Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Voraussetzungen einer Richterablehnung

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Partei kann einen Richter nicht mehr wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen, wenn sie an einem Erörterungstermin (§ 79 Satz 2 FGO) dieses Richters teilgenommen oder im weiteren Verlauf des Klageverfahrens Anträge gestellt hat, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen.

2. Ein gespanntes Verhältnis zwischen ihrem Bevollmächtigten und dem Richter begründet für die Partei nur dann die Richterablehnung, wenn sich die Spannungen im konkreten Klageverfahren zu ihren Ungunsten ausgewirkt haben könnte.

 

Normenkette

FGO § 51 Abs. 1 S. 1; ZPO § 43

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i. V. m. § 42 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Hierdurch sollen die Verfahrensbeteiligten vor Unsachlichkeiten geschützt werden. Entscheidendes Kriterium für die Richterablehnung ist, daß der Betreffende bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlaß hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (ständige Rechtsprechung, z. B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. März 1971 VI B 64/70, BFHE 102, 10, BStBl II 1971, 526; vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555; vom 28. September 1989 X B 19/89; BFH/NV 1990, 515, jeweils mit weiteren Nachweisen; vgl. ferner Gräber / Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 51 Tz. 42).

Es kann dahinstehen, ob das vom Kläger behauptete (und beanstandete) Verhalten des Richters am FG X im Erörterungstermin Anlaß zur Sorge der Voreingenommenheit und Befangenheit gab. Denn der Kläger hat insoweit sein Rügerecht verloren (§ 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i. V. m. § 43 ZPO). Eine Partei kann danach einen Richter nicht mehr wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.

Das Abhalten eines Erörterungstermins gemäß § 79 Satz 2 FGO ist eine Verhandlung i. S. des § 43 ZPO (BFH-Beschlüsse vom 15. April 1987 IX B 99/85, BFHE 149, 424, BStBl II 1987, 577, und in BFH/NV 1990, 515). Ablehnungsgründe, die während des Erörterungstermins entstehen, müssen bis zum Schluß dieser Verhandlung geltend gemacht werden. Darüber hinaus muß sich die Partei weigern, den Erörterungstermin weiter wahrzunehmen, wenn sie ihr Ablehnungsrecht nicht verlieren will (Beschluß in BFH/NV 1990, 515; Gräber / Koch, a. a. O., § 51 Tz. 32, jeweils mit weiteren Nachweisen). Der Kläger und sein Bevollmächtigter haben jedoch an den Erörterungsterminen vom 19. August und 22. November 1988 jeweils bis zum Ende teilgenommen.

Darüber hinaus hat der Kläger mit Schriftsatz vom 29. September 1989 - beim FG eingegangen am 11. Oktober 1989 - Anträge gestellt, ohne die Befangenheit zu rügen; auch dies führt zum Verlust eines etwaigen Rügerechts (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 12. Juli 1988 IX B 188/87, BFH/NV 1989, 237; Gräber / Koch, a. a. O., § 51 Tz. 32, jeweils mit weiteren Nachweisen). Das Ablehnungsgesuch wurde erst am 15. November 1989 bei Gericht angebracht.

Auch der Hinweis des Klägers auf das Verhalten des Richters am FG X in anderen Klageverfahren und das - nach seinem Vorbringen dadurch entstandene - Spannungsverhältnis mit dem Bevollmächtigten vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Das Ablehnungsrecht steht nur der Partei selbst (vgl. § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i. V. m. § 42 Abs. 3 ZPO), nicht aber ihrem Bevollmächtigten zu; dieser hat aus Gründen seiner Person kein Ablehnungsrecht. Ein gespanntes Verhältnis zwischen dem Bevollmächtigten und einem Richter kann nur ausnahmsweise die Ablehnung dieses Richters durch die Partei begründen, wenn dessen ablehnende Einstellung gegenüber dem Bevollmächtigten auch in bezug auf die Partei irgendwie in Erscheinung getreten ist (z. B. BFH-Beschlüsse vom 21. September 1977 I B 32/77, BFHE 123, 305, BStBl II 1978, 12 f., und vom 28. Januar 1986 VII B 118/85, BFH/NV 1986, 415, jeweils mit weiteren Nachweisen). Hieran fehlt es im Streitfall. Der Kläger hat - abgesehen von dem geltend gemachten, aber durch den Verlust des Rügerechts ohnehin nicht mehr zu prüfenden Ablehnungsgrund (Verhalten im Erörterungstermin) - keine weiteren konkreten Gesichtspunkte dafür vorgebracht, daß sich die von ihm behaupteten Spannungen im Klageverfahren zu seinen Ungunsten ausgewirkt haben könnten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417598

BFH/NV 1991, 696

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