Entscheidungsstichwort (Thema)

Kosten für -- nach Ablauf von drei Jahren seit Erwerb der eigengenutzten Wohnung begonnene -- Renovierungsmaßnahmen als anschaffungsnahe Herstellungsaufwendungen

 

Leitsatz (NV)

Renovierungskosten sind nicht als Vor kosten nach § 10e Abs. 6 EStG abziehbar, wenn es sich um anschaffungsnahe Herstellungsaufwendungen handelt. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, daß erhebliche, vor Bezug der Wohnung entstandene Instandsetzungs- und Modernisierungskosten in Ausnahmefällen auch dann anschaffungsnahe Herstellungsaufwendungen sein können, wenn mit den Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen erst nach Ablauf von drei Jahren begonnen wird.

 

Normenkette

EStG § 10e Abs. 6

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) sowie seine Ehefrau erwarben durch notariellen Vertrag vom 25. Oktober 1988 ein Grundstück mit einem im Jahr 1923 errichteten Wohnhaus. Der Kaufpreis betrug 1 050 000 DM. Hierin waren 50 000 DM für übernommenes Mobiliar enthalten. Besitz, Nutzungen und Lasten gingen im Januar 1989 über. Die Verkäuferin hatte das Gebäude bis zur Veräußerung bewohnt.

Der Antragsteller beabsichtigte, das Wohnhaus zu renovieren und einen Anbau zu errichten. Aufgrund der langwierigen Verhandlungen mit der Gemeinde und anderen Behörden über den Umfang der Baugenehmigung konnte der Antragsteller den Bauantrag erst im Mai 1990 stellen. Das Bauvorhaben wurde am 1. August 1991 genehmigt. Mit dem Anbau wurde im Februar 1992, mit der Renovierung des Wohnhauses im August 1992 begonnen. Im Laufe des Jahres 1993 bezogen der Antragsteller und seine Familie das Anwesen.

Die Kosten für Anbau und Renovierung betrugen rd. 1 200 000 DM. Davon entfiel ein Betrag von 310 552 DM auf die Renovierung des Altbaus. Das Dach des alten Wohnhauses wurde neu eingedeckt und wärme isoliert. Erneuert wurden die Verblechung im Dachbereich, die Gaube, die Giebelverbretterung, die seitliche Verbretterung, die Fenster sowie die Terrassentür, der Außenputz mit Fassadenanstrich, die Heizungen und Heizkörper, die Fliesen, eine Holzdecke, die Elektroinstallation, die Wasserleitung, ein Balkon, die alten Sickerschächte für Drainage und Regenwasser sowie die Bäder und Sanitäreinrichtungen. Holzträger wurden durch Eisenträger ersetzt; das Kellergewölbe wurde saniert und das Mauerwerk repariert.

In der Einkommensteuererklärung 1992 beantragte der Antragsteller, die Aufwendungen für die Renovierung des Wohnhauses als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) lehnte den Abzug mit der Begründung ab, es handle sich um -- nicht als Vorkosten abziehbaren -- anschaffungsnahen Herstellungsaufwand. Hiergegen erhob der Antragsteller Einspruch, über den noch nicht entschieden ist. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 1992 lehnte das FA ab.

Das Finanzgericht (FG) lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ebenfalls ab. Es führte aus:

Obwohl das Wohnhaus erst nach Ablauf von drei Jahren seit der Anschaffung des Grundstücks renoviert worden sei, hingen die Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen zeitlich eng mit dem Erwerb des Grundstücks zusammen, so daß anschaffungsnaher Herstellungsaufwand anzunehmen sei. Die Finanzverwaltung nehme zwar in der Regel anschaffungsnahen Herstellungsaufwand nur an, wenn die Renovierungsarbeiten innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren seit dem Erwerb durchgeführt worden seien. Diese Verwaltungsregelung binde jedoch die Steuergerichte nicht. Auch der Bundesfinanzhof (BFH) nehme in Ausnahmefällen anschaffungsnahen Aufwand an, wenn dieser erst nach Ablauf von drei Jahren seit dem Erwerb entstanden sei.

