Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer. Finanzgerichtsordnung. Grundstücksentnahme durch Eigentumsübergang an Nichtgesellschafter aufgrund der Nacherbfolge. Revisionssumme: Ermittlung. Anschlußrevision

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Revisionssumme richtet sich auch dann nach der eindeutig beantragten Gewinnminderung, wenn der Revisionsantrag auf einer rechtsirrigen Berechnung beruht.

2. Der Übergang eines als Sonderbetriebsvermögen eines OHG-Gesellschafters bilanzierten Grundstücks im Wege der Nacherbfolge in das Privatvermögen seiner Erben, die nicht in seine Gesellschafterstellung nachrücken, ist als Entnahme zu werten. Der Entnahmegewinn ist dem verstorbenen OHG-Gesellschafter zuzurechnen.

3. Geht ein betrieblich genutzter Grundstücksteil, der mit einem im Betriebsvermögen verbleibenden Dauernutzungsrecht belastet ist, aus dem Betriebsvermögen einer Personengesellschaft wegen Nacherbfolge in das Privatvermögen über, ist der Entnahmewert dieses Grundstücksteils gleich seinem unbelasteten Ertragswert abzüglich des Ertragswerts des auf ihm ruhenden Dauernutzungsrechts. Ohne Bedeutung ist, daß das Dauernutzungsrecht in der Gesellschaft bilanziell nicht auszuweisen war, weil in der Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft bereits das genutzte Wirtschaftsgut als solches (betrieblich genutzter Grundstücksteil) in Erscheinung trat.

4. Die –wegen Nichterreichens der Revisionssumme unzulässige– selbständige Revision des Finanzamts ist in eine unselbständige Anschlußrevision umzudeuten, wenn das Finanzamt eine entsprechende Erklärung abgegeben hat.

 

Normenkette

FGO §§ 155, 115 Abs. 1; ZPO §§ 3, 556; EStG § 6 Abs. 1 Nrn. 2, 4; BGB § 2106

 

Tatbestand

Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) und ihr Ehemann M waren die alleinigen Gesellschafter der M & Co. OHG, die einen Gewerbebetrieb betrieb. Am Vermögen und am Gewinn und Verlust der Gesellschaft waren sie im Verhältnis 20: 80 beteiligt. M ist im Januar 1970 verstorben. Den Betrieb der OHG führte die Klägerin entsprechend einer Vereinbarung der Gesellschafter vom 13. Januar 1968 als Einzelunternehmen fort. Im übrigen ist die Klägerin testamentarische Vorerbin ihres Ehemannes. Nacherben sind die Tochter des M aus erster Ehe und die Tochter des M aus der Ehe mit der Klägerin.

M war Alleineigentümer des bebauten Grundstücks R; M hatte das Grundstück als befreiter Vorerbe von seiner Mutter geerbt. Nacherben sind je zur Hälfte seine beiden Töchter. Ein Teil des Grundstücks R war der OHG gegen mietähnliche Verrechnung eines Entgelts von zuletzt monatlich … DM zur eigenbetrieblichen Nutzung überlassen. Seit 1959 war in das Grundbuch zugunsten der OHG ein Dauernutzungsrecht gemäß § 31 Abs. 2 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) hinsichtlich des betrieblich genutzten Grundstücksteils eingetragen. Bei der Gewinnermittlung für die OHG wurde der eigenbetrieblich genutzte Teil des Grundstücks R als notwendiges Betriebsvermögen behandelt. Im Anschluß an eine Betriebsprüfung vertrat der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt – FA–) die Auffassung, der betrieblich genutzte Grundstücksteil des Grundstücks R sei mit dem Tode des M entnommen worden, weil die beiden Töchter, auf die das Grundstück durch den Eintritt der Nacherbfolge übergegangen sei, nicht Mitunternehmer des allein von der Klägerin fortgeführten Unternehmens geworden seien. Der nichtbegünstigte und dem M zuzurechnende Entnahmegewinn belaufe sich auf … DM. Er errechne sich auf der Grundlage eines vom Finanzbauamt ermittelten Verkehrswerts des eigenbetrieblich genutzten Grundstücksteils von … DM, auf den die Wertminderungen nach dem Dauernutzungsrecht ohne Auswirkung bleibe, abzüglich des Buchwerts von … DM und einer Gewerbesteuerrückstellung von … DM. Das FA erließ am 24. Oktober 1973 einen Gewinnfeststellungsbescheid für die OHG für das Rumpfwirtschaftsjahr 1. Januar bis … Januar 1970. Darin ist ein nichtbegünstigter Entnahmegewinn des M in Höhe von … DM festgestellt.

