Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausbildungsfreibetrag für verheiratete Kinder

 

Leitsatz (NV)

Der Ausbildungsfreibetrag des § 33a Abs. 2 EStG kann auch für verheiratete Kinder in Anspruch genommen werden. Die Eheschließung kann allerdings wegen der Unterhaltsansprüche des in Ausbildung befindlichen Kindes gegen seinen Ehegatten Auswirkungen auf die Höhe der anrechenbaren eigenen Bezüge des Kindes haben.

 

Normenkette

EStG § 33a Abs. 2

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die im Jahre 1958 geborene Tochter Birgit des Klägers, Revisionsklägers und Revisionsbeklagten (Kläger) studierte während des gesamten Streitjahres 1978 Innenarchitektur. Bis zu ihrer Heirat im Mai des Streitjahres wohnte sie im Haus der Eltern. Anschließend zog sie zu ihrem Ehemann. Der Kläger erhielt im Streitjahr für seine Tochter 210 DM Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Seine Tochter selbst erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Betrag von 1 747 DM. Der Ehemann der Tocher bezog im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von rd. 33 000 DM. Er hat in seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1978 Aufwendungen für die Berufsausbildung seiner Ehefrau in Höhe von 900 DM als Sonderausgaben geltend gemacht.

In seiner Einkommensteuererklärung 1978 beantragte der Kläger u. a. wegen der Aufwendungen für die Berufsausbildung seiner Tochter den Ausbildungsfreibetrag gemäß § 33a Abs. 2 Nr. 1b des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr geltenden Fassung. Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) versagte den beantragten Freibetrag.

Das Finanzgericht (FG) gab dem Begehren des Klägers, ihm den Ausbildungsfreibetrag in Höhe von 3 990 DM zu gewähren, zum Teil statt. Zur Begründung führte das FG u. a. aus: § 33a Abs. 2 Nr. 1b EStG sei im Streitfall nicht anwendbar. Solange die Tochter des Klägers im elterlichen Haushalt gelebt habe, fehle es an der auswärtigen Unterbringung. Für die Zeit danach scheitere die Berücksichtigung eines Ausbildungsfreibetrags gemäß § 33a Abs. 2 Nr. 1b EStG daran, daß Ursache des Wegzugs der Tochter aus dem elterlichen Haus nicht die Berufsausbildung, sondern ihre Heirat gewesen sei. Der Ausbildungsfreibetrag gemäß § 33a Abs. 2 Nr. 1a EStG stehe dem Kläger nur zeitanteilig für die Monate Januar bis Mai, und zwar in Höhe von insgesamt 1 000 DM (5/12 von 2 400 DM) zu. Dieser Betrag sei um die als Zuschuß gewährten Leistungen nach dem BAföG (210 DM) zu mindern, so daß nur 790 DM gemäß § 33a Abs. 2 Nr. 1a EStG als augerwöhnliche Belastung zu berücksichtigen seien. Die Voraussetzungen für eine weitere Minderung des Ausbildungsfreibetrags gemäß § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG lägen im Streitfall nicht vor. Die eigenen Einkünfte der Tochter in Höhe von 1 747 DM hätten die 2 400 DM-Grenze nicht überschritten. Die Einkünfte des Ehemanns der Tochter könnten ihr nicht als eigene Bezüge zugerechnet werden. In der Zeit vor der Eheschließung hätten Unterhaltsansprüche gegenüber ihrem Ehemann nicht bestanden. Für die Zeit nach der Eheschließung sei ein Ausbildungsfreibetrag nicht mehr zu gewähren. Auf den Einwand des Klägers, er sei nach dem BAföG aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse im Jahre 1976 allein verpflichtet gewesen, den Unterhalt für seine Tochter zu leisten und sei dieser Verpflichtung auch nachgekommen, komme es nicht an. Das EStG stelle allein auf die Verhältnisse im Veranlagungszeitraum ab.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt der Kläger einen Verstoß der Vorentscheidung gegen § 33a Abs. 2 EStG und mangelnde Sachaufklärung. Er macht geltend, ihm stehe gemäß § 33a Abs. 2 Nr. 1b EStG der Ausbildungsfreibetrag in Höhe von 4 200 DM zu. Die Feststellungen des FG reichten jedenfalls nicht aus, die Versagung des erhöhten Ausbildungsfreibetrags zu rechtfertigen. Das FG sei auch zu Unrecht davon ausgegangen, daß der Ausbildungsfreibetrag für die Zeit nach der Eheschließung nicht mehr zu gewähren sei. Er, der Kläger, sei der Auffassung, daß Unterhaltsleistungen von Ehegatten nicht zu den ,,eigenen Einkünften und Bezügen des Kindes" gehörten. Im übrigen habe das FG keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob die Unterhaltsaufwendungen des Ehemannes für seine, des Klägers, Tochter tatsächlich 2 400 DM oder auch nur den zeitanteiligen Betrag von 7/12 = 1 400 DM betragen hätten. Es seien nur eigene Einkünfte und Bezüge der Tochter zu berücksichtigen, die dieser tatsächlich bis Mai 1978 zugeflossen seien. Feststellungen des FG hierüber seien jedoch im Hinblick auf seinen, des Klägers, ausdrücklichen Vortrag, daß er im ganzen Streitjahr ausschließlich für die Berufsausbildung seiner Tochter sowie deren Unterhalt aufgekommen sei, erforderlich gewesen. Jedenfalls hätte das FG nicht unterstellen dürfen, daß die der Tochter zugeflossenen Bezüge 900 DM überschritten hätten.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid dahingehend zu ändern, daß weitere 3 410 DM als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.

Das FA rügt mit seiner Revision fehlerhafte Auslegung des § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG. Es macht geltend, das FG habe zu Unrecht entschieden, daß die Unterhaltsleistungen aufgrund der Unterhaltsansprüche, die die Tochter des Klägers gegen ihren Ehemann nach der Eheschließung erworben habe, nicht den gemäß § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG anrechenbaren Bezügen zuzurechnen seien. Bei der Anrechnung von ,,Bezügen" sei ebenso wie bei der von ,,Einkünften" vom sog. Jahresprinzip auszugehen.

Das FA beantragt, die Revision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision von Kläger und FA führen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

I.

Revision des Klägers:

1. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß im Streitfall die Voraussetzungen des § 33a Abs. 2 Nr. 1b EStG nicht vorliegen. Bis zu ihrer Eheschließung war die Tochter des Klägers, wie die Vorinstanz zutreffend entschieden hat, nicht auswärtig untergebracht. Denn bis zu diesem Zeitpunkt lebte sie nicht außerhalb des elterlichen Haushalts. Vom Zeitpunkt der Eheschließung an wohnte sie zwar in der eigenen ehelichen Wohnung und damit i. S. von § 33a Abs. 2 Nr. 1 EStG auswärts. Die Gewährung des erhöhten Ausbildungsfreibetrags nach § 33a Abs. 2 Nr. 1b EStG in der für das Streitjahr noch geltenden Fassung setzte jedoch zusätzlich voraus, daß die auswärtige Unterbringung ,,zur Berufsausbildung" erfolgt ist. An diesem weiteren Erfordernis fehlt es im Streitfall. Das FG ist aufgrund einer eingehenden Würdigung der Umstände des vorliegenden Sachverhalts zutreffend zu der Auffassung gelangt, daß im Streitfall entscheidende Ursache für die Unterbringung außerhalb des Haushalts die Eheschließung und nicht das Studium war (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. Februar 1974 VI R 322/69, BFHE 111, 413, BStBl II 1974, 299, und vom 21. März 1975 VI R 174/72, BFHE 115, 365, BStBl II 1975, 488). Die Rüge des Klägers, die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz reichten nicht aus, die Versagung des erhöhten Freibetrags zu rechtfertigen, greift nicht durch. Aufgrund des Umstandes, daß die Tochter des Klägers im Monat der Eheschließung zu ihrem Ehemann zog, und im Hinblick auf die räumlichen Verhältnisse im Hause des Klägers konnte das FG zu der Feststellung kommen, daß nicht die Berufsausbildung, sondern die Eheschließung der Tochter der entscheidende Anlaß für die auswärtige Unterbringung war. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts dahingehend, ob möglicherweise ein Studienplatzwechsel Ursache für den Umzug war, mußte sich dem FG ohne weiteren Vortrag des auch in der ersten Instanz durch einen Prozeßbevollmächtigten vertretenen Klägers nicht aufdrängen.

2. Soweit der Vorentscheidung - wie der Kläger meint - die Rechtsauffassung zugrunde liegt, der Ausbildungsfreibetrag sei für die Zeit nach der Eheschließung des Kindes generell nicht mehr zu gewähren, kann dem nicht gefolgt werden. Liegen die Tatbestandsmerkmale des § 33a Abs. 2 EStG vor, sind nach dieser Vorschrift die Ausbildungsfreibeträge unabhängig davon zu gewähren, ob ein Kind unverheiratet oder verheiratet ist. Der Umstand der Eheschließung hat allerdings regelmäßig Auswirkungen auf die Höhe der gemäß § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG anrechenbaren eigenen Bezüge des Kindes.

II.

Revision des FA:

Das FA rügt zu Recht einen Verstoß der Vorentscheidung gegen § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG. Nach dieser Vorschrift vermindert sich der Ausbildungsfreibetrag u. a. ,,jeweils um die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes, die zur Bestreitung seines Unterhalts oder seiner Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, soweit diese 2 400 DM im Kalenderjahr übersteigen". Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats gehören Unterhaltsleistungen, die einem in der Berufsausbildung stehenden Kind von seinem Ehegatten gewährt werden, zu den anrechenbaren eigenen Bezügen des Kindes, die zur Bestreitung seines Unterhalts oder seiner Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind (Urteil vom 7. März 1986 III R 177/80, zur Veröffentlichung bestimmt).

Dabei mindern eigene Bezüge des Kindes den Ausbildungsfreibetrag unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt im Kalenderjahr der Berufsausbildung sie dem Kind zugeflossen sind (Urteil vom 7. März 1986 III R 177/80, a. a. O.).

III.

Die Vorentscheidung war aufzuheben, da ihr eine andere Rechtsauffassung zugrunde liegt. Die nicht spruchreife Sache war an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Vorinstanz wird nunmehr insbesondere noch festzustellen haben, auf welche Weise und in welcher Höhe der Ehemann der Tochter des Klägers dieser tatsächlich Unterhalt geleistet hat.

 

Fundstellen

BFH/NV 1986, 660

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