Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebung eines Feststellungsbescheids; notwendige Beiladung

 

Leitsatz (NV)

1. Hebt das FA einen Feststellungsbescheid über Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf, so sind alle in dem aufgehobenen Bescheid als Beteiligte genannten Personen klagebefugt und gegebenenfalls beizuladen.

2. Zur Form eines negativen Feststellungsbescheids.

 

Normenkette

AO 1977 § 179; FGO § 48 Abs. 2, § 60 Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte zu 1 (Klägerin zu 1) ist Eigentümerin eines Mietwohngrundstücks. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 12. März 1975 bestellte sie ihren fünf damals noch minderjährigen Kindern (Kläger und Revisionsbeklagte zu 2 bis 6 - Kläger -), die durch einen Pfleger vertreten waren, zur finanziellen Sicherung der Versorgung und Berufsausbildung ein Nießbrauchsrecht zu je 1/7. Die Klägerin zu 1 sollte als Grundstückseigentümerin verpflichtet sein, die auf dem Grundstück ruhenden öffentlichen und privatrechtlichen Lasten allein zu tragen. Die Verwaltung des Bruttonießbrauchsrechts, das ab 1. Januar 1975 bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres des einzelnen Berechtigten bestehen sollte, oblag dem Ehemann der Klägerin zu 1 und Vater der Kläger zu 2 bis 6.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) stellte zunächst für die Streitjahre 1975 bis 1978 den Überschuß der Werbungskosten über die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gesondert und einheitlich fest. Dabei rechnete das FA den Klägern zu 2 bis 6 je 1/7 der Grundmiete und dem Ehemann der Klägerin zu 1 2/7 der Mieteinnahmen und sämtliche Werbungskosten zu. Nach einer Außenprüfung kam das FA zu der Auffassung, der Nießbrauchsvertrag sei steuerrechtlich nicht anzuerkennen, weil er nicht durchgeführt sei. Es erließ deshalb gegenüber jedem Kläger mit Datum vom 5. August 1982 einen Bescheid mit folgendem Wortlaut: ,,Der Nießbrauchsvertrag kann steuerlich nicht anerkannt werden, da die tatsächliche Durchführung nicht den von der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung der Literatur geforderten Voraussetzungen entspricht. Demzufolge ist keine einheitl. u. gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung . . . durchzuführen." Im ,,Betreff" der Bescheide sind sämtliche Kläger mit Name und Anschrift aufgeführt; auf den Antrag auf einheitliche und gesonderte Feststellung für die Hausgemeinschaft wird dort Bezug genommen. Gegenüber dem Ehemann der Klägerin zu 1 lehnte es das FA durch Bescheid vom 20. September 1982 ab, ihn in eine möglicherweise für die Hausgemeinschaft durchzuführende gesonderte und einheitliche Feststellung einzubeziehen. Dieser Bescheid ist unanfechtbar geworden.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage, mit der die Kläger die Aufhebung der Verfügungen vom 5. August 1982 begehrten, statt. Die Bescheide seien unwirksam, weil sie nicht geeignet gewesen seien, gegenüber den Klägern wirksam festzustellen, daß der Nießbrauchsvertrag nicht anzuerkennen sei. Bei den Bescheiden handele es sich nicht um den Klägern zugesandte Ausfertigungen ein und desselben einheitlichen und gesonderten Feststellungsbescheides, sondern um sechs lediglich gesonderte Feststellungsbescheide gegen jeden Kläger. Die Regelung, die das FA mit den Bescheiden habe treffen wollen, sei auf diese Weise nicht zu erzielen. Gleichwohl seien die Bescheide aufzuheben, um den Rechtsschein einer wirksamen Regelung zu beseitigen. Das gelte auch für die Einspruchsentscheidung.

Dagegen richtet sich die Revision, mit der das FA Verletzung des § 179 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) rügt. Das FG habe zu Unrecht entschieden, daß in den angefochtenen Bescheiden die einheitliche Feststellung nicht hinreichend deutlich auf die davon betroffenen Personen bezogen sei. Das FG habe auch nicht konkret dargestellt, wie die Einheitlichkeit der Entscheidung besser hätte formuliert werden können. Für den Erlaß eines negativen Feststellungsbescheides sei keine verbindliche Form vorgeschrieben.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat es rechtsfehlerhaft unterlassen, den Ehemannn der Klägerin zu 1 und Vater der Kläger zu 2 bis 6 gemäß § 60 Abs. 3 FGO beizuladen. Nach dieser Vorschrift sind Dritte, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, notwendig beizuladen. Dies gilt nicht für Mitberechtigte, die nach § 48 FGO nicht klagebefugt sind. Erläßt das FA einen Bescheid, in dem die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gesondert und einheitlich festgestellt werden, so bindet dieser Bescheid alle in ihm als Beteiligte genannten Personen. Wegen dieser rechtlichen Bindung räumt § 48 Abs. 2 FGO den Beteiligten das Recht ein, sich im Klageverfahren gegen den Feststellungsbescheid zu wenden (vgl. Beschluß des erkennenden Senats vom 5. Februar 1985 IX B 55/84, BFH/NV 1985, 40). Hebt das FA den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung auf, weil es nachträglich die Voraussetzungen für die Feststellung nicht mehr für gegeben hält, so sind alle in dem aufgehobenen Feststellungsbescheid als Beteiligte genannten Personen durch die Aufhebung betroffen und deshalb befugt, Klage zu erheben. Macht einer der Beteiligten von seinem Klagerecht keinen Gebrauch, muß er zur Herbeiführung einer einheitlichen Entscheidung zum Klageverfahren notwendig beigeladen werden.

