Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Bewertung von Warenvorräten bei möglichem Skontoabzug

 

Leitsatz (NV)

Der I. Senat legt dem Großen Senat des Bundesfinanzhofs gemäß § 11 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vor:

Sind Warenvorräte um Skontobeträge zu kürzen, die auf zum Bilanzstichtag noch nicht bezahlte Lieferantenrechnungen entfallen?

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist der Rechtsnachfolger einer auf ihn umgewandelten GmbH.

Die GmbH nahm von Lieferanten eingeräumte Skonti regelmäßig in Anspruch und bewertete die an Bilanzstichtagen vorhandenen Vorräte mit den in Rechnung gestellten Beträgen abzüglich der eingeräumten Skonti, auch wenn die den einzelnen Lieferungen zugrunde liegenden Rechnungen noch nicht bezahlt waren.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte im Anschluß an eine Betriebsprüfung dieser Bewertung nicht und kürzte den für den Veranlagungszeitraum 1976 erklärten Verlust unter Berücksichtigung einer darauf entfallenden Gewerbesteuerrückstellung um 11 746 DM. Wegen des von der GmbH in Anspruch genommenen Verlustrücktrags erhöhte sich dadurch das im geänderten Körperschaftsteuerbescheid 1975 vom 10. August 1981 zugrunde gelegte Einkommen entsprechend.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab.

Mit der Revision rügt der Kläger einen Verfahrensfehler (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) und die Verletzung materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Der vorlegende Senat hält die Revision des Klägers für begründet. Er beabsichtigt, das Urteil des FG aufzuheben, auf die Klage den Körperschaftsteuerbescheid 1975 zu ändern und die Körperschaftsteuer auf 34 579 DM festzusetzen. Er sieht sich jedoch an einer Entscheidung in diesem Sinne gehindert, weil er damit von dem Urteil des IV. Senats vom 3. Dezember 1979 IV R 216/67 (BFHE 101, 370, BStBl II 1971, 323) abweichen würde.

Der I. Senat stützt seine Rechtsauffassung auf folgende Erwägungen:

1. Der gerügte Verfahrensmangel greift nicht durch.

2. Die Vorräte sind gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Umlaufvermögen mit den Anschaffungskosten anzusetzen. Ist der Teilwert niedriger, müssen sie mit dem Teilwert angesetzt werden. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG sieht zwar vor, daß der niedrigere Teilwert angesetzt werden kann. Der Kläger hat jedoch gemäß § 5 Abs. 1 EStG für den Schluß des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Dabei muß er die Vorräte mit dem niedrigeren Teilwert ansetzen (vgl. § 155 Abs. 2 des Aktiengesetzes - AktG - 1965 und Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. Oktober 1976 I R 79/74, BFHE 122, 37, BStBl II 1977, 540). Der Wert, der sich aus dem Börsen- oder Marktpreis am Abschlußstichtag ergibt, bzw. der Börsen- und Marktpreis, der den Vorräten am Abschlußstichtag beizulegen ist, entspricht dem Teilwert.

3. Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, daß sich die Anschaffungskosten nach den Bezugspreisen der Vorräte unter Abzug der möglichen Skontobeträge bemessen (Dahl, Die Aktivierung der Sachanlagegüter in Handels- und Steuerbilanz, S. 58; Escher, Der Umfang der Aktivierungspflicht bei den Ausgaben für das Sachanlagevermögen in Handels- und Steuerbilanz, S. 45; Fülling, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Vorräte, S. 88 ff.; Hüttemann, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Verbindlichkeiten, 2. Aufl., S. 103; Mörs, Skonto, Rabatt und Bonus in Steuer- und Zollrecht - Diss. Köln 1961 -, S. 25; Nicklisch, Die Betriebswirtschaft, 1932, S. 190 f.; Schäfer, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Forderungen, S. 51 ff.; Sundhoff, Die Handelsspanne 1953, S. 180; Pleiß, Zeitschrift für Betriebswirtschaft - ZfB - 1957, 330; Ziegler, ZfB 1955, 302, 305; anderer Ansicht Beck`scher Bilanz-Kommentar, § 255 HGB Rz. 64; Hartz, Der Betrieb 1956, 361, 362; Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, § 255 HGB Rdnr. 39, und Kolbe, Die Wirtschaftsprüfung 1954, 128 ff.). Diese Auffassung geht davon aus, daß in Höhe des möglichen Skontoabzugs ein Zinsaufwand beim Abnehmer gegeben sei, der storniert werde, soweit von der Möglichkeit des Skontoabzugs tatsächlich Gebrauch gemacht werde. Sie hat zur Folge, daß auch die Anschaffungskosten der am Bilanzstichtag vorhandenen noch nicht bezahlten Vorräte um die möglichen Skontobeträge ermäßigt werden.

4. Der Senat kann offenlassen, ob er dieser Ansicht folgt. Selbst wenn man die Möglichkeit eines Skontoabzugs bei der Bemessung der Anschaffungskosten nicht berücksichtigt, ist die Klage begründet, weil der Teilwert der Vorräte in Höhe der möglichen Skontoabzüge unter den Anschaffungskosten lag.

Der Teilwert der Vorräte liegt unter den Anschaffungskosten, wenn bei Bezahlung der Lieferantenschuld Skonto abgezogen werden darf. Der Teilwert entspricht den Wiederbeschaffungskosten (Schmidt / Glanegger, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., § 6 Anm. 53). Der gedachte Erwerber des Betriebes (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG) setzt den Kaufpreis an, der ihm die übliche Gewinnspanne gewährleistet. Diese umfaßt auch den Skonto, um den sich der Ansatz der Vorräte mindert. Für den gedachten Erwerber des Betriebes ist es daher gleichgültig, ob der Veräußerer die Möglichkeit des Skontoabzugs tatsächlich in Anspruch genommen hat.

5. Dem steht nicht entgegen, daß sich der Ertrag aus der Inanspruchnahme des Skontoabzugs bei Warenvorräten, die am Bilanzstichtag noch nicht bezahlt sind, erst in dem Wirtschaftsjahr auswirkt, in dem die Lieferantenschulden tatsächlich bezahlt werden.

Der höhere Rohertrag aus dem Verkauf der Vorräte entsteht dadurch, daß diese mit den um den möglichen Skontoabzug geminderten Bezugspreisen den Erlösen gegenübergestellt werden. Die Vorräte sind mit dem Teilwert anzusetzen, der dem Bezugspreis unter Abzug der möglichen Skonti entspricht. In Höhe der Skontobeträge erhöht sich damit der Rohertrag aus dem Warenverkauf in dem Wirtschaftsjahr, in dem die Vorräte veräußert werden. Dabei kommt es für den entstehenden Rohertrag nicht darauf an, ob Skonto abgezogen wird und, falls dies geschieht, wann die Lieferantenrechnungen beglichen werden.

6. Es trifft auf der Grundlage der vom Senat vertretenen Auffassung nicht zu, daß sich bei Waren, die am Bilanzstichtag noch nicht bezahlt, aber schon verkauft waren, durch den nachträglichen Skontoabzug und die dadurch bewirkte Minderung des Einstandspreises der Rohgewinn erhöhe (so Urteil in BFHE 101, 370, BStBl II 1971, 323). Der Rohgewinn erhöht sich nämlich schon dadurch, daß den Erlösen die um die Skontobeträge nach Teilwertgrundsätzen geminderten Warenbezugskosten gegenüberstehen. Es ist somit am Bilanzstichtag nur offen, ob und in welcher Höhe ein außerordentlicher Ertrag durch den Skontoabzug entsteht. Erhöht sich in dem geschilderten Fall beim nachträglichen Skontoabzug der Rohertrag nicht, kann demnach nicht angenommen werden, daß die Ware zunächst mit dem Bruttopreis als Einstandspreis angesetzt werden müsse, um die nachträgliche Erhöhung des Rohgewinns zu erreichen. Das macht folgendes Beispiel deutlich:

Wird eine Ware im Wirtschaftsjahr 01 für 100 angeschafft und für 110 verkauft und wird die Lieferantenrechnung im Jahre 02 unter Inanspruchnahme eines Skontos von 3 v. H. bezahlt, ergibt sich auf der Grundlage der vom Senat vertretenen Auffassung im Wirtschaftsjahr 01 ein Rohgewinn von 13 und ein Aufwand von 3. Der Rohgewinn ergibt sich daraus, daß von dem Verkaufserlös von 110 der durch die Skontiermöglichkeit verminderte Wareneinsatz in Höhe von 97 (100 ./. 3) abgezogen wird. Der Aufwand von 3 ist darauf zurückzuführen, daß der Ansatz der Lieferantenverbindlichkeit (= 100) den auf den Teilwert geminderten Wareneinsatz (= 97) übersteigt. Im Jahre 02 entsteht durch den Skontoabzug ein außerordentlicher Ertrag von 3. Aus dem Beispiel ergibt sich, daß die Waren nicht mit dem Bruttopreis als Einstandspreis (= 100) angesetzt werden müssen, damit sich nachträglich der Rohgewinn erhöht.

7. Gegen die vom Senat vertretene Ansicht kann nicht angeführt werden, daß ein gedachter Erwerber im Falle der Bewertung der Waren zum Nettopreis und der Bewertung der Schulden mit dem Bruttobetrag den den Skontobeträgen entsprechenden Teil der übernommenen Schuld auf andere Wirtschaftsgüter verteilen müsse. Dabei würde übersehen, daß der gedachte Erwerber des Betriebes auch die Schulden mit dem Nettowert (= Teilwert) bewertet, d. h. den möglichen Skontoabzug berücksichtigt, so daß sich aus seiner Sicht eine Übereinstimmung der Ansätze für die Vorräte und der ihnen entsprechenden Verbindlichkeiten ergibt. Eine derartige Übereinstimmung besteht bei der Ermittlung der Werte nach § 6 EStG nicht. Bei Verbindlichkeiten wirkt sich die in § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG vorgesehene sinngemäße Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG dahin aus, daß nur dann ein vom Nennwert der Verbindlichkeit abweichender Wert in Betracht kommt, wenn der Teilwert der Verbindlichkeit höher ist als deren Nennwert (vgl. BFH-Urteil vom 31. Januar 1980 IV R 126/76, BFHE 130, 372, BStBl II 1980, 491).

 

Fundstellen

BFH/NV 1989, 632

BFHE 1990, 87

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