Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Die Steuervergünstigung des § 9 Abs. 3 GrEStG ist auch anwendbar, wenn das Grundpfandrecht auf dem ganzen Grundstück lastet, der Grundpfandgläubiger aber nur einen Miteigentumsanteil erwirbt. Bei der Berechnung nach § 9 Abs. 1 Ziff. 2 GrEStG ist der Gesamtaufwand des Erwerbers auf den Betrag umzurechnen, der sich ergeben würde, wenn dieser das ganze Grundstück erworben hätte.

Verpflichtet sich der Veräußerer beim rechtsgeschäftlichen Rettungserwerb (ß 9 Abs. 3 GrEStG) zur Löschung von Rechten, die dem Recht des Erwerbers im Rang vorgehen, so sind die zu löschenden Rechte bei Berechnung des Vergleichsbetrags (ß 9 Abs. 1 Ziff. 2 GrEStG) zu berücksichtigen.

 

Normenkette

GrEStG § 9 Abs. 1 Ziff. 2, Abs. 3

 

Tatbestand

Der Beschwerdegegner (BG.) und andere Personen hatten zum Wiederaufbau des zerstörten Gebäudes, das auf dem hier in Betracht kommenden Grundstück errichtet war, und zur Erlangung von Wohnungen Wohnungsbauzuschüsse gezahlt. Als die Eigentümer während des Wiederaufbaus in geldliche Schwierigkeiten gerieten, ließen verschiedene Handwerker Zwangshypotheken in das Grundbuch eintragen; auch der Bg. und drei andere Zuschußgeber versuchten, ihre Belange durch Eintragung von Sicherungshypotheken zu wahren. Dabei wurden zugunsten des Bg. die Hypothek Nr. 17 im Nennbetrag von 6.000 DM, valutiert mit 3.600 DM, und zugunsten der drei anderen Zuschußgeber die Hypotheken Nr. 12, Nr. 13 und Nr. 16 im Nennbetrag von insgesamt 17.500 DM, valutiert mit insgesamt 14.000 DM, eingetragen.

Durch Kaufvertrag mit den Eigentümern erwarben die vier Grundpfandgläubiger zur Rettung ihrer Hypotheken die folgenden Miteigentumsbruchteile an dem Grundstück (wobei an die Stelle des Gläubigers der Hypothek Nr. 12 ein Dritter trat, dem jener seine Rechte abgetreten hatte): der Bg. 170/404 und die drei anderen Hypothekengläubiger insgesamt 234/ 404.

Streitig ist, ob die Voraussetzungen für einen steuerbegünstigten Rettungserwerb im Sinne des § 9 Abs. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) auch insoweit vorliegen, als erforderlich ist, daß der Gesamtbetrag (d. h. die tatsächlichen Aufwendungen des Pfandgläubigers, insbesondere das Meistgebot, die Rechte, die nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleiben, und die Beträge, die der Pfandgläubiger für ausgefallene eigene Rechte aufgewandt hat) den Vergleichsbetrag (d. h. den Betrag, den der Pfandgläubiger für den Erwerb seines Pfandrechtes aufgewandt hat und die diesem Pfandrecht im Rang vorhergehenden Rechte) nicht übersteigt (ß 9 Abs. 3 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Ziff. 2 GrEStG).

Der Vergleichsbetrag, der auf den Bg. entfiel, wurde vom Finanzamt wie folgt errechnet:

Hypothek 5a (Nennbetrag) --------------- 1.146,42 DM Hypotheken 12, 13 und 16 (Nennbetrag) - 17.500,00 DM Aufwand des Bg. zum Erwerb seiner Hypothek 6.000,00 DM --------------------------------------- 24.646,42 DM, davon 170/404 = 10.368,30 DM. Der Gesamtaufwand, den der Bg. zu tragen hatte, betrug auf Grund der Vorentscheidungen:

1. Barzahlung --------------------------------- 27.898,81 DM 2. übernommene Hypothek Nr. 5a valutiert mit 1.146,42 DM -------------------------------- 1.146,42 DM 3. übernommene Hypotheken Nr. 12, 13, 16 und 17, valutiert insgesamt mit --------------------- 17.600,00 DM ----------------------------------------------- 46.645,23 DM. Davon entfielen auf den Bg. 170/404, also 19.627,94 DM. Von dem Barpreis von 27.898,81 DM wurden 25.898,81 DM beim beurkundenden Notar hinterlegt; sie sollten zur Löschung von acht Hypotheken im Nennbetrag von 25.903,81 DM dienen, die den Grundpfandrechten der vier Käufer im Rang vorhergingen.

