Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Frage, ob Aufwendungen des Arbeitgebers zur Zukunftssicherung eines Arbeitnehmers gegenwärtig zufließender Arbeitslohn des Arbeitnehmers oder nur eine Maßnahme der Rückdeckung des Arbeitgebers sind, um sich die Mittel zur späteren Erfüllung einer Versorgungszusage zu schaffen, muß in Zweifelsfällen auf Grund der Vereinbarungen zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer (Innenverhältnis) beurteilt werden.

Sind Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung zu Unrecht früher nicht als Arbeitslohn besteuert worden, so schließt das nicht aus, die wiederkehrenden Bezüge des Arbeitnehmers aus der Zukunftssicherung als Einkünfte im Sinne des § 22 Ziff. 1 a EStG 1955 zu behandeln. Die frühere steuerliche Behandlung der Ausgaben des Arbeitgebers ist aber entscheidend, wenn die Beteiligten mit Erfolg für die frühere steuerliche Behandlung gekämpft haben.

 

Normenkette

EStG §§ 19, 22/1/a; LStDV § 2 Abs. 2 Ziff. 2

 

Tatbestand

Der Bf. war Vorstandsmitglied bei dem F-überlandwerk (abgekürzt: FüW). Er bezog im Streitjahr 1955 als Pension vom FüW 12.634 DM, die zu 1/10 vom FüW aus eigenen Mitteln und zu 9/10 über das FüW aus Mitteln der Bayerischen Versicherungskammer, Abteilung für kommunales Versorgungswesen (abgekürzt: Versorgungsverband) gezahlt wird. Der Versorgungsverband hat die Aufgabe, die Versorgungslasten seiner Mitglieder auszugleichen; Mitglieder des Versorgungsverbands können nur kommunale Arbeitgeber werden; die Mittel werden im Umlageverfahren aufgebracht. Dem Bf. wurde von dem FüW am 19. Oktober 1926 eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen zugesagt. Das FüW meldete vereinbarungsgemäß den Bf. am 31. Oktober 1926 beim Versorgungsverband an und leistete für ihn die Umlagen; der Bf. hatte, wie vereinbart, die für seine Versicherung abgeführten Umlagen dem FüW zu ersetzen; er leistete demgemäß von 1926 bis Ende 1937 aus eigenen Mitteln - ohne Zinsen und Zinseszinsen - insgesamt 20.638 RM. Ab 1. Januar 1938 wurde der Dienstvertrag dahin geändert, daß das FüW die Umlagen selbst trug; es entrichtete so ab 1. Januar 1938 bis Ende 1945 - ebenfalls ohne Zinsen und Zinseszinsen - 23.518 RM. Der Bf. wurde zum 1. November 1945 auf Befehl der Militärregierung entlassen; zum 1. November 1948 wurde er wieder als Vorstandsmitglied eingestellt, aber wegen Dienstunfähigkeit gleichzeitig in den Ruhestand versetzt.

