Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung nach § 14 Abs. 3 UStG bei nicht existierendem Leistungsempfänger

 

Leitsatz (NV)

1. § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG 1980 setzt nur voraus, daß das Abrechnungspapier die gemäß § 14 Abs. 4 UStG 1980 erforderlichen Angaben enthält und daß der Aussteller bestimmbar ist, nicht aber, daß die Angaben über Leistung, Entgelt, Steuerbetrag und Leistungsempfänger tatsächlich zutreffen.

2. Der Zweck des § 14 Abs. 3 UStG 1980 umfaßt jede Abrechnung, die geeignet ist, zur Geltendmachung von Vorsteuerbeträgen verwendet zu werden. Dies ist auch bei einer Abrechnung der Fall, die eine nicht existierende Person als Leistungsempfänger bezeichnet.

 

Normenkette

UStG 1980 § 13 Abs. 1 Nr. 4, § 14 Abs. 3 S. 2, Abs. 4; AO 1977 §§ 163, 227

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt eine Kfz-Werksvertretung. Sein ehemaliger Mitarbeiter X teilte ihm mit, im norddeutschen Raum stünden Fahrzeuge auf Halde, während in Süddeutschland ausreichend Interessenten vorhanden seien. X schlug dem Kläger vor, nach außen solle der Kläger die Fahrzeuge ankaufen und an bereits bekannte Interessenten weiterverkaufen, da er, X, selbst nicht über die notwendigen Kreditmittel verfüge. Die beabsichtigten Verkaufsgeschäfte sollten in keiner rechtlichen Beziehung zur Firma des Klägers stehen. Aufgrund dieses Vorschlags übergab X dem Kläger Rechnungen über den Verkauf der Fahrzeuge an ihn. Der Kläger händigte X entsprechende von ihm ausgestellte Rechnungen über den Weiterverkauf der Fahrzeuge an die von X benannten Abnehmer aus. Daß die Abnehmer tatsächlich nicht existierten, wußte der Kläger nicht.

Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) von diesem Sachverhalt Kenntnis erlangt hatte, verweigerte er dem Kläger mit geänderten Umsatzsteuerbescheiden 1986 und 1987 vom 4./8. Dezember 1992 den Abzug der in den Rechnungen über den Ankauf der Fahrzeuge gesondert ausgewiesenen Steuer als Vorsteuer und nahm den Kläger wegen der in den von ihm ausgestellten Rechnungen über den Verkauf der Fahrzeuge gesondert ausgewiesenen Steuerbeträge gemäß § 14 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) in Anspruch.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung im wesentlichen aus, der Kläger habe den Steuertatbestand des § 14 Abs. 3 Satz 2, zweite Alternative UStG 1980 dadurch erfüllt, daß er die Rechnungen ausgestellt und an X übergeben habe, obwohl er die abgerechneten Lieferungen nicht ausgeführt habe. Der Tatbestandsverwirklichung stehe nicht entgegen, daß die in den Rechnungen genannten Adressaten nicht existierten. Daß X die Rechnungen, wie von ihm behauptet, sofort nach Empfang vernichtet habe, sei nicht sicher. Die Inanspruchnahme des Klägers gemäß § 14 Abs. 3 UStG 1980 scheide auch nicht aus Billigkeitsgründen aus.

Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Er ist der Auffassung, § 14 Abs. 3 UStG 1980 erfasse nicht die Fälle, in denen als Rechnungsempfänger eine nichtexistente Person bezeichnet sei. Es sei nicht einmal eine abstrakte Gefährdung des Umsatzsteueraufkommens eingetreten, da die Rechnungen mangels Existenz der Rechnungsadressaten nicht zum Vorsteuerabzug geeignet gewesen seien. Ebenfalls sei ausgeschlossen, daß irgendwelche existierenden Personen die Vorsteuer aus den von ihm, dem Kläger, ausgegebenen Rechnungen hätten geltend machen können, ohne daß dies der Finanzverwaltung aufgefallen und von ihr verhindert worden wäre. Die Rechnungen seien nach dem Tatplan des X gar nicht zur Verwendung gegenüber einem Finanzamt bestimmt gewesen. Soweit der Streitfall dennoch unter den Tatbestand des § 14 Abs. 3 UStG 1980 fallen sollte, sei ausnahmsweise eine Berichtigung nach § 14 Abs. 2 UStG 1980 zuzulassen. Hilfsweise sei gemäß § 163 der Abgabenordnung (AO 1977) von der Erhebung der Umsatzsteuer abzusehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Die Auffassung des FG, der Kläger habe die Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 UStG 1980 erfüllt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Gemäß § 14 Abs. 3 Satz 2, zweite Alternative UStG 1980 schuldet derjenige, der in einer Urkunde, in der er wie ein leistender Unternehmer abrechnet, einen Steuerbetrag ausweist, obwohl er eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt, den ausgewiesenen Betrag.

a) Der Kläger hat Abrechnungen über nicht ausgeführte Fahrzeuglieferungen ausgestellt. In diesen Abrechnungen hat er Umsatzsteuerbeträge gesondert ausgewiesen. Die Abrechnungen hat er X ausgehändigt. Die in § 14 Abs. 3 Satz 2, zweite Alternative UStG 1980 vorausgesetzten Tatbestandsmerkmale sind erfüllt.

b) Der Inanspruchnahme des Klägers aus den Abrechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis steht nicht entgegen, daß die Adressaten der Abrechnungen nicht existierten und der Kläger die Abrechnungen einem Dritten, nämlich X, ausgehändigt hat (Ausgabe der Rechnung, vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 4 UStG 1980). § 14 Abs. 3 UStG 1980 ist -- verfassungsrechtlich unbedenklich -- als abstrakter Gefährdungstatbestand besonderer Art ausgestaltet und soll Mißbräuchen durch die Ausgabe von Rechnungen mit offenem Steuerausweis in bezug auf den Vorsteuerabzug entgegenwirken (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil vom 28. Januar 1993 V R 75/88, BFHE 171, 94, BStBl II 1993, 357 mit Nachweisen). Voraussetzung für das Vorliegen einer Rechnung bzw. einer Abrechnungsurkunde i. S. des § 14 Abs. 3 UStG 1980 ist nicht -- entgegen der Auffassung des Klägers --, daß die als Leistungsempfänger genannte Person tatsächlich existiert. § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG 1980 (um den es hier geht) setzt nur voraus, daß das Abrechnungspapier die gemäß § 14 Abs. 4 UStG 1980 erforderlichen Angaben enthält (vgl. Senatsurteil vom 27. Januar 1994 V R 113/91, BFHE 173, 466, BStBl II 1994, 342 zu dem mit den hier maßgebenden Normen inhaltlich übereinstimmenden § 14 Abs. 3 UStG 1973 und § 14 Abs. 4 UStG 1973 i. V. m. § 1 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Umsatzsteuergesetzes -- 1. UStDV --), nicht aber, daß die Angaben über Leistung, Entgelt, Steuerbetrag und Leistungsempfänger wirklich zutreffen. Tatsächlich bestimmbar muß nur der Aussteller sein, der "wie ein leistender Unternehmer abrechnet".

Zu Recht hat das FG den Rechnungsbegriff in § 14 Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 UStG 1980 aufgrund des Schutzzwecks der Vorschrift dahin ausgelegt, daß er jede Abrechnung umfaßt, die geeignet ist, zur unberechtigten Geltendmachung von Vorsteuerbeträgen verwendet zu werden und dadurch das Steueraufkommen zu gefährden. Dies ist auch bei einer Abrechnung der Fall, die eine nicht existierende Person als Leistungsempfänger bezeichnet. Das FG hat insoweit zutreffend darauf abgestellt, daß ein Empfänger einer derartigen Abrechnung versuchen kann, unter dem -- erfundenen -- Namen des bezeichneten Leistungsempfängers gegenüber den Finanzbehörden den Vorsteuerabzug geltend zu machen. Ob dies im Einzelfall erfolgreich geschieht, ist nicht entscheidend.

Im Streitfall kommt es nicht auf die vom Kläger aufgeworfene Frage an, ob der Rechnungsadressat bzw. der Dritte, dem der Aussteller das Abrechnungspapier übergibt, beabsichtigt, die Rechnung seinerseits (ggf. mißbräuchlich) im Rechtsverkehr zu verwenden. Ausschlaggebend ist, daß der Aussteller in Kauf nimmt, der Empfänger werde von dem Papier als Rechnung Gebrauch machen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 16. März 1993 XI R 103/90, BFHE 171, 125, BStBl II 1993, 531, unter 1.). Der Kläger ging bei Ausstellung und Ausgabe der Abrechnungspapiere aufgrund der Täuschung durch X sogar davon aus, dieser werde die Abrechnungspapiere gegenüber den vermeintlichen Abnehmern der Fahrzeuge als Verkaufsrechnungen verwenden.

2. Eine einschränkende Auslegung des § 14 Abs. 3 UStG 1980, etwa durch die Berücksichtigung des Ausmaßes der Steuergefährdung nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls -- hier im Hinblick auf die von X behauptete umgehende Vernichtung der Abrechnungspapiere --, scheidet aus. Durch eine solche Interpretation würde die Vorschrift ihre generalpräventive Wirkung verlieren. Sie enthielte dann lediglich "eine Art Ausfallhaftung des Rechnungsausstellers" für den Fall, daß die Gefährdung des Steueraufkommens in dessen Beeinträchtigung umschlägt, und würde in ihrer Zielsetzung sowie in ihrem Anwendungsbereich entscheidend reduziert (vgl. Senatsurteil vom 10. Dezember 1981 V R 3/75, BFHE 135, 107, BStBl II 1982, 229, unter 2.).

3. Der Steuerfestsetzung gemäß § 14 Abs. 3 UStG 1980 im Streitfall steht nicht das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 13. Dezember 1989 Rs. C-342/87 (Slg. 1989, 4227; Umsatzsteuer-Rundschau -- UR -- 1991, 83) entgegen. Der EuGH hat in dieser Entscheidung darauf hingewiesen, daß es zur Wahrung des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer Sache der Mitgliedstaaten sei, in ihrem innerstaatlichen Recht vorzusehen, daß jede zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer berichtigt werden könne, wenn der Aussteller der Rechnung seinen guten Glauben nachweise -- vgl. unter (18) der Entscheidungsgründe --. Nach deutschem -- innerstaatlichen -- Recht ist über die Berichtigungsmöglichkeit nach den Regeln des Billigkeitserlasses zu entscheiden.

Ob die Festsetzung der Steuer nach § 14 Abs. 3 UStG 1980 im Streitfall sachlich unbillig ist, kann im vorliegenden Rechtsstreit, in dem es um die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung geht, nicht geprüft werden. Das Steuerfestsetzungs- und das Billigkeitsverfahren sind jeweils selbständige Verfahren (vgl. BFH-Urteile vom 20. November 1987 VI R 140/84, BFHE 152, 310, BStBl II 1988, 402, und vom 8. Dezember 1988 V R 28/84, BFHE 155, 427, BStBl II 1989, 250; Tipke/Kruse, Abgabenordnung- Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 163 Tz. 7, 7 a).

 

Fundstellen

BFH/NV 1996, 83

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