Im Streitfall spreche für einen engen zeitlichen Zusammenhang, daß der Antragsteller und seine Familie das Haus erst nach der Renovierung und Erweiterung bezogen hätten. Da sich an dem Zustand des Gebäudes vor Beginn der Bauarbeiten nichts geändert habe, müsse davon ausgegangen werden, daß die beseitigten Mängel bereits zum Erwerbszeitpunkt vorhanden gewesen seien. Die erst nach Ablauf von drei Jahren durchgeführte Renovierung des Altbaus hänge mit dem verzögerten Baugenehmigungsverfahren für den Neubau zusammen. Die Erwägung des BFH, eine aufwendige Instandsetzung und Modernisierung lege den Schluß nahe, der Kaufpreis sei im Hinblick auf diese Kosten gedrückt worden, gelte daher auch im Streitfall. Durch die Renovierungsmaßnahmen sei das Wohnhaus erheblich verbessert und der Nutzungswert erhöht worden. Mit rd. 310 000 DM seien diese Aufwendungen auch im Verhältnis zum Kaufpreis hoch gewesen.

Darüber hinaus sei Herstellungsaufwand auch deshalb gegeben, weil die Erhaltungsaufwendungen (Renovierung des Altbaus) und die Herstellungsaufwendungen (Anbau) räumlich, zeitlich und sachlich zusammenhingen, so daß nach der Rechtsprechung des BFH eine einheitliche Baumaßnahme anzunehmen sei.

Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde trägt der Antragsteller vor:

Bei Instandsetzungsarbeiten nach Ablauf von drei Jahren seit der Anschaffung sei in der Regel ein Zusammenhang mit der Anschaffung nicht mehr anzunehmen. Die Fälle, in denen der BFH eine Ausnahme gemacht habe, lägen anders als der Streitfall. Mit den Instandsetzungsarbeiten sei weder während des Dreijahreszeitraums begonnen worden (BFH-Urteil vom 30. Juli 1991 IX R 123/90, BFHE 165, 253, BStBl II 1992, 30) noch handle es sich um ein reparaturbedürftiges Mietshaus (BFH-Beschluß vom 23. Juni 1988 IX B 178/87, BFH/NV 1989, 165) noch um ein unter Denkmalschutz stehendes Gebäude (BFH- Urteil vom 15. Januar 1991 IX R 21/89, BFH/NV 1991, 533). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sei es ernstlich zweifelhaft, ob und gegebenenfalls wann anschaffungsnaher Herstellungsaufwand anzunehmen sei, wenn die Instandsetzungsarbeiten erst nach Ablauf von drei Jahren seit dem Erwerb des Gebäudes durchgeführt würden (BFH-Beschluß vom 21. Juni 1990 IV B 99/89, BFH/NV 1991, 154). Im übrigen sei im Aussetzungsverfahren nicht zu untersuchen, ob über die vom BFH entschiedenen Fälle hinaus weitere Ausnahmefälle zur Abweichung von der Dreijahresfrist berechtigten. Entscheidend sei allein, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestünden. Auch spiele entgegen der Auffassung des FG nach ständiger Rechtsprechung des BFH die Dreijahresfrist bei der Beurteilung des anschaffungsnahen Aufwands eine Rolle.

Dem Grunde nach handle es sich bei den streitigen Aufwendungen um Erhaltungsaufwand. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH lege die aufwendige Instandsetzung und Modernisierung innerhalb der Dreijahresfrist den Schluß nahe, daß deren Kosten die Höhe des Kaufpreises gemindert hätten und damit Herstellungsaufwand vorliege. Eine solche Beweiserleichterung greife jedoch nicht bei Aufwendungen außerhalb des Dreijahreszeitraums Platz. Dafür, daß es sich um Herstellungsaufwand handle, sei daher das FA beweispflichtig.