Den Einspruch der Klägerin, der sich gegen den Ansatz eines Entnahmegewinns für M und gegen die Höhe dieses Gewinns richtete, wies das FA zurück.

Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, das Ausscheiden des bisher von der OHG und nunmehr von der Klägerin betrieblich genutzten Grundstücksteils aus dem Betriebsvermögen der OHG habe zur Realisierung eines Entnahmegewinns geführt, der M zuzurechnen sei. Der Entnahmegewinn sei jedoch zu hoch angesetzt. Den Wert des eigenbetrieblich genutzten Grundstücksteils habe der vom FG beauftragte Sachverständige zutreffend mit … DM ermittelt. Bei der Teilwertermittlung sei jedoch das Dauernutzungsrecht wertmindernd zu berücksichtigen. Die Wertminderung sei gleich dem Ertragswert des Nutzungsrechts von … DM, den der Sachverständige zutreffend aus der Differenz zwischen der normalen Miete und der von der OHG bzw. der Klägerin bezahlten Vorzugsmiete errechnet habe.

Gegen das Urteil haben die Klägerin und das FA Revision eingelegt.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil und den Gewinnfeststellungsbescheid dahin abzuändern, daß der Gewinn über die vom FG anerkannten … DM hinaus, insgesamt um die Höhe des gesamten Entnahmegewinns herabgesetzt wird; außerdem beantragt die Klägerin, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen. Mit ihrer Revision rügt die Klägerin dem Sinne nach Verletzung materiellen Rechts; in der Person des M sei kein Entnahmegewinn entstanden.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Teilwert für den betrieblich genutzten Grundstücksteil wie bisher festzustellen, sowie die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen. Das FA rügt Verletzung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

 

Entscheidungsgründe

A. Revision der Klägerin

1. Die Revision der Klägerin ist zulässig. Die Revisionssumme von 10.000 DM ist erreicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist der Streitwert für ein Revisionsverfahren, das die Rechtmäßigkeit eines Gewinnfeststellungsbescheids zum Gegenstand hat, durch Anwendung eines bestimmten Hundertsatzes auf den Betrag zu ermitteln, um den der festgestellte Gewinn nach Maßgabe des Revisionsantrags herabgesetzt werden soll. Dabei ist in der Regel von einem Mindestsatz von 25 v.H. auszugehen; ein höherer Prozentsatz ist anzuwenden, sofern die Höhe des festgestellten Gewinns die Vermutung begründet, daß ein Streitwert von nur 25 v.H. der begehrten Gewinnminderung den tatsächlichen Auswirkungen des Streits auf die Einkommensbesteuerung der beteiligten Mitunternehmer nicht gerecht wird (z.B. BFH-Beschluß vom 23. Februar 1978 IV E 1/78, BFHE 125, 7, BStBl II 1978, 409).

Die Klägerin beantragt, den festgestellten Gewinn um weitere … DM zu mindern. Danach ist die Revisionssumme bereits dann erreicht, wenn der Streitwert durch Anwendung des Mindestsatzes von 25 v.H. ermittelt wird. Allerdings hat die Klägerin bei ihrem Revisionsantrag unberücksichtigt gelassen, daß bei einem Nichtansatz eines Entnahmegewinns die Gewinnminderung teilweise durch eine Gewinnerhöhung infolge Wegfalls einer entsprechenden Gewerbesteuerrückstellung ausgeglichen würde. Dies ist aber für die Zulässigkeit der Revision ohne Bedeutung, weil sich die Revisionssumme auch dann nach der eindeutig beantragten Gewinnminderung richtet, wenn der Revisionsantrag auf einer rechtsirrigen Berechnung beruht.

