Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Einheitswertfeststellungen können nach § 222 Abs. 1 Ziff. 4 AO wegen Fehleraufdeckung berichtigt werden.

Die Berichtigungsfeststellung kann nur im Umfange der Fehleraufdeckung erfolgen. Ist dies geschehen, so kann auch im Rechtsmittelwege eine noch niedrigere Einheitswertfeststellung nicht erreicht werden.

 

Normenkette

AO § 222 Abs. 1 Nr. 4, §§ 234, 232

 

Tatbestand

Der streitige Einheitswert des Mietwohngrundstückes, das der am 15. August 1958 verstorbenen Erblasserin gehört hat, ist auf den 21. Juni 1948 unter Berücksichtigung der Kriegsschäden durch Bescheid vom 13. April 1955 auf 17.100 DM festgestellt worden. Das Grundstück wurde am 14. April 1956 für 37.000 DM an eine GmbH von der Erblasserin freihändig verkauft, weil ein Zwangsversteigerungsverfahren schwebte. Demgemäß wurde eine Zurechnungsfortschreibung zugunsten der Käuferin auf den 1. Januar 1957 mit dem Werte von 17.100 DM vorgenommen.

Die Verkäuferin wurde am 30. Mai 1958 mit dem Antrage vorstellig, die Einheitswert-Fortschreibung auf den 21. Juni 1948 dem Werte nach zu berichtigen. Der Antrag wurde unter dem gleichen Datum schriftlich formuliert. Zur Begründung des Antrages wurde darauf hingewiesen, daß trotz der Aufwendungen zur Beseitigung der Kriegsschäden das streitige Grundstück wegen Einsturzgefahr auf Weisung der Baupolizei geräumt werden mußte und die Baupolizei im Frühjahr 1956 das Betreten des Grundstücks verboten habe. Der Grund- und Bodenwert habe 11.700 DM betragen. Die Abbruch- und Räumungskosten seien auf 15.000 DM geschätzt worden. Demnach sei das streitige Grundstück, wirtschaftlich betrachtet, wertlos gewesen. Die Antragstellerin begehrte deshalb Fortschreibung auf 0 DM für den Währungsstichtag.

Schließlich hat die Oberfinanzdirektion auf Grund der angestellten Ermittlungen die Wertfortschreibung als fehlerhaft angesehen und das Finanzamt angewiesen, sie gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 4 AO zu berichtigen, und zwar auf 14.700 DM. Das Finanzamt hat durch Feststellungsbescheid vom 26. April 1960 der Anordnung der Oberfinanzdirektion entsprechend die Berichtigung auf 14.700 DM vorgenommen.

Der vom Testamentsvollstrecker des Nachlasses eingelegte Einspruch, mit dem erneut um Fortschreibung auf 0 DM gebeten wurde, ist ohne Erfolg geblieben. Der Steuerausschuß hat ausgeführt, gemäß § 234 AO sei ein Bescheid, der frühere Bescheide ändere (z. B. in den Fällen des § 222 AO), zwar selbständig anfechtbar, jedoch nur soweit die vorgenommene änderung reiche. Der Testamentsvollstrecker könne daher im Rechtsmittelverfahren gegen den Berichtigungsbescheid nicht eine Herabsetzung unter den Wert von 14.700 DM beantragen.

Auch die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Das Finanzgericht hat sich auf denselben Standpunkt wie der Steuerausschuß gestellt und hinzugefügt, dem Bf. habe genügend Zeit zur Verfügung gestanden, neue Tatsachen oder Beweismittel zur Verwertung bei der Berichtigungsentscheidung des Finanzamts geltend zu machen. Er habe dies indessen versäumt. Bei einem Verkaufspreis von 37.000 DM erscheine der festgestellte Einheitswert mit 14.700 DM überdies angemessen.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rb. hat sich zunächst auf die Frage zu erstrecken, ob eine Fehlerberichtigung im Sinne des § 222 Abs. 1 Ziff. 4 AO auch gegenüber Einheitswertbescheiden zulässig ist.

§ 222 AO betrifft nach seinem Sinn und Zweck sowie nach dem Wortlaut des einleitenden Teiles seines ersten Absatzes außer Steuerbescheiden, Steuermeßbescheiden und Freistellungsbescheiden auch Feststellungsbescheide, Feststellungsbescheide sind nach § 213 Abs. 2 AO selbständige Besteuerungsgrundlagen der Abgaben vom Vermögen. Deshalb steht es der durch den Wortlaut des Gesetzes gebotenen grundsätzlichen Anwendungen des § 222 AO auf Feststellungsbescheide, also auch auf Einheitswertbescheide, nicht entgegen, daß zu Beginn des § 222 a. a. O. von den "bei Steuern" erteilten Bescheiden einschließlich der Feststellungsbescheide gesprochen wird.

Da § 222 Abs. 1 Ziff. 4 AO keine Einschränkung enthält, ist diese Vorschrift schlechthin gegenüber Einheitswertbescheiden im Sinne einer Berichtigung zugunsten der Abgabepflichtigen anwendbar. Ob § 222 Abs. 1 Ziff. 3 AO auf Einheitswertbescheide angewendet werden kann, braucht im Streitfalle nicht erörtert zu werden.

Dem Antrage, den Einheitswert noch unter den bereits festgestellten Wert von 14.700 DM herabzusetzen, steht § 234 AO entgegen. Nach dieser Vorschrift sind Bescheide, die frühere Bescheide ändern, wie hier der Berichtigungsbescheid auf Grund des § 222 Abs. 1 Ziff. 4 AO, selbständig anfechtbar, soweit die änderung reicht. Im vorliegenden Falle können daher - unabhängig von einem etwaigen Wechsel in der Begründung des Antrages - (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VI 97/56 U vom 21. Februar 1958, BStBl 1958 III S. 167, Slg. Bd. 66 S. 427) im Ergebnis dem Betrage nach nur Werte zwischen 14.700 DM und 17.100 DM angefochten werden, falls der Bf. durch die änderung des Einheitswertes beschwert wäre. An einer Beschwer des Bf. fehlt es insofern; denn der Bf. strebt nicht eine Erhöhung des Wertes von 14.700 DM, sondern eine weitere Minderung auf 0 DM an. Das ist nach § 234 AO unzulässig (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 314/56 U vom 22. Februar 1957, BStBl 1957 III S. 128, Slg. Bd. 64 S. 336), wenn, wie hier, der von der Oberfinanzdirektion aufgedeckte Fehler - 17.100 DM anstatt 14.700 DM Einheitswert - in vollem Umfange berichtigt worden ist. Ein Berichtigungsverfahren, das auf einer Fehleraufdeckung beruht, kann - ohne Neuaufrollung des ganzen Falles - zu einer Berichtigung lediglich im Rahmen der Fehleraufdeckung führen. Darüber hinaus steht dem Abgabepflichtigen eine Berichtigung nicht zu.

Im übrigen fehlt es im vorliegenden Falle an einem anderen Berichtigungsgrunde, etwa an einer durch eine Betriebsprüfung festgestellten neuen Tatsache. Das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 363/54 U vom 6. Oktober 1955 (BStBl 1955 III S. 356, Slg. Bd. 61 S. 410) steht dieser Entscheidung nicht entgegen, weil es sich dort um einen Fall des § 222 Abs. 1 Ziff. 2 AO handelt. Eine Betriebsprüfung hat nicht stattgefunden.

Demnach steht § 234 AO einem Erfolge der Rb. entgegen.

 

Fundstellen

BStBl III 1962, 288

BFHE 1963, 53

BFHE 75, 53

StRK, AO:222 R 102

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