Entscheidungsstichwort (Thema)

Untersuchungsgrundsatz gilt auch im Prozeßkostenhilfeverfahren

 

Leitsatz (NV)

Ergibt sich aus den Umständen, daß der Antragsteller im Prozeßkostenhilfeverfahren nicht in der Lage ist, die Erfolgsaussichten seiner beabsichtigten Rechtsverfolgung (Klage) hinreichend darzulegen, so erstreckt sich die Ermittlungspflicht des Finanzgerichts auch auf die sachlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe.

 

Normenkette

FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 142 Abs. 1; ZPO §§ 114, 118

 

Verfahrensgang

FG München

 

Gründe

Die vom Antragsteller gegen die Steuerfestsetzung vorgetragenen Einwände waren zwar nicht näher detailliert und belegt. Dem Antragsteller durfte deshalb jedoch nicht entgegengehalten werden, er habe es unterlassen, die Erfolgsaussichten seiner Klage hinreichend darzulegen. Zwar gilt auch im Prozeßkostenhilfeverfahren die Mitwirkungspflicht der Beteiligten, sie ist aber nicht umfassender als etwa im Klageverfahren, ist also, wie dort, von der Mitwirkungsfähigkeit des Antragstellers abhängig. Im übrigen gilt auch im Prozeßkostenhilfeverfahren der Untersuchungsgrundsatz (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Prozeßkostenhilfeverfahren, die gemäß § 142 Abs. 1 FGO für das finanzgerichtliche Verfahren sinngemäß anzuwenden sind, ergeben nichts anderes. Vielmehr erlegt § 118 Abs. 2 Satz 2 ZPO dem Gericht auch im Prozeßkostenhilfeverfahren für einen Zivilprozeß im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens eine Ermittlungspflicht auf, die sich nicht nur auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers, sondern auch auf die sachlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe erstreckt. Eine andere Beurteilung würde dem Zweck des Prozeßkostenhilfeverfahrens zuwiderlaufen, der dahin geht, dem unbemittelten Bürger eine sachgerechte Rechtsverfolgung insbesondere dann zu ermöglichen, wenn nach der Sach- und Rechtslage oder nach den persönlichen Verhältnissen des Antragstellers eine Unterstützung durch einen sachverständigen Prozeßbevollmächtigten erforderlich erscheint. Dem vom Finanzgericht zitierten Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 22. November 1977 VII S 5-6, 9/77 (BFHE 123, 436, BStBl II 1978, 72) ist - soweit er auf die Darlegung der Erfolgsaussichten überhaupt abgehoben hat - nichts anderes zu entnehmen, denn auch dort wird auf die Zumutbarkeit abgestellt.

Demnach durften im vorliegenden Verfahren die vorhandenen Unterlagen nicht außer Betracht gelassen werden, zum anderen war zu berücksichtigen, daß dem Antragsteller nach seinen persönlichen Fähigkeiten und nach den Umständen des Falles eine so substantiierte Darlegung der Erfolgsaussichten, wie sie das FG verlangt, nicht zumutbar war. Der Antragsteller war kurz nach Abschluß der Steuerfahndungsprüfung schwer erkrankt und ist in der Folgezeit immer wieder erkrankt, so daß es ihm schon aus gesundheitlichen Gründen weitgehend nicht möglich war, seine Rechte zu wahren. Hinzu kommt, daß der Antragsteller offenbar nach seinen persönlichen Fähigkeiten hierzu auch nicht in der Lage war. Darüber hinaus waren der Antragsteller und sein erst im Beschwerdeverfahren hinzugezogener Prozeßbevollmächtigter an einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gehindert, weil die von der Steuerfahndung beschlagnahmten Originalbelege nicht zur Verfügung standen. Eine entsprechende Behauptung des Antragstellers im Beschwerdeverfahren ist unwidersprochen geblieben. Das Finanzamt hat sich auch stets nur darauf berufen, daß dem Antragsteller die Einzelaufstellungen über die von der Steuerfahndung ermittelten Umsätze übergeben worden seien. Anhand dieser Liste, wie auch anhand des bei den Gerichtsakten befindlichen Hefters erscheint aber eine Überprüfung der von der Steuerfahndung ermittelten Umsatzzahlen und Vorsteuerbeträge nicht möglich. Hierzu wird es erforderlich sein, den Fahndungsprüfer unter Beiziehung seiner Arbeitsunterlagen einzuvernehmen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1985, 47

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