2. Die Revision ist jedoch unbegründet. Das FG hat zu Recht und mit überzeugender Begründung entschieden, daß das Grundstück mit dem Tode des M am … Januar 1970 die Eigenschaft als Sonderbetriebsvermögen verloren hat, weil das Grundstück durch Eintritt der Nacherbfolge auf die beiden Töchter des M übergegangen ist und diese nicht Unternehmer (Mitunternehmer) des von der Klägerin allein fortgeführten gewerblichen Unternehmens geworden sind. Der Übergang des Grundstücks aus dem Betriebsvermögen des M in das Privatvermögen der beiden Töchter ist in sinngemäßer Anwendung der Rechtsgrundsätze des BFH-Urteils vom 24. April 1975 IV R 115/73 (BFHE 115, 495, BStBl II 1975, 580) als Entnahme zu werten. Zwar setzt eine Entnahme grundsätzlich eine Entnahmehandlung voraus; ausnahmsweise reicht hierfür aber auch ein Rechtsvorgang wie z.B. der Eintritt der Nacherbfolge aus. Demgemäß kann offenbleiben, ob eventuell in der gesellschaftsrechtlichen Vereinbarung des M mit der Klägerin, daß das Unternehmen nach dem Tode des M allein von der Klägerin (und nicht auch mit den Töchtern des M) fortgeführt wird, und in der Vorerbeinsetzung der Klägerin eine mittelbare bedingte Entnahmehandlung des M hinsichtlich des Grundstücks zu sehen seien.

Es ist auch nicht zu beanstanden, daß die Vorentscheidung dem FA folgend den Entnahmegewinn noch M zurechnete; auch dies entspricht der Entscheidung in BFHE 115, 495, BStBl II 1975, 580. Zutreffend betont die Vorentscheidung, daß eine Erbauseinandersetzung im Sinne des BFH-Urteils vom 7. Februar 1980 IV R 178/76 (BFHE 130, 42, BStBl II 1980, 383), derzufolge ein Betriebsgrundstück noch behaftet mit der Eigenschaft als Betriebsvermögen auf denjenigen der Miterben übergeht, der das Grundstück im Rahmen der Erbauseinandersetzung zugeteilt erhält, nicht vorliegt. Das Grundstück gehörte nicht zum Nachlaß des M; es ist vielmehr im Wege der Nacherbfolge auf die beiden Töchter des M übergegangen. Auch sind die Klägerin und die beiden Töchter des M nicht Miterben hinsichtlich des Nachlasses des M.

B. Revision des FA

1. Die Revision des FA ist als unselbständige Anschlußrevision zu behandeln.

a) Soweit diese Revision als selbständige Revision fristgerecht eingelegt und begründet wurde, ist sie unzulässig, da die Revisionssumme von 10.000 DM nicht erreicht ist. Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben „und den Teilwert für den Grundstücksanteil auf … DM festzustellen”. Ausweislich der Revisionsschrift richtet sich die Revision des FA gegen den Abzug der Wertminderung für ein Dauernutzungsrecht in Höhe von … DM. Das Revisionsbegehren ist danach auf eine Gewinnerhöhung um diesen Betrag gerichtet, wobei die Änderung der Gewerbesteuerrückstellung außer Betracht gelassen ist. Der Wert des Streitgegenstands für die Revision des FA beträgt danach weniger als 10.000 DM. Die Anwendung eines höheren Prozentsatzes als 25 v.H., insbesondere des vom FA vorgeschlagenen Satzes von 40 v.H., hält der Senat nach Sachlage nicht für gerechtfertigt.

b) Die selbständige Revision ist in eine unselbständige (Anschluß-)Revision umzudeuten; das FA hat eine entsprechende Erklärung abgegeben (vgl. auch BFH-Urteil vom 22. Mai 1979 VIII R 218/78, BFHE 128, 314, BStBl II 1979, 741).

2. Die Revision ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das FG entschieden, daß im Streitfall der Entnahmewert des betrieblich genutzten Grundstücksteils gleich seinem Ertragswert abzüglich des Ertragswerts des Dauernutzungsrechtes ist.

a) Der Senat hat allerdings mit Urteil vom 28. Februar 1974 IV R 60/69 (BFHE 112, 257, BStBl II 1974, 481) entschieden, wer ein zum Betriebsvermögen gehörendes Grundstück unter Vorbehalt des Nießbrauchs seiner Tochter schenken wolle, müsse es vorher mit dem vollen Teilwert, d.h. dem Teilwert, der nicht um den Teilwert des vorbehaltenen Nießbrauchs gemindert ist, entnehmen. Das vorbehaltene Nießbrauchsrecht entstehe erst im privaten Bereich und werde erst durch eine der Grundstücksentnahme nachfolgende Einlage, die ihrerseits mit dem Teilwert zu bewerten sei, Betriebsvermögen.