Das Finanzamt stellte demgemäß fest, daß der Gesamtaufwand von 19.627,94 DM den Vergleichsbetrag von 10.368,30 DM überstieg, verneinte die Anwendbarkeit der Steuervergünstigung des § 9 Abs. 3 GrEStG und setzte die Steuer unter Zugrundelegung einer Gegenleistung von 19.630 DM auf 1.374,10 DM fest.

Demgegenüber hat der Bg. geltend gemacht, daß auch die acht Hypotheken, die auf Grund des Kaufvertrages gelöscht werden sollten, mit ihrem Nennbetrag bei der Berechnung des Vergleichsbetrages, berücksichtigt werden müßten. In diesem Falle sei der Gesamtaufwand geringer als der Vergleichsbetrag. Während der Einspruch ohne Erfolg war, hat sich das Finanzgericht auf die Berufung des Steuerpflichtigen grundsätzlich dem Standpunkt des Bg. angeschlossen; es hat als Anteil des Bg. am Vergleichsbetrag 20.243 DM errechnet, die Einspruchsentscheidung sowie den Steuerbescheid aufgehoben und den Steuerpflichtigen von der Steuer freigestellt. Dabei hat es die Hypothek Nr. 17 nicht mit 6.000 DM, sondern lediglich mit 3.600 DM, d. h. mit dem Betrag angesetzt, den der Bg. zum Erwerb dieses Pfandrechts aufgewandt hatte.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) macht der Vorsteher des Finanzamts geltend, daß die Barablösung der in Betracht kommenden Hypotheken eine wesentliche Bestimmung des Vertrages sei. Mit der Ablösung dieser Belastungen seien sie als vorhergehende, Rechte bei der Feststellung der Höhe des Vergleichsbetrages ausgeschieden. Sie seien damit auch ohne Einfluß auf die Höhe des Vergleichsbetrages. Das gelte selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die genannten Belastungen im Grundbuch noch nicht gelöscht seien.

Der Bg. hat erwidert, der gewählte Weg sei Teil der Maßnahmen zur Rettung des Grundpfandrechts. Er sei beschritten worden, einerseits um die vorhergehenden acht Grundpfandgläubiger sicherzustellen, andererseits um dem neuen Hypothekengläubiger die Rangstellen der bisherigen acht Hypothekengläubiger zu erhalten oder wenigstens zu sichern. Zur Höhe des Vergleichsbetrages ist der Bg. der Auffassung, daß eine Zerlegung des von ihm zum Erwerb des Pfandrechtes aufgewandten Betrages nicht zulässig sei. Dieser Betrag müsse vielmehr entsprechend dem Wortlaut des Gesetzes in voller Höhe angesetzt werden, so daß sich der vom Finanzamt errechnete Vergleichsbetrag von 20.243 DM weiter erhöhen würde.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

