Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, wann im Sinne des § 7 Abs. 1 Ziff. 1 Buchstaben b und d des Berlinhilfegesetzes die Nämlichkeit des Liefergegenstandes und des Gegenstandes, der in das Bundesgebiet gelangt ist, gewahrt ist.

Zur Frage des Versendungsnachweises nach §§ 7 Abs. 1 Ziff. 1 Buchstabe d und 9 des Berlinhilfegesetzes.

 

Normenkette

BHG §§ 7, 9; BerlinFG 1/1; BerlinFG 9

 

Tatbestand

Streitig ist die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung nach § 7 des Berlinhilfegesetzes durch die Beschwerdeführerin (Bfin.), die als Westberliner Unternehmerin Verpackungsmaterial, u. a. Kartons aus Wellpappe, herstellt. Das X.-Werk für Radiotechnik in A. der Y.-AG in B. hatte bei der Bfin. Wellpappkartons für Radioapparate bestellt, die bei der in Westberlin gelegenen Zentraltischlerei der Y-AG anzuliefern waren. In dieser Betriebstätte der Bestellerin werden Radiogehäuse hergestellt. Die Bfin. verbrachte die bestellten Kartons mit eigenem Fahrzeug zur Zentraltischlerei. Dort wurden durch diese Betriebstätte die Radiogehäuse in die Kartons eingesetzt und zusammen an die Bestellerin nach A. versandt, wo später die Radioapparaturen in die Gehäuse eingebaut werden und die Wellpappkartons zum Versand über den Groß- und Einzelhandel bis zum Letztverbraucher dienen. Ein Rechnungsverkehr über das streitige Umsatzgeschäft der Bfin. findet nur zwischen dieser und dem Werk in A. statt. Die Bfin. setzt auf ihre Rechnungen den Vermerk: "Wir sandten Ihnen durch unser Auto an Firma Y., Zentraltischlerei Berlin-Z. ...". Das Werk in A. bestätigte sodann der Bfin. den Empfang der Ware in der Weise, daß "die der Tischlerei Berlin-Z. im Auftrage des Werks für Radiotechnik in A. angelieferten Kartons für Rundfunkgehäuse von der Tischlerei an das X.-Werk für Radiotechnik in A. weitergeliefert werden und daß von den Kartonlieferungen keine Kartons in Berlin bleiben." Die für diese Lieferungen im Veranlagungszeitraum 1952 begehrte Steuerbefreiung haben die Vorinstanzen abgelehnt.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rechtsbeschwerde (Rb.) ergibt folgendes: Die Bfin. hat, wie es § 7 Abs. 1 Ziff. 1 c des Berlinhilfegesetzes vorsieht, das Umsatzgeschäft, das ihrer Lieferung zugrunde liegt, mit einem Unternehmer im Bundesgebiet abgeschlossen. Die Vorentscheidung hält § 7 des Berlinhilfegesetzes nur deshalb nicht für anwendbar, weil nicht der Gegenstand der Lieferung, sondern durch die Ingebrauchnahme der Kartons durch die Berliner Betriebstätte ein Gegenstand anderer Marktgängigkeit in das Bundesgebiet gelangt sei, so daß es an der Voraussetzung des § 7 Abs. 1 Ziff. 1 d a. a. O. fehle.

Diese Auffassung ist rechtsirrig. Die Bfin. hat schon im Verfahren vor dem Finanzamt unwidersprochen erklärt, daß es sich im Streitfall um Spezialverpackungen für fertige Radioapparate handle, deren Preis von 4 DM bis 5 DM je Stück sich wohl zur Verpackung von Radiogeräten, nicht aber für bloße Gehäuse, rentiere. Die Spezialkartons könnten nicht zusammengelegt werden wie die auch von ihr hergestellten Kartons zum Verpacken bloßer Holzgehäuse zum Preis von 0,59 DM je Stück. Die letztgenannten Kartons, für die eine Vergünstigung nie beantragt worden sei, kämen nur zum einmaligen Transport des leeren Radiogehäuses in Betracht, während die Spezialkartons des Streitfalles erst nach Einbau der Apparatur Verwendung fänden. Die gemeinsame Versendung von Gehäuse und Karton sei nur aus Ersparnisgründen geschehen. Westdeutsche Wellpapierfabriken in der Nähe von A. lieferten Spezialkartons leer und in sperrigem Zustand an die Firma Y., nur die Bfin. als Berliner Unternehmer sei gezwungen, die Transportkosten soweit wie möglich zu senken, um überhaupt Aufträge zu erhalten.