Der Streitfall ist mit dem Sachverhalt, der dieser Entscheidung zugrunde liegt, nicht vergleichbar; er ist demgemäß nach anderen Rechtsgrundsätzen zu beurteilen. Im Streitfall ist das Dauernutzungsrecht, das den betrieblich genutzten Grundstücksteil belastet, nicht erst durch eine der Grundstücksentnahme (Eigentumsübergang von M auf seine beiden Töchter durch Eintritt der Nacherbfolge am … Januar 1970) nachfolgende Einlage Betriebsvermögen geworden. Das Dauernutzungsrecht war bereits 1959, also lange Zeit vor dem Tode des M und der dadurch bedingten Grundstücksentnahme zugunsten der OHG begründet worden. Das Dauernutzungsrecht war Gesamthandsvermögen der OHG und als solches grundsätzlich notwendiges Betriebsvermögen. Dabei ist unerheblich, ob die OHG, solange M lebte, das Dauernutzungsrecht in dem Sinne ausübte, daß sie das Grundstück zu dieser Zeit aufgrund des Dauernutzungsrechtes und nicht etwa aufgrund einer zwischen der OHG und M konkludent abgeschlossenen schuldrechtlichen Vereinbarung nutzte; denn das Dauernutzungsrecht hatte für die OHG von Anfang an mindestens „Vorratscharakter”, so daß keiner der Fälle vorlag, in denen die Rechtsprechung bisher für Gegenstände des Gesamthandsvermögens einer Personenhandelsgesellschaft die Eigenschaft als Betriebsvermögen verneinte. Nicht entscheidend kann auch sein, daß das Dauernutzungsrecht für die OHG bilanziell nicht auszuweisen war, weil in der Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft bereits das genutzte Wirtschaftsgut als solches (betrieblich genutzter Grundstücksteil) in Erscheinung trat (vgl. Schmidt, Einkommensteuergesetz, § 15 Anm. 79) und mangels einer Einlage im Zeitpunkt der Grundstücksentnahme auch in Zukunft nicht auszuweisen und demnach auch nicht abzuschreiben ist.

Ist aber davon auszugehen, daß der Grundstücksteil bereits belastet mit einem im Betriebsvermögen verbleibenden Dauernutzungsrecht aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen übergegangen ist, so ist die Schlußfolgerung zwingend, daß zur Teilwertermittlung der Ertragswert des unbelasteten Grundstücks um den Ertragswert des darauf ruhenden Nutzungsrechts zu kürzen ist. Denn ein Erwerber des gesamten Betriebs würde für ein Grundstück, in dessen Nutzung er nicht beschränkt ist, mehr zahlen als für ein Grundstück, das er aufgrund eines fortbestehenden dinglichen oder schuldrechtlichen Nutzungsrechts eines Dritten nur eingeschränkt, insbesondere nur mit einem geringeren Ertrag (verbilligte mietzinsähnliche Gegenleistung des Dauernutzungsberechtigten) nutzen kann.

b) Die Einwände der Revision gegen die Vorentscheidung überzeugen insoweit nicht.

aa) Es trifft nicht zu, daß zu Lebzeiten des M hinsichtlich des Dauernutzungsrechts Verpflichteter und Berechtigter identisch gewesen seien. Verpflichtet, d.h. belastet, war allein M als alleiniger Grundstückseigentümer; berechtigt war die OHG; diese läßt sich auch wirtschaftlich betrachtet –anders als vielleicht eine Einmann GmbH & Co. KG– nicht mit M identifizieren, denn Gesellschafter der OHG waren M und die Klägerin.

bb) Selbst wenn man unterstellt, daß das Dauernutzungsrecht zu Lebzeiten des M für den Grundstückseigentümer M keine wirtschaftliche Belastung darstellte, so änderte sich dies mit dem Eintritt der Nacherbfolge durch den Tod des M: Für die jetzigen Grundstückseigentümer, die beiden Töchter des M, ist das Dauernutzungsrecht eine wirtschaftliche Last, weil es sie daran hindert, den belasteten Grundstücksteil marktgerecht zu vermieten oder anderweitig zu verwerten.

c) Auch die Wertermittlung für das Dauernutzungsrecht ist nicht zu beanstanden. Wäre das Dauernutzungsrecht zeitlich unbegrenzt auf eine unentgeltliche Nutzung des belasteten Grundstücksteils gerichtet, so müßte entgegen der Ansicht des FA der Teilwert des belasteten Grundstücksteils in der Tat mit null DM angesetzt werden, weil dann nicht abzusehen wäre, daß die Grundstückseigentümer je aus dem belasteten Grundstücksteil Nutzen ziehen können.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1179036

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