Die Vorentscheidungen sind zu Recht davon ausgegangen, daß die Steuerbegünstigung des § 9 Abs. 3 GrEStG auch im vorliegenden Falle anwendbar ist, d. h. auch dann, wenn der Grundpfandgläubiger nur einen Miteigentumsanteil erwirbt, obwohl das volle Grundstück durch das Grundpfandrecht belastet war und eine Aufteilung des Grundstücks in Miteigentumsanteile im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs nicht bestand. In der Vorschrift des § 9 GrEStG sind zwar ausdrücklich nur die Fälle behandelt, in denen ein Grundpfandgläubiger - was regelmäßig zutreffen wird - das Grundstück in dem Umfang erwirbt, in dem es durch das Grundpfandrecht belastet ist. Durch Urteil II 90/53 vom 12. August 1953 (Slg. Bd. 57 S. 711, Bundessteuerblatt - BStBl - 1953 III S. 271) hat der Bundesfinanzhof die Steuerbegünstigung auch in den Fällen angewandt, in denen ein Grundpfandgläubiger, dessen Grundpfandrechte nur auf einem Miteigentumsanteil lasteten, das ganze Grundstück ersteigerte. Mit Fällen der vorliegenden Art, d. h. mit Fällen, in denen der Sachverhalt umgekehrt liegt, war der Bundesfinanzhof bisher nicht befaßt. Es bestehen jedoch keine Bedenken, die bezeichnete Steuervergünstigung nach ihrem Sinn und Zweck auch auf die hier in Betracht kommende Gruppe von Fällen anzuwenden. Allerdings hat der Gläubiger, dessen Grundpfandrecht auf dem ganzen Grundstück lastet, nicht die Möglichkeit, in der Zwangsversteigerung durch Abgabe des Meistgebots einen Miteigentumsanteil zu erwerben. Solange das Eigentum am Grundstück nicht in Miteigentumsanteile zerlegt ist, kann es nur als Ganzes zur Zwangsversteigerung kommen, so daß auch das Meistgebot nur auf das ganze Grundstück abgegeben werden darf. Zulässig ist jedoch, daß der Meistbietende nach Abgabe des Meistgebots und vor Erteilung des Zuschlags - ebenso wie einen realen Grundstücksteil - einen Bruchteil seiner Rechte aus dem Meistgebot an einen Dritten abtritt und daß dem Dritten insoweit der Zuschlag erteilt wird (Wilhelmi-Vogel, Zwangsversteigerungsgesetz, 4. Auflage, 1952, Anmerkung 4 zu § 81; Jäckel-Güthe, Kommentar zum Zwangsversteigerungsgesetz, 7. Auflage, 1937, Anmerkung 2a zu § 81). Auch dieser Erwerb kann, wie aus § 9 Abs. 1 Ziff. 1 Satz 2 GrEStG hervorgeht, unter die Steuervergünstigung des § 9 Abs. 1 fallen. Möglich ist in einem derartigen Falle, daß der Erwerb sowohl für den Meistbietenden als auch für den Empfänger der Abtretungserklärung einen Rettungserwerb im Sinn des § 9 Abs. 1 GrEStG darstellt, so daß die Steuervergünstigung auf beide Rechtsvorgänge anwendbar ist. Da die Vorschriften über die Steuervergünstigung beim Rettungserwerb in der Zwangsversteigerung sinngemäß gelten, wenn ein Grundstück rechtsgeschäftlich erworben wird (ß 9 Abs. 3 GrEStG), so ist auch in Fällen der vorliegenden Art die Steuervergünstigung grundsätzlich anwendbar.

Dem Finanzgericht ist außerdem darin zuzustimmen, daß die acht Hypotheken, deren Löschung im Kaufvertrag gegen Zahlung des Kaufpreises von 25.898,81 DM vereinbart wurde, bei Berechnung des Vergleichsbetrages zu berücksichtigen sind. Allerdings würde bei Berechnung der Gegenleistung im Sinn des § 11 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG der Betrag von 25.898,81 DM in den eigentlichen "Kaufpreis" eingerechnet werden; dagegen würden die zu löschenden acht Hypotheken unerwähnt bleiben, "übernommene sonstige Leistungen" im Sinn des § 11 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG würden also, soweit es sich um die acht Grundpfandrechte handelt, nicht angesetzt.

