1971, 201 veröffentlichte Entscheidung des FG form- und fristgerecht eingelegten Revision beantragte die Klägerin, unter Aufhebung der Vorentscheidung und unter Abänderung des Körperschaftsteuerbescheides 1965 das steuerpflichtige Einkommen auf 22 360 DM festzusetzen. Zur Begründung läßt sie vortragen:

Wie die Ausführungen von Hübl (Steuerliche Betriebsprüfung 1962 S. 118) zeigten, sei eine Organgesellschaft, die lediglich über schachtelbegünstigte Einkünfte verfüge, gehalten, die auf sie entfallende Nachsteuer aus diesen Einnahmen zu decken (was indes im Prinzip auch dann gelte, wenn sie daneben noch andere Einnahmen gehabt habe), so daß im steuerrechtlichen Ergebnis der Organgesellschaft die Schachteldividende nicht in voller Höhe, sondern nur mit dem um die Nachsteuer gekürzten Betrage enthalten sei. Das bestätige auch das BFH-Urteil vom 23. April 1969 I R 65/67 (BFH 96, 159, BStBl II 1969, 596), nach dem die Nachsteuer auf Schachteldividenden auch dann zu erheben ist, wenn die Steuerpflichtige gemäß § 6 Abs. 4 KStG mit ihrem Mindesteinkommen zur Steuer herangezogen wird. Lege man das Gesetz deshalb so aus, wie das FG es getan habe, könne sich aus der als Steuervergünstigung gedachten Vorschrift des § 9 Abs. 1 KStG eine beachtliche steuerliche Belastung ergeben (so auch Thiel, BB 1966, 116). Zwar schienen die BFH-Urteile vom 4. März 1965 I 249/61 S (BFH 82, 233, BStBl III 1965, 329) und I 167/63 U die Richtigkeit dieser Auffassung zu bestätigen; diese Urteile seien aber mit ihrer Kürzung des steuerrechtlichen Ergebnisses der Organgesellschaft um die volle Schachteldividende nur deshalb richtig, weil in diesen Fällen eine Nachsteuer nicht zu erheben gewesen sei.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

1. Die Klägerin stimmt dem FG darin zu, daß - entsprechend den BFH-Urteilen I 249/61 S und I 167/63 U - die schachtelbegünstigten Einkünfte bei der Organgesellschaft als steuerfrei zu behandeln und in die Zurechnung beim Organträger nicht einzubeziehen und daß zunächst das steuerrechtlich für die Zurechnung beim Organträger maßgebende Ergebnis der Organgesellschaft vor seiner Zurechnung zu ermitteln ist.

a) Die im vorliegenden Streitfall zur Entscheidung gestellte Frage ist für dasjenige Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft, in das der 20. August 1969 fällt (vgl. Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Änderung des Körperschaftsteuergesetzes und anderer Gesetze vom 15. August 1969, BStBl I 1969, 471) und für die ihm folgenden Wirtschaftsjahre durch die Vorschrift des § 7a Abs. 4 KStG dahin gelöst worden, daß die besondere Körperschaftsteuer (Nachsteuer) auf die schachtelbegünstigten Einkünfte der Organgesellschaft so zu erheben ist, als hätte der Organträger diese Gewinnanteile unmittelbar selbst bezogen (siehe auch Tz. 51 der Stellungnahme des BMWF zu den zu § 7a KStG und § 2 Abs. 2 Ziff. 2 Sätze 2 und 3 GewStG aufgetretenen Zweifels- und Auslegungsfragen - Organschaftserlaß -, Anlage zum Schreiben vom 30. Dezember 1971, BStBl I 1972, 2). Diese Möglichkeit bietet das Gesetz indes für den streitigen Veranlagungszeitraum nicht.

b) Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 14. Februar 1956 I 73/55 U (BFH 62, 407, BStBl III 1956, 151) ausgeführt hat, setzt die Anerkennung eines Organverhältnisses mit EAV voraus, daß das tatsächlich erzielte Ergebnis der Organgesellschaft auf den Organträger zu übertragen ist. "Als dieses Ergebnis kann aber nicht das in der Handelsbilanz ausgewiesene Ergebnis anerkannt werden, da der Kaufmann hier nicht durch Mindestansätze für die Betriebsvermögensgegenstände gebunden ist. Vielmehr muß das Steuerbilanzergebnis als das nach dem Vertrag abzuführende Ergebnis angesehen werden. Dem Steuerrecht widerspricht es, über ein gesetzlich gegebenes Wahlrecht hinaus dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit zu geben, den Gewinn durch willkürliche Gestaltungen zu beeinflussen, wie es jeweils steuerlich am günstigsten ist. Es wird das Steuerbilanzergebnis nicht deshalb auf die Muttergesellschaft übertragen, weil die Organgesellschaft kein eigenes Einkommen haben kann, sondern deshalb, weil der dem Vertrag entsprechende Betrag das in der Steuerbilanz auszuweisende Ergebnis darstellt... Bei den Personensteuern ist die Rechtslage anders. Hier handelt es sich um Teile des steuerlichen Einkommens der Organgesellschaft, die nach dem EAV nicht übernommen werden und im allgemeinen handelsrechtlich auch nicht übernommen werden dürfen. Der Organgesellschaft müssen diese Beträge verbleiben, weil sie damit eine ihr persönlich obliegende öffentlich-rechtliche Verpflichtung erfüllt. Die Mittel zur Erfüllung eigener Verpflichtungen müssen der Organgesellschaft belassen werden, wenn man sie nicht im Laufe der Zeit hinsichtlich ihres Vermögens aushöhlen will, was zwingend dem Handelsrecht widersprechen würde. Die Organgesellschaft muß deshalb die Einkommensteile, die auf Personensteuern beruhen, selbst versteuern." Diese Rechtsprechung wird im BFH-Urteil I 249/61 S noch einmal zusammengefaßt und bestätigt.

Die Organgesellschaft ist danach - bis zum Inkrafttreten der Vorschrift des § 7a KStG - als rechtlich selbständig und daher subjektiv steuerpflichtig mit ihrem steuerlichen Gewinn abzüglich des an den Organträger abzuführenden steuerrechtlich korrigierten Handelsbilanzgewinns der Besteuerung unterworfen. Die damit gegebene Verkoppelung von Abführungs- und Zurechnungsbetrag als Besteuerungsgrundlage hat eine ganze Reihe von Streitfragen ausgelöst, deren eine im vorliegenden Streitfall zu entscheiden ist. Dazu hat der BFH bereits im Urteil I 167/63 U ausgeführt:

"Da die Schachteleinnahmen beim Organ ,außer Ansatz' bleiben, bei der S. - (Untergesellschaft) - aber berücksichtigungsfähige Ausschüttungen im Sinne des § 19 Abs. 3 Satz 1 KStG sind, unterliegen sie beim Organ der Nachsteuer des § 9 Abs. 3 KStG. Eine Kürzung dieser Gewinnanteile ist beim Organ nicht möglich, weil - soweit die Gewinnanteile auf Grund des EAV beim Organträger erfaßt werden - keine Ausschüttung an diesen vorliegt."

c) Wie aber diese Gewinnanteile bei der Organgesellschaft nicht als berücksichtigungsfähige Ausschüttung anerkannt werden können, kann auch ihre Kürzung um die von der (rechtlich selbständigen und subjektiv steuerpflichtigen) Organgesellschaft als Obergesellschaft selbst zu tragende Nachsteuer nicht zugelassen werden.

Zwar hat der erkennende Senat in seiner Rechtsprechung zur Organschaft zunehmend dem Gedanken der Zurechnung Raum gegeben (so im BFH-Urteil I 249/61 S), d. h. die von der Rechtsprechung entwickelte Bilanzierungstheorie zugunsten der (früher, und jetzt wieder geltenden) Zurechnungstheorie aufgelockert. Die Grenze dieser Möglichkeit zeigt jedoch das BFH-Urteil I R 65/67 auf. Soweit der Senat dort ausgesprochen hat, daß es ohne Bedeutung sei, ob die ausgeschütteten Beträge bei der Untergesellschaft im Ergebnis eine Steuerermäßigung bewirkt haben, hat er diese Auffassung mit Urteil vom 3. Februar 1971 I R 22/68 (BFH 101, 364, BStBl II 1971, 406) ausdrücklich aufgegeben. Die diese Entscheidung tragende Rechtsauffassung wird indes von der Verwaltung nicht geteilt (Erlaß des BMWF vom 17. Januar 1972, BStBl I 1972, 50).

Auch im vorliegenden Streitfall kann der erkennende Senat nicht übersehen, daß die Klägerin die Nachsteuer auf die ihr zugeflossenen Schachteldividenden gemäß § 9 Abs. 3 KStG in eigener Person zu zahlen gehalten ist. Wenn mit der Erfassung der vollen Dividende im Grundansatz und mit der Versagung ihrer Kürzung um die Nachsteuer - ähnlich wie in dem mit BFH-Urteil I R 65/67 entschiedenen Falle - die Auswirkung der Steuerbefreiungsvorschrift des § 9 Abs. 1 KStG im praktischen Ergebnis eingeschränkt wird, so entspricht das dem Gesetz und kann nur - wie inzwischen geschehen - durch eine Änderung des Gesetzes behoben werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70266

BStBl II 1973, 127

BFHE 1973, 465

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