Er will den Teil seiner Pension, der ihm vom FüW aus Mitteln des Versorgungsverbands gezahlt wird, steuerlich gemäß § 22 Ziff. 1 a EStG 1955 als Rente nur mit dem Ertragsanteil versteuern. Das Finanzamt behandelte die ganze Pension von 12.634 DM als Arbeitslohn im Sinne des § 19 Abs. 1 Ziff. 2 EStG. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht wies die Berufung im Streitpunkt als unbegründet zurück. Es führte in seiner Entscheidung, die in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1960 S. 453 veröffentlicht ist, im wesentlichen aus: Im Jahre 1926 habe der Bf. aus eigenen Mitteln einen Anspruch auf Alters- und Hinterbliebenenversorgung gemäß den Satzungen des Versorgungsverbands erworben; das FüW habe die Versorgung des Bf. nur zu 1/10 aus eigenen Mitteln zu leisten gehabt. Es sei unerheblich, daß Mitglied des Versorgungsverbands nur Arbeitgeber werden könnten; denn steuerlich komme es auf die Beziehungen zwischen dem Bf. und dem FüW an (Urteil des Reichsfinanzhofs IV 149/40 vom 25. Juli 1940, RStBl 1940 S. 906). Wirtschaftlich sei in den Jahren 1926 bis 1937 der Bf. Versicherungsnehmer gewesen; das FüW habe für die Zukunftssicherung des Bf. in diesen Jahren keine Ausgaben gemacht. Die eigenen Ausgaben des FüW ab 1938 seien aber Ausgaben zur Rückdeckung wegen der dem Bf. gegebenen Versorgungszusage gewesen; dadurch, daß das FüW die Umlagen aus eigenen Mitteln aufgebracht habe, habe es dem Bf. noch keinen Arbeitslohn gezahlt (Urteile des Bundesfinanzhofs VI 1/54 U vom 31. Oktober 1957, BStBl 1958 III S. 4, Slg. Bd. 66 S. 8; VI 233/56 S vom 28. März 1958, BStBl 1958 III S. 268, Slg. Bd. 66 S. 701); das FüW habe durch die übernahme der Umlagen zum Ausdruck gebracht, daß es in Zukunft dem Bf. eine Versorgung nur aus eigenen Mitteln gewähren wolle. Als das FüW ab 1. Januar 1938 die Umlagen übernommen habe, sei die vorher aus den eigenen Einkünften des Bf. beschaffte Zukunftssicherung entfallen. Der Bf. stehe wirtschaftlich wie ein Steuerpflichtiger, der jahrelang für eine Lebensversicherung gezahlt habe und sie dann verfallen lasse (Hartz-Over, Lohnsteuerrecht, Stichwort "Werbungskosten" S. 301; Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 1051/31 vom 14. Januar 1932, RStBl 1932 S. 294).

 

Entscheidungsgründe

Die Rb., mit der der Bf. unrichtige Anwendung der §§ 19 und 22 Ziff. 1 a EStG 1955 rügt, führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen.

Zutreffend hat das Finanzgericht zunächst geprüft, ob die Leistungen des FüW an den Versorgungsverband eine Maßnahme eigener Rückdeckung waren, durch die sich das FüW als Arbeitgeberin die Mittel zur späteren Erfüllung einer dem Bf. gegebenen Versorgungszusage beschaffen wollte (ß 2 Abs. 3 Ziff. 2 Satz 6 LStDV). Nimmt man das an, so waren die Umlagen, die das FüW an den Versorgungsverband leistete, kein Arbeitslohn, der dem Bf. jeweils schon bei den Zahlungen des FüW an den Versorgungsverband zufloß; Arbeitslohn sind dann erst, wie die Vorinstanzen auch angenommen haben, die Zahlungen, die der Bf. vom FüW als Pension erhält (Urteil des Senats VI 1/54 U, a. a. O.; Gutachten VI D 1/57 S vom 27. März 1958, BStBl 1958 III S. 258, Slg. Bd. 66 S. 670).

Zutreffend ist es auch, wenn die Vorinstanzen im allgemeinen die Zahlungen an den Versorgungsverband als eine Maßnahme eigener Rückdeckung der Mitglieder ansehen; denn die Arbeitnehmer der Mitglieder werden normalerweise in die Regelung mit dem Versorgungsverband nicht einbezogen; sie haben gewöhnlich keinen arbeitsrechtlichen Anspruch gegen ihre Arbeitgeber auf Fortführung der Mitgliedschaft beim Versorgungsverband; ihre Ansprüche beschränken sich auf Zahlung der Pension bei Eintritt des Versorgungsfalls; wie sich der Arbeitgeber die Mittel zur Erfüllung der Versorgungszusage beschafft, steht in seinem Ermessen.

Das schließt aber nicht aus, den Streitfall wegen seiner Besonderheiten anders zu beurteilen. Die Versorgungszusage, die das FüW dem Bf. im Jahre 1926 gab, wich dadurch von der Norm ab, daß der Bf. die Umlagen, soweit sie auf seine Versicherung entfielen, selbst aufbringen bzw. dem FüW die Auslagen ersetzen mußte. Das Ziel dieser Regelung war, dem Bf., der nicht unmittelbar Mitglied des Versorgungsverbands werden konnte, durch die Zwischenschaltung des FüW die Mitgliedschaft beim Versorgungsverband zu vermitteln. Das FüW sollte also gewissermaßen nur treuhänderisch für den Bf. nach außen als Versicherungsnehmer auftreten. Das Finanzgericht nimmt offenbar selbst an, daß, wenn etwa der Bf. in den Jahren von 1926 bis 1937 pensionsberechtigt geworden wäre, die Versorgungsleistungen, die von dem Versorgungsverband an das FüW geleistet worden wären, wirtschaftlich Rentenbezüge des Bf. auf Grund seiner Beitragsleistungen gewesen und gemäß § 2 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 LStDV nicht Arbeitslohn gewesen wären. Für Außenstehende erschien zwar die Anmeldung des Bf. zum Versorgungsverband als eine Maßnahme der Rückdeckung des FüW, während es sich im Innenverhältnis zwischen dem Bf. und dem FüW um eine eigene Versicherung des Bf. handelte, die er aus seinen Mitteln finanzierte. Mit Recht nimmt das Finanzgericht auch an, daß die Frage, ob eine Maßnahme der Rückdeckung des Arbeitgebers vorliegt, nicht nur aus der nach außen gewählten Form beurteilt werden darf, sondern daß bei der wirtschaftlichen Betrachtungsweise des Steuerrechts der wirtschaftliche Gehalt eines Rechtsgeschäfts in erster Linie aus dem Innenverhältnis beurteilt werden muß. Dann ist aber wohl kein Zweifel möglich, daß mindestens bis Ende 1937 wirtschaftlich der Bf. der Versicherungsnehmer war; die Umlagen, die er dem FüW erstattete, waren für ihn Sonderausgaben im Sinne des § 10 EStG. Wäre also der Bf. in der Zeit von 1926 bis 1937 pensionsberechtigt geworden, so wären die Bezüge, die er vom Versorgungsverband über das FüW erhielt, für ihn nicht Arbeitslohn im Sinne des § 19 EStG gewesen, sondern weil er sie auf Grund eigener Beitragsleistungen bezog, wiederkehrende Bezüge im Sinne des § 22 Ziff. 1 a EStG, wie sich aus der Vorschrift des § 2 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 LStDV ergibt, die der Senat im Gutachten VI D 1/57 S, a. a. O., als rechtsgültig bestätigt hat.

Was aber die Zeit ab 1938 angeht, so will das Finanzgericht die Beurteilung des Vertrags für die Jahre 1926 bis 1937 außer Betracht lassen und den Fall einheitlich nur danach würdigen, wie er ab 1938 gehandhabt wurde. Es ist dem Finanzgericht darin zuzustimmen, daß der ganze Vorgang rechtlich nur einheitlich beurteilt werden kann; denn der Vertrag mit dem Versorgungsverband wurde durch die innerbetriebliche Umstellung der Aufbringung der Umlagen für den Versorgungsverband überhaupt nicht und der Dienstvertrag des Bf. mit dem FüW nur insofern berührt, als nunmehr das FüW seine Ausgaben für die Umlagen nicht mehr ersetzt verlangen konnte.

Das Finanzgericht hat nicht begründet, warum es bei der für erforderlich gehaltenen einheitlichen Beurteilung nicht die Handhabung für die Zeit von 1926 bis 1937, sondern die ab 1938 zur Richtschnur nahm, obwohl es nahelag, den erstgenannten Weg zu gehen; denn die Situation des Bf. änderte sich wirtschaftlich ab 1938 nur insofern, als sich sein Gehalt um die Umlagen erhöhte, die nunmehr das FüW aus eigenen Mitteln zahlte. Bei vernünftiger Auslegung des Arbeitsvertrages muß man dem Bf. einen Rechtsanspruch zuerkennen, daß das FüW auch ab 1938 seine Versicherung beim Versorgungsverband aufrechterhielt und nicht, wie es bei einer Maßnahme der Rückdeckung wäre, jederzeit die Versicherung des Bf. beim Versorgungsverband fallenlassen konnte; denn durch die Aufgabe der Versicherung wären die durch 12 Jahre gezahlten Beiträge des Bf. verfallen; sein Versorgungsanspruch, der auf Pension nach beamtenrechtlichen Grundsätzen über den Versorgungsverband ging, wäre gemindert worden.