Anschaffungsnaher Herstellungsaufwand sei nur anzunehmen, wenn die Aufwendungen innerhalb der ersten drei Jahre 20 % der Anschaffungskosten überstiegen. Der Kaufpreisanteil für das Wohnhaus sei wegen der hervorragenden Ausstattung mit mindestens 600 000 DM anzusetzen. Ziehe man die Aufwendungen für versteckte Mängel ab, sei die 20 %-Grenze nicht überschritten.

Entgegen der Auffassung des FG liege auch keine einheitliche Baumaßnahme vor. Es handle sich bei dem Altbau und dem Neubau um zwei verschiedene Häuser mit zwei getrennten Eingängen und getrennten Treppenhäusern.

Der Antragsteller beantragt, die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 1992 in Höhe von ... DM, des Bescheids über Solidaritätszuschlag 1992 in Höhe von ... DM und des Bescheids über Zinsen zur Einkommensteuer 1992 in Höhe von ... DM auszusetzen.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheids 1992, die nach § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eine Aussetzung der Vollziehung rechtfertigen könnten, sind bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht erkennbar.

Aufwendungen, die vor der erstmaligen Nutzung einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken entstehen, sind nur dann als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG abziehbar, wenn sie nicht zu den Herstellungs- oder Anschaffungskosten der Wohnung oder zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens gehören. Als Herstellungskosten zu beurteilende anschaffungsnahe Aufwendungen dürfen daher nicht nach § 10e Abs. 6 EStG abgezogen werden, sondern sind nur im Rahmen des § 10e Abs. 1 oder gegebenenfalls Abs. 2 EStG begünstigt (BFH-Urteil vom 23. September 1992 X R 10/92, BFHE 169, 331, BStBl II 1993, 338).

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH bilden erhebliche Instandsetzungs- und Modernisierungskosten Herstellungsaufwand, wenn sie in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem entgeltlichen Erwerb eines bebauten Grundstücks erbracht werden und dadurch das Wesen des Gebäudes verändert, der Nutzungswert erheblich erhöht oder dessen Nutzungsdauer wesentlich verlängert wird (z. B. BFH-Urteil vom 29. Oktober 1991 IX R 117/90, BFHE 166, 203, BStBl II 1992, 285 m. w. N.). Werden die Instandsetzungsmaßnahmen in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Anschaffung vorgenommen und sind die Aufwendungen im Verhältnis zum Kaufpreis hoch, ist im allgemeinen der Schluß gerechtfertigt, daß Herstellungsaufwand vorliegt (z. B. BFHE 165, 253, BStBl II 1992, 30).

Nach R 157 Abs. 5 Satz 5 der Einkommensteuerrichtlinien (EStR) 1993 (Abschn. 157 Abs. 5 Satz 7 EStR 1990) ist für die ersten drei Jahre nach Anschaffung des Gebäudes in der Regel nur zu prüfen, ob anschaffungsnaher Herstellungsaufwand vorliegt, wenn die Aufwendungen für Instandsetzung in diesem Zeitraum insgesamt 20 % der Anschaffungskosten übersteigen. Bei Instandsetzungsarbeiten, die erst nach Ablauf von drei Jahren seit der Anschaffung durchgeführt werden, ist im allgemeinen ein Zusammenhang mit der Anschaffung des Gebäudes nicht mehr anzunehmen (R 157 Abs. 5 Satz 8 EStR 1993 = Abschn. 157 Abs. 5 Satz 9 EStR 1990). An diese Richtlinienregelung sind die FG nicht gebunden (BFHE 165, 253, BStBl II 1992, 30; BFHE 169, 331, BStBl II 1993, 338). Die Dreijahresgrenze und die sog. Aufgriffsgrenze von 20 % bilden lediglich gewisse Anhaltspunkte für die Beurteilung. Im übrigen gelten diese Grenzen selbst nach den Richtlinien nur "in der Regel" bzw. "im allgemeinen". Auch die Finanzverwaltung hat daher zu prüfen, ob aufgrund anderer Umstände im Einzelfall anzunehmen ist, daß die Kosten der Instandsetzung die Höhe des Kaufpreises gemindert haben.

