Leitsatz (amtlich)

Wird die Einmalprämie für eine Rentenversicherung durch ein bei einer Bank aufgenommenes Darlehen aufgebracht, so sind die dafür entrichteten Schuldzinsen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG als Sonderausgaben abzugsfähig.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1, 2b; StAnpG § 6

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hat im Dezember 1967 bei der A. Lebensversicherung a. G. (Versicherung) einen Rentenversicherungsvertrag mit Kapitalwahlrecht gegen eine Einmalprämie von 300 000 DM abgeschlossen. Die erste Rentenzahlung ist am 1. Dezember 1982 fällig, wenn der Kläger diesen Zeitpunkt erlebt. Die Rente beträgt vierteljährlich 7 907,90 DM und wird bis zum Tode des Klägers gezahlt.

Um die Einmalprämie von 300 000 DM aufbringen zu können, nahm der Kläger bei einer Bank einen Kredit über 300 000 DM auf. Zur Sicherheit trat er die Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag an die Bank ab. Diese belastete den Kläger am 15. Dezember 1967 mit 21 000 DM Zinsen für die Zeit vom 15. Dezember 1967 bis zum 14. Dezember 1968.

In ihrer Einkommensteuererklärung 1967 machten die Kläger diese Zinsen als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) ließ die Zinsen unter Hinweis auf die Erlasse des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 31. Mai 1968 (S 2221 - 207 - VB 1) und vom 13. November 1968 (S 2221 - 207 - VB 1, beide veröffentlicht in DB 1968, 1153 und 2106) nicht zum Abzug zu. Er behandelte die Zinsen als Versicherungsbeiträge, die sich aber wegen der Höchstbetragsgrenze nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG steuerlich nicht auswirken konnten.

Die Sprungklage hatte Erfolg. Das FG setzte unter Aufhebung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids die Einkommensteuer 1967 unter Berücksichtigung der Schuldzinsen in Höhe von 21 000 DM auf 60 944 DM fest.

Das FG führte aus, die dem Kläger belasteten 21 000 DM seien Schuldzinsen, die für einen Kredit gezahlt worden seien. Der Abzug von Schuldzinsen als Sonderausgaben hänge - soweit sie nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten seien - nicht davon ab, zu welchem Zweck das Darlehen verwendet werde. Das Darlehen könne auch zur Zahlung von Sonderausgaben oder zum Erwerb eines Gegenwertes aufgenommen werden. Die gezahlten Zinsen hätten das Einkommen des Klägers auch belastet. Der durch die Leistung der Einmalprämie erlangte Vorteil (Zinsgewinn, niedrigere Prämie usw.) stehe dem nicht entgegen. Kreditaufnahme und Abschluß des Versicherungsvertrags könnten nicht derart als einheitlicher Vorgang betrachtet werden, daß die Zinsen für den Kredit als Versicherungsbeiträge zu behandeln seien; denn der Kläger habe das Darlehen nicht vom Versicherer, sondern von einer Bank erhalten. Darlehnsaufnahme und Einzahlung des Betrags auf den Versicherungsvertrag seien zwei rechtlich und wirtschaftlich verschiedene Vorgänge. Es liege auch kein Mißbrauch von Zivilrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 6 Abs. 1 StAnpG vor, da der vom Kläger gewählte, möglicherweise nur wegen der Steuerersparnis sinnvolle Weg nicht dem Ziel und Zweck der Rechtsordnung widerspreche. Schließlich sei unerheblich, daß sich laufend gezahlte Versicherungsprämien, wenn sie vereinbart worden wären, wegen Überschreitung der Höchstgrenzen durch weitere Beiträge nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG nicht als Sonderausgaben hätten auswirken können, da die Zinsen für das Darlehen nicht mit laufend geleisteten Versicherungsprämien gleichgestellt werden könnten.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. In der Gewährung des Darlehens liege wirtschaftlich eine Stundung der geschuldeten Versicherungsbeiträge, auch wenn das Darlehen nicht vom Versicherer selbst gewährt worden sei. Wegen der engen Beziehung zwischen der Darlehnsaufnahme und der Prämienzahlung seien der Darlehnsvertrag und der Versicherungsvertrag wirtschaftlich als Einheit zu betrachten, so daß die Schuldzinsen als Versicherungsbeiträge zu behandeln seien.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Sprungklage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind Schuldzinsen, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben, als Sonderausgaben abzugsfähig, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind. Die im Streitfall vom Kläger geleisteten Schuldzinsen sind keine Betriebsausgaben oder Werbungskosten. Auch stehen sie nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben.

Für den Begriff der Schuldzinsen ist es - von den in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG aufgeführten Einschränkungen abgesehen - grundsätzlich unerheblich, welchem Zweck die Schuld dient, für die die Zinsen gezahlt werden. Der Abzug von Darlehnszinsen als Sonderausgaben ist daher auch dann möglich, wenn das Darlehen für die Zahlung einer Einmalprämie aufgrund eines Rentenversicherungsvertrags verwendet wird.

Das FG hat zutreffend ausgeführt, daß die Zinszahlungen an die Bank nicht als Versicherungsbeiträge angesehen werden können. Wie der erkennende Senat in dem Urteil vom 19. Dezember 1973 VI R 339/70 (BFHE 111, 305; BStBl II 1974, 237) entschieden hat, sind die für ein Policedarlehen der Versicherungsgesellschaft entrichteten Schuldzinsen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG abzugsfähig, wenn die Einmalprämie mit diesem Policedarlehen aufgebracht wird. Der Senat hat dabei dem engen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Versicherungsvertrag und dem Darlehnsvertrag kein entscheidendes Gewicht beigemessen, sondern entscheidend darauf abgestellt, daß die Darlehnszinsen die Versicherungsprämie nicht gemindert haben. Dies gilt um so mehr, wenn - wie im Streitfall - das Darlehen für die Entrichtung der Einmalprämie nicht von der Versicherungsgesellschaft, sondern von einer Bank gewährt wird.

Wenn auch im Streitfall ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen dem Darlehnsvertrag und dem Versicherungsvertrag besteht, so handelt es sich dennoch um zwei verschiedene Verträge, die voneinander getrennt abgeschlossen worden sind und auch getrennt durchgeführt werden; denn der Kläger leistete die Darlehnszinsen nicht an die Versicherungsgesellschaft, sondern an die Bank. Die Zinsen minderten auch nicht die vom Kläger an die Versicherung entrichtete Einmalprämie. Somit können sie auch nicht als Versicherungsprämien behandelt werden.

Wie im Urteil VI R 339/70 sieht der Senat auch im Streitfall im Verhalten des Klägers keine mißbräuchliche Steuerumgehung im Sinne des § 6 Abs. 1 StAnpG. Der Kläger hat nämlich mit der Aufnahme des Darlehens und dessen Verwendung zur Entrichtung der Einmalprämie weder einen zivilrechtlich ungewöhnlichen Weg gewählt, noch kann der von ihm für die Darlehnszinsen geltend gemachte Sonderausgabenabzug als vom Gesetz mißbilligt angesehen werden. Eine Steuerumgehung kann nicht allein schon darin gesehen werden, daß der vom Kläger eingeschlagene Weg möglicherweise nur unter Berücksichtigung des Abzugs der Schuldzinsen als Sonderausgaben wirtschaftlich sinnvoll sein könnte. Es muß den Steuerpflichtigen überlassen bleiben, ob sie einen Versicherungsschutz so hoch einschätzen, daß sie hierfür auch hohe Zinsbelastungen in Kauf nehmen.

Die Vorentscheidung ist sonach nicht zu beanstanden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70863

BStBl II 1974, 382

BFHE 1974, 511

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