Das Finanzgericht meint, daß der Bf. wesentlich weniger gezahlt habe als das FüW. Dabei übersieht es aber, daß der Bf. von 1926 bis 1937 ohne Zinsen und Zinseszinsen rund 20.600 RM aus eigenen Mitteln aufgebracht hatte und die Leistungen des FüW ab 1938 bis 1945 kaum wesentlich höher waren, wenn man bedenkt, daß die Zahlungen des Bf. länger auf Zins gestanden haben. Die Auffassung des Finanzgerichts, daß für den Bf. seine eigenen früheren Zahlungen "verlorene Prämien" seien, wird der Tatsache nicht gerecht, daß die Zahlungen des Bf. sich wesentlich auf die Höhe seiner Pension auswirken.

Würdigt man also die änderung des Dienstvertrags für die Zeit ab 1938 wirtschaftlich, so ist anzunehmen, daß die Fortführung der Versicherung beim Versorgungsverband Gegenstand des Dienstvertrags des Bf. mit dem FüW blieb und das FüW - wie schon seit 1926 - verpflichtet war, durch seine Zwischenschaltung dem Bf. die eigene Versicherung beim Versorgungsverband weiterhin zu vermitteln. Geht man aber davon aus, so bedeutete in der Zeit ab 1938 die Zahlung der Umlagen durch das FüW einen zusätzlichen Arbeitslohn für den Bf., der jeweils im Jahre der Zahlung der Umlagen zu versteuern war, den aber der Bf. wieder als Sonderausgaben (Versicherungsprämien) im Rahmen der Höchstbeträge absetzen konnte.

Tatsächlich sind, wie das Finanzgericht feststellt, die Beteiligten anders vorgegangen; sie haben die Umlagen des FüW an den Versorgungsverband nicht ab 1938 als Arbeitslohn behandelt; der Bf. hat auch wohl nicht entsprechende Sonderausgaben geltend gemacht. Die richtige Besteuerung kann wegen des Ablaufs der Verjährungsfrist nicht nachgeholt werden. Wenn demnach die frühere Sachbehandlung falsch war und die Nachholung der richtigen Besteuerung auch nicht möglich ist, so kann das indessen nicht dazu führen, in Zukunft eine bewußt unrichtige Besteuerung fortzuführen, weil in der Vergangenheit Fehler begangen wurden. Der Senat folgt in dieser Hinsicht der jüngeren Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (Urteile IV 226/37 vom 2. März 1939, RStBl 1939 S. 645; IV 350/38 vom 23. März 1939, RStBl 1939 S. 866), die nicht mehr nur an die tatsächliche Handhabung in der Vergangenheit anknüpfte, sondern verlangte, daß in der Gegenwart die Besteuerung dem Gesetz entsprechend vorgenommen werde, allerdings mit der Einschränkung, daß Steuerpflichtige, die früher dem Finanzamt gegenüber mit Erfolg dafür gekämpft hatten, daß bestimmte Aufwendungen des Arbeitgebers nicht als gegenwärtiger Arbeitslohn behandelt würden, die späteren Bezüge als Arbeitslohn versteuern müßten; denn die Steuerpflichtigen setzen sich mit ihrem eigenen früheren Verhalten in Widerspruch, wenn sie bei unveränderter Sachlage willkürlich ihre Rechtsauffassung danach ändern, wie es ihnen jeweils steuerlich am günstigsten ist (Urteil des Reichsfinanzhofs IV 236/38 vom 5. Oktober 1939, RStBl 1940 S. 346). Im Streitfall liegt allerdings kein Anhalt vor, daß die Beteiligten nach 1938 für eine bestimmte Handhabung der Beiträge des FüW an den Versorgungsverband gekämpft haben, so daß es weiterer Aufklärung in dieser Hinsicht nicht bedarf.

Nach allem ist dem Bf. darin zuzustimmen, daß die 9/10 der Pension, die er über das FüW vom Versorgungsverband bezieht, nicht Arbeitslohn im Sinne des § 19 EStG sind, sondern nach § 22 Ziff. 1 a EStG 1955 besteuert werden müssen; nur 1/10 der Pension, die der Bf. unmittelbar aus Mitteln des FüW erhält, sind für ihn Arbeitslohn im Sinne des § 19 EStG. Das Finanzamt, an das die Sache zurückverwiesen wird, hat die Einkommensteuerveranlagung 1955 nunmehr nach diesen Rechtsgrundsätzen durchzuführen.

 

Fundstellen

BStBl III 1961, 191

BFHE 1961, 525

BFHE 72, 525

StRK, EStG:19/1/1 R 182

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