Die vorliegende Streitfrage betrifft jedoch nicht die Berechnung der Gegenleistung (ß 11 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG) - in diesem Falle wäre dem Finanzamt zuzustimmen -, sondern die Ermittlung des Vergleichsbetrages im Sinn des § 9 Abs. 1 Ziff. 2 GrEStG. Dabei muß berücksichtigt werden, daß die Fälle des rechtsgeschäftlichen Erwerbs den Fällen, in denen das Grundstück durch Zwangsversteigerung erworben wird, möglichst gleichgestellt werden sollen (vgl. Amtliche Begründung zum Grunderwerbsteuergesetz 1940, Abs. 16 zu § 9, Reichssteuerblatt - RStBl - 1940 S. 387). Hätte der Bg. das Grundstück im Wege der Zwangsversteigerung erworben, so wären die in Betracht kommenden acht Hypotheken ohne weiteres in den Vergleichsbetrag eingerechnet worden. Dabei wäre unerheblich gewesen, ob die Pfandrechte, weil ein dem Recht des Bf. nachfolgender Grundpfandgläubiger die Zwangsversteigerung betrieb, in das geringste Gebot aufgenommen oder ob sie, weil ein vorhergehender Grundpfandgläubiger die Zwangsversteigerung veranlaßt hatte, vom geringsten Gebot nicht erfaßt waren. Um die Fälle der Zwangsversteigerung und die des rechtsgeschäftlichen Erwerbes weitgehend gleichmäßig zu behandeln, ist deshalb erforderlich, auch die Grundpfandrechte, die durch Vertrag mit dem Veräußerer nicht vom Erwerber übernommen, sondern gelöscht werden, in den Vergleichsbetrag einzurechnen, obwohl sie, wie bereits ausgeführt wurde, als solche bei der Errechnung der Gegenleistung im Sinn des § 11 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG nicht in die Erscheinung treten.

Abweichende Auffassung zwischen dem Finanzgericht, dem Finanzamt und dem Bg. bestehen darüber, mit welchem Betrag das Grundpfandrecht anzusetzen ist, zu dessen Rettung der Bg. das Grundstücksmiteigentum erworben hat. Während das Finanzamt seinen Berechnungen den Nennbetrag von 6.000 DM zugrunde gelegt hat und das Finanzgericht von 3.600 DM, dem Aufwand des Bg. für den Erwerb des Pfandrechts, ausgegangen ist, ist der Bg. der Auffassung, daß bei Zugrundelegung des Betrages von 3.600 DM ihm dieser Betrag in voller Höhe - nicht lediglich im Verhältnis seines Miteigentumsanteils zur Gesamthöhe aller Miteigentumsanteile - zugerechnet werden muß. Die abweichenden Auffassungen könnten nicht entstehen, wenn im Streitfall unter Berücksichtigung des Zwecks der Vorschrift als Verleichsbetrag der Betrag errechnet wird, der sich ergibt, wenn der Grundpfandgläubiger bei Pfandrechten an einem Miteigentumsanteil nur diesen und bei Pfandrechten an einem ganzen Grundstück dieses in vollem Umfang erwerben würde. Soweit tatsächlich statt des ganzen Grundstücks ein Miteigentumsanteil oder statt des Miteigentumsanteils das ganze Grundstück erworben ist, wäre die Umrechnung beim Gesamtaufwand vorzunehmen. Wird also statt des ganzen Grundstücks auf dem das Pfandrecht lastet, ein Miteigentumsanteil erworben, so wäre der Gesamtaufwand auf den Betrag umzurechnen, der sich ergeben würde, wenn statt des Miteigentumsanteils das ganze Grundstück zu entsprechenden Bedingungen erworben wäre; der Vergleichsbetrag hätte das ganze Grundstück als Grundlage.

Bei Anwendung dieser Berechnungsmethode würde der Gesamtaufwand, das ganze Grundstück betreffend, unter Zugrundelegung der Feststellungen in den Vorentscheidungen 46.645,23 DM betragen. Andererseits würde der Vergleichsbetrag, das ganze Grundstück betreffend, entsprechend den Feststellungen des Finanzgerichts 48.150,23 DM ausmachen. Dabei wären, soweit das Grundpfandrecht des Bg. in Betracht kommt, statt des Nennbetrages von 6.000 DM nur 3.600 DM angesetzt; das ist der Betrag, den der Bg. zum Erwerb seines Rechts aufgewandt hat.

Der Gesamtbetrag übersteigt somit den Vergleichsbetrag.

Die Rb. ist demnach unbegründet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408502

BStBl III 1956, 268

BFHE 1957, 183

BFHE 63, 183

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