Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungsempfänger einer ESt-Erstattung bei Zusammenveranlagung

 

Leitsatz (NV)

1. Der öffentlich-rechtliche Rückforderungsanspruch der Finanzbehörde bei rechtsgrundloser Steuererstattung richtet sich gegen den Leistungsempfänger.

2. § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG begründet keine Gesamtgläubigerschaft zusammenveranlagter Ehegatten. Leistungsempfänger (1.) ist nur der Ehegatte, dem die Leistung tatsächlich zugeflossen ist.

 

Normenkette

AO 1977 § 37 Abs. 2, § 218 Abs. 1; EStG § 36 Abs. 4 Sätze 3, 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine Ehefrau (E), mit der er zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wird, erzielten 1984 Einkünfte (aus nichtselbständiger Arbeit und Vermietung und Verpachtung einerseits und aus Gewerbebetrieb andererseits). Sie gaben aber zunächst eine Einkommensteuererklärung nicht ab. Das beklagte und revisionsbeklagte Finanzamt (FA) schätzte darauf die Besteuerungsgrundlagen und setzte Einkommensteuer fest. Nach der dem Bescheid vom 5. August 1986 beigefügten Abrechnung waren insgesamt 15 624 DM zu zahlen. Der Bescheid wurde später aufgehoben, der zu zahlende Betrag storniert. Am 22. Dezember 1986 ging bei dem FA die Einkommensteuererklärung 1984 der Ehegatten ein. In der Erklärung war ein Bankkonto X des Klägers angegeben; sie enthielt weiter die Angabe, daß es sich um dieselbe Bankverbindung wie 1983 handele. Aufgrund der Erklärung wurde die Einkommensteuer erneut festgesetzt. In der dem Bescheid vom 19. Februar 1987 beigefügten Abrechnung war infolge eines Eingabefehlers der nach der Abrechnung zum Bescheid vom 5. August 1986 zu zahlende Betrag von 15 624 DM als bereits gezahlt ausgewiesen. Dieser Betrag wurde von dem FA auf das in der Einkommensteuererklärung angegebene Konto erstattet. Einen entsprechenden Hinweis enthält die Abrechnung zum Bescheid vom 19. Februar 1987. Der Fehler, der bei weiteren Abrechnungen zu späteren Änderungsbescheiden zunächst unerkannt blieb, wurde erst anläßlich einer Außenprüfung bei E Ende 1989 entdeckt. Das FA erließ darauf gegen den Kläger und E gleichlautende Rückforderungsbescheide (vom 9. Januar 1990) über 15 624 DM. Während der Bescheid gegen E bestandskräftig geworden ist, wandte sich der Kläger vergeblich gegen den an ihn gerichteten Bescheid, mit der Begründung, die Erstattung sei der Allein inhaberin des Kontos -- E -- zuzurechnen; er selbst -- Kläger -- habe den überwiesenen Betrag nicht erhalten und über ihn auch nicht verfügen können.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruch (Einspruchsentscheidung vom 10. April 1990) erhobene Klage ab. Es führte aus, auch der Kläger sei als (rückzahlungspflichtiger) Leistungsempfänger anzusehen. Ebenso wie das FA im Falle des Bestehens des Erstattungsanspruchs gegenüber beiden zusammenveranlagten Ehegatten durch die Zahlung von der Erstattungspflicht frei werde (§ 36 Abs. 4 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --), habe es gegenüber beiden Ehegatten im Falle der fehlerhaften Überweisung einen Rückforderungsanspruch. Die Zurechnung der rechtsgrundlos erbrachten Leistung auch an den Kläger ergebe sich zudem aus der Angabe der Bankverbindung in der gemeinsamen Steuererklärung. Mit der Angabe des Kontos und des Kontoinhabers brächten die Ehe gatten zum Ausdruck, wer von ihnen zum Empfang der Erstattung ermächtigt sein solle. Die Abrechnungsverfügung vom 19. Februar 1987 habe, was hier konkludent geschehen sei, berichtigt werden dürfen; unschädlich sei, daß der seinerzeit noch nicht erkannte Fehler bei vorangegangenen Abrechnungen zunächst noch nicht berücksichtigt worden sei.

Mit der Revision rügt der Kläger, das FG habe sich zu Unrecht auf § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG gestützt. Aus dieser Vorschrift ergebe sich keine Gesamtgläubigerschaft der Ehegatten; sie enthalte lediglich einen besonderen Schuldbefreiungstatbestand.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung und die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Das FA beantragt, die Revision zurückzu weisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat im Ergebnis richtig entschieden, daß die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind. Der Rückforderungsanspruch des FA gemäß § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) gegen den Kläger besteht, denn der Kläger ist als Leistungsempfänger der zurückgeforderten Steuer erstattung anzusehen.

Als unzutreffend erweist sich freilich die Hauptbegründung der Vorentscheidung.

Der öffentlich-rechtliche Rückforderungsanspruch der Finanzbehörde bei rechtsgrundloser Steuererstattung (zu ihm etwa Senat, Urteile vom 6. Februar 1990 VII R 97/88, BFHE 160, 197, BStBl II 1990, 671; vom 1. März 1990 VII R 103/88, BFHE 160, 128, 130, BStBl II 1990, 520, und vom 31. August 1993 VII R 69/91, BFHE 173, 1, 3), der mit dem Rückforderungsbescheid geltend gemacht wird, richtet sich gegen den Leistungsempfänger. Das FG geht im Hinblick auf § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG offenbar davon aus, daß bei zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Ehegatten die rechtsgrundlose Überweisung an den einen Ehegatten auch einen Zufluß auf seiten des anderen Teils bewirke, hier mit der Folge, daß der Kläger, unabhängig von der Frage, welcher Ehegatte die Einkommensteuererstattung erhalten hat, neben E Leistungsempfänger geworden sei. Dieser Ansicht, die das FG nicht näher begründet hat, kann nicht zugestimmt werden. § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG, der vorsieht, daß bei nach §§ 26, 26 b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Ehegatten die Auszahlung eines nach § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG sich ergebenden Überschusses an einen Ehegatten auch für und gegen den anderen Ehegatten wirkt, hat, wie der Senat mehrfach entschieden hat (Urteile vom 19. Oktober 1982 VII R 55/80, BFHE 137, 146, 150; vom 25. Juli 1989 VII R 118/87, BFHE 157, 326, 328, BStBl II 1990, 41; vom 5. April 1990 VII R 2/89, BFHE 160, 400, 402, BStBl II 1990, 719, und vom 8. Januar 1991 VII R 18/90, BFHE 163, 505, 507, BStBl II 1991, 442; vgl. auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 37 AO Tz. 20 b; Hoffmann in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 37 Rz. 13), lediglich die Bedeutung eines besonderen Schuldbefreiungstatbestandes, der dazu führt, daß die Finanzbehörde von ihrer Zahlungspflicht unabhängig von den Ausgleichspflichten der Ehegatten im Innen verhältnis frei wird, wenn sie an einen der beiden Ehegatten gezahlt hat. Im Hinblick auf Erstattungsansprüche nach § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG -- hier: solche, die sich aufgrund der formellen Bescheidlage nach dem Steuerbescheid vom 19. Februar 1987 und der beigefügten Abrechnung ergaben (§ 218 Abs. 1 AO 1977) -- sind zusammenveranlagte Ehegatten nicht Gesamtgläu biger; auch § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG begründet keine Gesamtgläubigerschaft der Ehegatten (vgl. außer der angeführten Rechtsprechung auch BFHE 160, 128, 132, BStBl II 1990, 520). Die Zahlung an einen Ehegatten kann mithin nicht, wie im Falle der Gesamtgläubigerschaft (§§ 428, 429 Abs. 3, § 422 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches), ohne weiteres als Leistung auch an den anderen Ehegatten angesehen werden.

Die Vorentscheidung wird indessen von der in ihr enthaltenen Hilfsbegründung ("zudem") getragen. Der Kläger ist Leistungsempfänger, weil ihm die vom FA erbrachte Leistung, wie vom FG insoweit richtig entschieden, nach den hier getroffenen, den Senat gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindenden Feststellungen tatsächlich zugeflossen ist. Da die Revision in diesem Zusammenhang keine (ausdrückliche) Rüge erhebt, hält es der Senat für ausreichend, insoweit auf die Vorentscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 13 Abs. 2, § 25 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes. Für eine Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO ist im Revisionsverfahren kein Raum (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl. 1993, § 139 Anm. 32).

 

Fundstellen

Haufe-Index 420549

BFH/NV 1995, 781

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