Im Streitfall hat das FA durch die angefochtenen Verfügungen vom 5. August 1982 die ursprünglichen (positiven) Feststellungsbescheide für die Streitjahre stillschweigend aufgehoben. Mit der Ablehnung der Durchführung einer gesonderten und einheitlichen Feststellung gegenüber den Klägern hat es gleichzeitig ausgesprochen, daß die vorher erlassenen positiven Feststellungsbescheide zu Unrecht ergangen sind unnd deshalb aufgehoben werden. Die Kläger mußten die ablehnenden Verfügungen vom 5. August 1982 in diesem Sinne verstehen, denn das FA hatte schon zuvor versucht, die Feststellungsbescheide aufzuheben, diese erste Aufhebungsverfügung aber wegen formeller Fehler wieder aufgehoben. Die zweite, hier im Streit befindliche ablehnende Verfügung vom 5. August 1982 sollte - für die Kläger erkennbar - die erste Aufhebungsverfügung ersetzen. Die Aufhebung der positiven Feststellungsbescheide hat Auswirkung auch auf die Rechtsstellung des Ehemanns der Klägerin zu 1 und Vater der Kläger zu 2 bis 6, weil er in den positiven Feststellungsbescheiden als Beteiligter ausgewiesen ist. Daß die Zurechnung eines Anteils an den Einkünften auf ihn ersichtlich zu Unrecht erfolgte, weil er weder Miteigentümer des Grundstücks noch Nießbrauchsberechtigter ist, ändert nichts daran, daß das FA ihm in den ursprünglichen positiven Feststellungsbescheiden einen Teil der Einkünfte wirksam zugerechnet hat und er deshalb durch die Aufhebung der Feststellungsbescheide betroffen ist.

Die Notwendigkeit der Beiladung des Ehemanns der Klägerin zu 1 entfällt nicht deshalb, weil das FA es ihm gegenüber durch die Verfügung vom 20. September 1982 abgelehnt hat, ihn in eine möglicherweise für die Hausgemeinschaft durchzuführende gesonderte und einheitliche Feststellung einzubeziehen und diese Ablehnung unanfechtbar geworden ist. Diese Ablehnung bezieht sich, wie sich unmittelbar aus ihrem Wortlaut ergibt, nur auf eine möglicherweise zukünftig durchzuführende gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Eine Aufhebung der ursprünglichen (positiven) Feststellungsbescheide enthält dieser ablehnende Bescheid nicht.

Da der Ehemann der Klägerin zu 1 und Vater der Kläger zu 2 bis 6 durch die Aufhebung der ursprünglichen positiven Feststellungsbescheide betroffen und mithin klagebefugt ist, aber nicht selbst Klage erhoben hat, ist er gemäß § 60 Abs. 3 FGO beizuladen.

Die Unterlassung der notwendigen Beiladung ist ein Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens, der im Revisionsverfahren auch ohne Rüge zu beachten ist (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. September 1981 VIII R 90/79, BFHE 134, 505, BStBl II 1982, 216). Ein Verzicht auf die notwendige Beiladung ist ebensowenig möglich wie eine Nachholung in der Revisionsinstanz (§ 123 Satz 1 FGO, vgl. auch das BFH-Urteil vom 28. November 1974 I R 62/74, BFHE 114, 167, BStBl II 1975, 209). Die Sache geht zur Nachholung der notwendigen Beiladung an das FG zurück (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Der Senat weist darauf hin, daß er die Rechtsauffassung der Vorinstanz, die Ablehnungsbescheide gegenüber den Klägern vom 5. August 1982 seien mangels ,,Einheitlichkeit" unwirksam, nicht teilt. Für negative Feststellungsbescheide ist eine besondere Form nicht vorgeschrieben. Es ist deshalb gleichgültig, ob das FA die Ablehnung, eine gesonderte und einheitliche Feststellung durchzuführen, in einem zusammengefaßten Bescheid ausspricht, von dem jeder Beteiligte eine Ausfertigung erhält, oder ob es die gesonderte und einheitliche Feststellung jedem Beteiligten gegenüber in einem gesonderten Bescheid ablehnt. Erforderlich ist lediglich, daß die Ablehnung allen als Beteiligte in Betracht kommenden Personen gegenüber erfolgt.

Das FG wird vor einer erneuten Entscheidung das Verfahren gegebenenfalls zunächst nach § 74 FGO aussetzen müssen, damit das FA Gelegenheit erhält, die positiven Feststellungsbescheide für die Streitjahre auch dem Ehemann der Klägerin zu 1 gegenüber aufzuheben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416363

BFH/NV 1989, 765

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