Bei diesem Sachverhalt kann davon ausgegangen werden, daß die Art der Versendung im wesentlichen aus Transport- und Ersparnisgründen zur Senkung der Kosten und der Ausnutzung des sperrigen Hohlraums erfolgt ist. Da in A. Karton und Gehäuse wiederum getrennt werden müssen, der Karton sodann erst seinem eigentlichen Bestimmungszweck, den Radioapparat beim Transport von der Fabrik zum Großhändler, von da zum Einzelhändler und von diesem zum Letztabnehmer zu sichern, zugeführt wird, ist nicht ersichtlich, woraus die Vorinstanz ihre Annahme, es sei ein Gegenstand anderer Marktgängigkeit in das Bundesgebiet gelangt, ableiten will. Eine dahingehende Verkehrsauffassung hat die Vorinstanz nicht festgestellt; eine solche könnte auch nur dann bestehen, wenn die Kartons durch die Benutzung auf dem Transport Berlin-Z. - A. als eine gebrauchte, nicht mehr neuwertige Ware anzusprechen wäre. Dies ist nach den Umständen des Falles jedoch zu verneinen, weil ein Transport im leeren, aber sperrigen Zustand den Karton sicherlich nicht weniger beansprucht hätte. Hierauf kommt es jedoch entscheidend nicht an, weil im Streitfall der Liefergegenstand unbearbeitet geblieben und als solcher in das Bundesgebiet gelangt ist, so daß auch eine doppelte Inanspruchnahme der Berlinhilfe-Vergünstigung kaum zu besorgen ist, jedenfalls durch einen einwandfreien Versendungsnachweis (ß 9 des Berlinhilfegesetzes) ausgeschaltet werden kann. Daß die Rechtslage anders liegt, wenn die Berliner Betriebstätte z. B. Einzelteile zu einer Maschine zusammengebaut hätte, so daß die Nämlichkeit des Liefergegenstands und des in das Bundesgebiet gelangten Gegenstandes nicht gewahrt wäre, liegt auf der Hand (vgl. das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des erkennenden Senats V 115/56 U vom 4. Juli 1957).

Die Vorentscheidung hat diese Rechtslage verkannt; sie braucht jedoch nicht aufgehoben zu werden, da ihr aus anderen Gründen im Ergebnis beizutreten ist; denn die Bfin. hat die Voraussetzung des § 7 Abs. 1 Ziff. 1 d des Berlinhilfegesetzes nicht in einer Form, wie es § 9 a. a. O. vorsieht, nachgewiesen. Die allgemeine Empfangsbestätigung der Firma Y. ist kein Nachweis im Sinne dieser Bestimmung. Der Senat ist zwar der Auffassung, daß ein solcher Nachweis durchaus möglich wäre; im Streitfalle liegen jedoch derartige Nachweise nicht vor; der Nachweis gehört zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Steuerfreiheit. Sein Mangel hindert den Senat, der Bfin. aus Rechtsgründen die Steuerfreiheit zuzubilligen.

Die Rb. irrt, wenn sie die Auffassung vertritt, die Rüge des mangelnden Versendungsnachweises durch den Beschwerdegegner in der Rechtsbeschwerdeinstanz sei als neues tatsächliches Vorbringen vom Senat nicht zu beachten. Diese Auffassung kann schon deshalb nicht durchdringen, weil der Senat hierbei von dem von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt ausgeht, wonach andere Belege als die erwähnte Empfangsbestätigung nicht vorliegen, der Senat im übrigen bei der Würdigung des Sachverhalts nicht an die Aufträge oder Rechtsausführungen der Parteien gebunden ist (ß 296 Abs. 2 Satz 2 der Reichsabgabenordnung - AO -) und die Rüge des mangelnden Nachweise schon in der Vorinstanz und im Verfahren vor dem Finanzamt erhoben worden ist. Bei der in mehrfacher Hinsicht anderen Ausgestaltung des steuerlichen Rechtsmittelverfahrens kann die Bfin. auch nicht Vorschriften der Zivilprozeßordnung für ihre Auffassung in Anspruch nehmen.

Nach alledem war die Rb. mit der Kostenfolge des § 307 AO als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408804

BStBl III 1957, 272

BFHE 1958, 100

BFHE 65, 100

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