Im Regelfall wird der Käufer, der ein altes Gebäude für eigene Wohnzwecke erwirbt, dieses im Anschluß an den Kauf renovieren und anschließend einziehen. Instandsetzungsmaßnahmen, die erst nach Ablauf von drei Jahren vorgenommen werden, können in diesen Fällen auch auf einen erst nach dem Erwerb eingetretenen Verschleiß zurückzuführen sein. Im Streitfall ist mit den von Anfang an beabsichtigten Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen erst nach Ablauf von drei Jahren begonnen worden, weil sich das Baugenehmigungsverfahren für den Neubau solange hingezogen hat. Trotz des Zeitablaufs ist daher im Streitfall offensichtlich, daß ein Zusammenhang der Instandsetzung und Modernisierung mit der Anschaffung gegeben ist. Das Gebäude wurde 1923 gebaut. Auch wenn es bis zum Verkauf von der Verkäuferin bewohnt wurde und diese das Gebäude -- wie der Antragsteller vorträgt -- im Jahr 1986 innen und außen hat streichen und vier bis fünf Jahre vor dem Verkauf das Dach neu hat decken lassen, entspricht ein solches Gebäude nicht mehr neuzeitlichem Standard. Die aufwendige Instandsetzung und Modernisierung für rd. 310 000 DM im Anschluß an den Erwerb des Gebäudes legen den Schluß nahe, daß deren Kosten die Höhe des Kaufpreises gemindert haben. Da das Gebäude bis zur Renovierung nicht benutzt wurde und der Beginn der Bauarbeiten nur infolge des langwierigen Baugenehmigungsverfahrens hinausgezögert wurde, ist die Dreijahresgrenze im Streitfall als Beurteilungskriterium ungeeignet (vgl. auch BFH-Urteil vom 30. Juli 1991 IX R 59/90, BFH/NV 1992, 32).

Die Baumaßnahmen waren insgesamt darauf gerichtet, das erworbene Gebäude durchgehend zu renovieren und zu modernisieren, wobei Art und Höhe der Aufwendungen weit über die normalen, jährlich wiederkehrenden Instandsetzungsmaßnahmen hinausgingen. Sie erhöhten den Nutzungswert des Gebäudes (vgl. auch BFH- Urteile vom 30. Juli 1991 IX R 59/89, BFHE 166, 42, BStBl II 1992, 940 und in BFH/NV 1992, 32).

Soweit der Antragsteller geltend macht, es seien auch versteckte Mängel beseitigt worden, hat er weder die versteckten Mängel noch die Maßnahmen und die Kosten für deren Beseitigung genannt. Er hat lediglich vorgetragen, beim Kauf sei nur erkennbar gewesen, daß einige Fenster und eventuell auch die Terrassentüre hätten erneuert werden müssen. Die übrigen Mängel seien erst nach und nach während der Renovierungsarbeiten offenbar geworden. Der Boden des Kellers habe sich erst bei einem Sturm als wasserdurchlässig erwiesen.

Zu Recht hat das FG aufgrund der umfassenden Renovierung des Altbaus vor Bezug anschaffungsnahen Herstellungsaufwand angenommen und eine Aussetzung der Vollziehung abgelehnt. Auf die Frage, ob die Renovierungsmaßnahmen auch deshalb den Herstellungskosten zuzuordnen sind, weil die Errichtung des Neubaus und die Renovierung des Altbaus als einheitliche Baumaßnahme zu beurteilen sind, kommt es daher nicht mehr an.

 

Fundstellen

BFH/NV 1996, 120

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge