Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe des Streitwerts bei Streitigkeiten um die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsanordnung

 

Leitsatz (NV)

Bei Streitigkeiten um die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsanordnung ist der Streitwert regelmäßig mit 50 v. H. der mutmaßlich zu erwartenden Mehrsteuern anzusetzen.

Ist die Außenprüfung bis zur Entscheidung über den Rechtsstreit durchgeführt worden, ergeben sich die mutmaßlich zu erwartenden Mehrsteuern aus den aufgrund der Außenprüfung geänderten Steuerfestsetzungen.

Wird aufgrund der Prüfungsanordnung keine Außenprüfung, sondern statt dessen eine Fahndungsprüfung durchgeführt, sind die Mehrsteuern aus den aufgrund der Fahndungsprüfung geänderten Steuerfestsetzungen maßgebend, wenn die Kostenschuldner mit der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung ein Verwertungsverbot der Ergebnisse der Fahndungsprüfung erstrebten.

 

Normenkette

GKG §§ 11, 13

 

Tatbestand

Die Kostenschuldner und Erinnerungsführer (Kostenschuldner) wohnten im Bezirk des Finanzamts (FA) O (Bayern) und vermieteten dort in den Streitjahren Wohnungen. Nach den Steuererklärungen der Kostenschuldner handelte es sich um gewerbliche Zwischenvermietung. Im Bezirk des FA L (Hessen) betrieb der Kostenschuldner eine Bäckerei.

Am 6. Dezember 1985 begann das FA L mit einer Außenprüfung bei dem Betrieb des Kostenschuldners. Im Zusammenhang mit der Prüfung der Betriebssteuern sollte auch das gewerbliche Zwischenmietverhältnis der Kostenschuldner geprüft werden. Das FA O ordnete daher eine Außenprüfung für die Einkommensteuer 1982 bis 1984, Vermögensteuer 1. Januar 1982 bis 1. Januar 1985, Umsatzsteuer (Vermietung) 1982 bis 1984 sowie Lohnsteuer 1982 bis 1984 an und beauftragte das FA L mit der Prüfung.

In der Prüfungsanordnung vom 8. April 1986 wurden die Kostenschuldner aufgefordert, ,,sämtliche Unterlagen" dem FA L ,,zu überstellen".

Da der Bevollmächtigte der Kostenschuldner die Vorlage verweigerte, leitete die Steuerfahndungsstelle des FA D ein Strafverfahren ein und stellte die betreffenden Unterlagen aufgrund richterlichen Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts D sicher.

Die Ermittlungen im Rahmen der Fahndungsprüfung führte im Auftrag und unter Verantwortung der Steuerfahndungsstelle des FA D die Betriebsprüfungsstelle des FA L durch.

Mit Schreiben vom 2. November 1986 legten die Kostenschuldner erfolglos Beschwerde gegen die Prüfungsanordnung vom 8. April 1986 ein. Die dagegen erhobene Klage, mit der sie beantragten, die Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung festzustellen, wies das Finanzgericht (FG) als unzulässig ab. Es führte aus, der Klage fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Die angeordnete Außenprüfung sei zwar noch nicht durchgeführt worden. Sie habe sich jedoch durch die anschließende Steuerfahndungsprüfung erledigt. Ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit bestehe nicht, weil mangels Durchführung der Außenprüfung keine Prüfungsergebnisse vorhanden seien, deren Verwertung verboten werden könne. Soweit die Kostenschuldner im anhängigen Verfahren ein Verwertungsverbot der Prüfungsfeststellungen der Steuerfahndung im Rahmen des Steuerstrafverfahrens begehrten, sei die Klage unzulässig, weil der Rechtsweg zu den FG nicht gegeben sei.

Der Bundesfinanzhof (BFH) verwarf die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig.

Die Kostenstelle des BFH setzte für das Beschwerdeverfahren Gerichtskosten in Höhe von 495 DM fest. Auf Anfrage hatte das FA O mitgeteilt, ,,das Mehrergebnis für die in der Prüfungsanordnung angegebenen Steuern" betrage 77 078 DM. Die Kostenstelle legte der Berechnung der Gerichtskosten einen Streitwert von 50 v. H. dieser Mehrsteuern (= 38 539 DM) zugrunde.Mit der Erinnerung wenden sich die Kostenschuldner gegen die Höhe des angenommenen Streitwerts. Sie tragen im wesentlichen vor, sie hätten mit der Klage vor dem FG und der anschließenden Nichtzulassungsbeschwerde die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung begehrt, um Schadensersatzansprüche gegen das FA geltend machen zu können. Denn wenn das FG die Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung festgestellt hätte, wäre das FA schadensersatzpflichtig hinsichtlich der Papier- und Portokosten gewesen, die durch den im Zusammenhang mit der Prüfungsanordnung erforderlichen Schriftwechsel entstanden seien. Diese Kosten beliefen sich aber auf nicht mehr als 100 DM. Im übrigen seien aufgrund der Prüfungsanordnung vom 8. April 1986 keine Mehrsteuern festgestellt worden. Die im Prüfungsbericht getroffenen Feststellungen beruhten nicht auf der Steuerfahndungsprüfung, sondern auf den Feststellungen einer Außenprüfung, die vom 6. Dezember 1985 bis zum 13. Oktober 1986 aufgrund der Prüfungsanordnungen des FA L vom 22. Juli 1985 und vom 27. November 1985 durchgeführt worden sei. Der Prüfungsbericht sei von der Betriebsprüfungsstelle des FA L und nicht von der Steuerfahndung erstellt worden. Durch die Steuerfahndung hätten lediglich Unterlagen beschlagnahmt werden sollen, weil sie - die Kostenschuldner - mitgeteilt hätten, diese Unterlagen seien nicht vorhanden und hätten auch nicht aufbewahrt werden müssen. In den geänderten Steuerbescheiden seien also die Feststellungen aufgrund der durch die Prüfungsanordnungen vom 22. Juli 1985 und vom 27. November 1985 durchgeführten Außenprüfungen enthalten.

Die Kostenschuldner beantragen sinngemäß, die Gerichtskosten auf der Grundlage eines Streitwerts von höchstens 100 DM festzusetzen.

Auf Anfrage teilte das FA O mit, das angegebene Mehrergebnis beruhe auf der Steuerfahndungsprüfung. Da diese die Jahre 1973 bis 1984 umfaßt habe, die Prüfungsanordnung vom 8. April 1986 sich jedoch nur auf die Jahre 1982 bis 1984 bezogen habe, sei nur das Mehrergebnis für die Einkommensteuer 1982 bis 1984 und die das Zwischenmietverhältnis betreffende Umsatzsteuer 1982 bis 1984 mitgeteilt worden. Dieses Mehrergebnis beruhe nicht auf der Prüfungsanordnung vom 22. Juli 1985.

 

Entscheidungsgründe

Die Erinnerung ist unbegründet.

Die Gerichtskosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben (§ 11 Abs. 1 GKG). Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstandes - Streitwert - (§ 11 Abs. 2 GKG). Nach § 13 GKG ist der Streitwert grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist bei Streitigkeiten um die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsanordnung der Streitwert regelmäßig mit 50 v. H. der mutmaßlich zu erwartenden Mehrsteuern anzusetzen (z. B. Beschlüsse vom 17. September 1974 VII B 122/73, BFHE 113, 411, BStBl II 1975, 197, und vom 4. Oktober 1984 VIII R 111/84, BFHE 142, 542, BStBl II 1985, 257). Ist die Außenprüfung bis zur Entscheidung des Rechtsstreits durchgeführt worden, ergeben sich die mutmaßlich zu erwartenden Mehrsteuern aus den aufgrund der Außenprüfung geänderten Steuerfestsetzungen.

Im Streitfall ist zwar aufgrund der angefochtenen Prüfungsanordnung vom 8. April 1986 keine Außenprüfung durchgeführt worden, so daß sich hieraus keine Mehrsteuern ergeben können. Jedoch wollten die Kostenschuldner mit der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung erreichen, daß die Ergebnisse der Steuerfahndungsprüfung, die - wegen der Weigerung, die angeforderten Unterlagen herauszugeben - anstelle der Außenprüfung durchgeführt wurde, nicht verwertet werden dürfen. Sie wollten damit also eine Festsetzung der sich aus der Fahndungsprüfung ergebenden Mehrsteuern verhindern. Der Streitwert ist daher nach den gleichen Grundsätzen zu bemessen wie in Fällen, in denen aufgrund der angefochtenen Prüfungsanordnung eine Außenprüfung durchgeführt worden ist. Zu Recht hat daher die Kostenstelle des BFH der Berechnung der Gerichtskosten einen Streitwert von 38 539 DM zugrunde gelegt.

Unzutreffend ist der Vortrag der Kostenschuldner, der Rechtsstreit sei nur geführt worden, um Schadensersatzansprüche gegen das FA wegen der entstandenen Papier- und Portokosten geltend machen zu können. Die Kostenschuldner haben mehrfach in Schriftsätzen an das FG erklärt, daß sie mit der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung ein Verwertungsverbot hinsichtlich der Feststellungen der Steuerfahndung erstrebten.

Unrichtig ist auch die Behauptung der Kostenschuldner, die vom FA mitgeteilten Mehrsteuern beruhten auf den Ergebnissen einer Außenprüfung, der Prüfungsanordnungen vom 22. Juli 1985 und vom 27. November 1985 zugrunde gelegen hätten. Die von den Kostenschuldnern angeführte Außenprüfung des FA L betraf nur die Betriebssteuern des Betriebs. Nur hierführ war das FA L örtlich zuständig. Die Feststellungen hinsichtlich der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer (Zwischenvermietung) traf die Betriebsprüfungsstelle des FA L im Auftrag und unter Verantwortung der Steuerfahndungsstelle des FA D, also aufgrund eines Steuerfahndungsverfahrens und nicht aufgrund einer Außenprüfungsanordnung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416608

BFH/NV 1990, 387

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