Entscheidungsstichwort (Thema)

NZB: Rüge von Verfahrensfehlern

 

Leitsatz (NV)

1. Die Rüge fehlender Sachaufklärung kann schlüssig nur erhoben werden, wenn Tatsachen bezeichnet werden, die vom FG noch hätten festgestellt werden müssen.

2. Zur schlüssigen Darlegung einer zu Unrecht verweigerten Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gehört es, daß der Beschwerdeführer sich mit einer vorhandenen Begründung des FG für die Ablehnung des Antrags auseinandersetzt und schlüssig darlegt, weshalb sich die Ausübung des Ermessens als fehlerhaft darstellt. Darüber hinaus ist es erforderlich, schlüssig darzulegen, daß im konkreten Streitfall das dem Gericht zustehende Ermessen zwingend auf die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung reduziert war.

3. Der Hinweis des Beschwerdeführers, das FG habe es unterlassen, einen förmlichen Beschluß über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zu fassen, stellt keine schlüssige Rüge eines Verfahrensmangels dar. Nach § 93 Abs. 3 Satz 2 FGO kann das Gericht auch nach Schluß der mündlichen Verhandlung über deren Wiedereröffnung beschließen. Es reicht aus, wenn das FG seine Entscheidung, die mündliche Verhandlung nicht wiederzueröffnen, im Urteil selbst begründet. Eines gesonderten Beschlusses bedarf es in diesen Fällen nicht.

 

Normenkette

FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 93 Abs. 3 S. 2, § 115 Abs. 3 S. 3

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den Anforderungen an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

1. Die Begründung einer auf Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren gestützten Nichtzulassungsbeschwerde muß die Verfahrenstatsachen so vollständig angeben, daß es dem Beschwerdegericht möglich ist, allein anhand der Beschwerdeschrift zu prüfen, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die Behauptungen zutreffen (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 1. März 1993 V B 136/91, BFH/NV 1995, 601). Die Beschwerdebegründung der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) enthält keine schlüssige Darlegung eines Verfahrensmangels.

a) Soweit die Kläger die Rüge mangelnder Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) mit dem Hinweis erheben, das Finanzgericht (FGO) habe es trotz eines entsprechenden Beweisantrages unterlassen, die Kläger zu 1., zu 5. und zu 6. als Partei zu vernehmen, fehlt es bereits an der Darlegung, weshalb das Urteil auf einem solchen Verfahrensfehler beruhen kann und was das Ergebnis der Beweisaufnahme gewesen wäre. Die Kläger tragen nämlich insoweit lediglich vor, die Vernehmung der drei Kläger sei zum Nachweis einer zwischen den Klägern bestehenden Familien-Personengesellschaft bürgerlichen Rechts erforderlich gewesen. Die einzuvernehmenden Kläger hätten "als Repräsentanten ihrer Familienstämme das Bestehen des unter Beweis gestellten Gemeinschaftsverhältnisses zusätzlich bestätigen können".

Nach diesem Vorbringen der Kläger hätte die weitere Beweisaufnahme nicht zur Feststellung neuer Tatsachen, sondern allenfalls zu einer geänderten Rechtsauffassung des Gerichts führen können. Die Rüge fehlender Sachaufklärung kann aber schlüssig nur erhoben werden, wenn Tatsachen bezeichnet werden, die vom FG noch hätten festgestellt werden müssen. Die Kläger wenden sich mit ihrer Rüge der mangelnden Sachaufklärung durch das FG in Wirklichkeit gegen die vom FG vorgenommene Tatsachenwürdigung. Wäre dem FG hierbei ein Fehler unterlaufen, wäre dies ein Fehler in der Rechtsanwendung, der nicht zur Zulassung der Revision führen kann.

b) Soweit die Kläger ferner geltend machen, das Gericht habe den Sachverhalt ungenügend aufgeklärt, weil es nicht von Amts wegen die Betriebsprüfungsakten des Finanzamts beigezogen habe, fehlt es ebenfalls an der Darlegung, welche konkreten, in das Urteil bislang nicht eingegangene Tatsachen durch die Beiziehung dieser Akten hätten noch festgestellt werden können und inwieweit das Urteil auf der Nichtbeiziehung dieser Akten beruhen kann. Allein der Hinweis, daß sich in diesen Akten bestimmte Verträge befinden, reicht zur schlüssigen Darlegung des Verfahrensmangels nicht aus.

c) Auch soweit die Kläger meinen, das FG habe zu Unrecht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung verweigert, liegt keine schlüssige Darlegung eines Verfahrensmangels vor.

Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts (vgl. BFH-Urteil vom 29. November 1985 VI R 13/82, BFHE 145, 125, BStBl II 1986, 187). Zur schlüssigen Darlegung einer zu Unrecht verweigerten Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gehört es deshalb, daß der Beschwerdeführer sich mit einer vorhandenen Begründung des FG für die Ablehnung des Antrags auseinandersetzt und schlüssig darlegt, weshalb sich die Ausübung des Ermessens als fehlerhaft darstellt. Darüber hinaus ist es erforderlich, schlüssig darzulegen, daß im Streitfall das dem Gericht zustehende Ermessen zwingend auf die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung reduziert war.

Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung der Kläger nicht. Die Kläger haben sich mit der Begründung des FG für die Ablehnung des Antrags, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen, nicht auseinandergesetzt, so daß nicht ersichtlich ist, inwiefern die Ermessensausübung des FG, die mündliche Verhandlung nicht wiederzueröffnen, rechtsfehlerhaft ist.

Die Kläger haben auch keine konkreten Umstände vorgetragen, die das FG zwingend hätte veranlassen müssen, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Allein der Hinweis der Kläger, mit dem Gesellschaftsvertrag vom ... und dem Gesellschaftsvertrag des Familienunternehmens X vom ... seien dem Gericht neue Beweismittel zugänglich gemacht worden, aus denen sich ein Gemeinschaftsverhältnis der Kläger in bezug auf deren Beteiligung an der A-Gesellschaft ergeben hätte, reicht nicht aus. Vielmehr hätten die Kläger konkrete Tatsachen bezeichnen müssen, die bei der Entscheidung des FG keine Berücksichtigung gefunden haben und die -- unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des FG -- zu einem anderen Ergebnis hätten führen können. Derartige Ausführungen enthält die Beschwerdeschrift der Kläger nicht.

d) Soweit die Kläger vortragen, die zu Unrecht erfolgte Verweigerung der Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung stelle eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar, liegt ebenfalls keine ausreichend begründete Beschwerde vor, da die Kläger keine Tatsachen vorgetragen haben, aus denen sich schlüssig ergibt, daß das FG die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zu Unrecht verweigert hat.

Im übrigen haben die Kläger auch nicht mitgeteilt, was sie bei ordnungsgemäßer Gewährung des rechtlichen Gehörs in tatsächlicher Hinsicht noch hätten vortragen können und welche rechtlichen Auswirkungen dies auf die Entscheidung gehabt hätte.

e) Der Hinweis der Kläger, das FG habe es unterlassen, einen förmlichen Beschluß über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zu fassen, stellt ebenfalls keine schlüssige Rüge eines Verfahrensmangels dar. Nach § 93 Abs. 3 Satz 2 FGO kann das Gericht auch nach Schluß der mündlichen Verhandlung deren Wiedereröffnung beschließen. Das Gesetz sieht für die Entscheidung über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung einen entsprechenden Beschluß des Gerichts vor. Ob dies auch für die Ablehnung eines Antrags auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gilt, kann offenbleiben. Denn es ist auch für den Fall der Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht erforderlich, daß das Gericht eine ausdrücklich als Wiedereröffnungsbeschluß gekennzeichnete Entscheidung trifft. Vielmehr genügt es, daß das FG erkennbar die Absicht hat, die einmal begonnene mündliche Verhandlung fortzusetzen (vgl. BFH-Urteile vom 15. März 1977 VII R 122/73, BFHE 121, 392, BStBl II 1977, 431, und vom 12. Januar 1994 VIII R 44/93, BFH/NV 1994, 495, 496). In jedem Fall reicht es aus, wenn das FG seine Entscheidung, die mündliche Verhandlung nicht wiederzueröffnen, im Urteil selbst begründet. Eines gesonderten Beschlusses bedarf es in diesen Fällen nicht.

f) Soweit die Kläger geltend machen, das Gericht habe den Inhalt der nach Schluß der mündlichen Verhandlung vorgelegten Verträge in seine Beurteilung als wesentliche Entscheidungsgrundlage einbezogen, ohne daß hierüber mündlich verhandelt worden wäre, fehlt es ebenfalls an einer schlüssigen Darlegung eines Verfahrensmangels. Die von den Klägern im Wortlaut zitierte Urteilspassage beschäftigt sich ausschließlich mit der Frage der Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Nur unter diesem Gesichtspunkt hat das FG das Vorbringen der Kläger in ihren Schriftsätzen vom 22. bzw. 28. November 1994 gewürdigt. Mit der Ablehnung des von den Klägern gestellten Antrags, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen, hat das FG gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, das nachgeschobene Vorbringen der Kläger bei seiner Entscheidung in der Hauptsache nicht berücksichtigen zu wollen. Da das Vorbringen der Kläger in ihren Schriftsätzen vom 22. bzw. 28. November 1994 nicht zur Grundlage für die Urteilsentscheidung gemacht wurde, können die von den Klägern behaupteten Verfahrensverstöße "gegen den Grundsatz der Mündlichkeit (§ 90 Abs. 1 Satz 1 FGO) und gegen das Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO)" nicht vorliegen.

2. Auch die Ausführungen der Kläger zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage, ob § 113 a Satz 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) eine abschließende Regelung dahingehend treffe, daß eine gesonderte Feststellung des Werts der in § 11 Abs. 2 BewG bezeichneten Anteile nur für Anteile an inländischen Kapitalgesellschaften in Betracht komme, reichen nicht aus. Die Kläger haben die grundsätzliche Bedeutung dieser Rechtsfrage insbesondere deshalb nicht ausreichend dargelegt, weil sie nicht konkret auf die Bedeutung dieser Rechtsfrage für die Allgemeinheit eingegangen sind. Weder der Hinweis, diese Rechtsfrage sei bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden, noch die allgemeine Behauptung, an der Beantwortung dieser Rechtsfrage bestehe ein allgemeines, über den Einzelfall hinausgehendes Interesse, reicht insoweit aus. Auch der von den Klägern behauptete Widerspruch des FG-Urteils zur Kommentar-Literatur ist nicht schlüssig. Die von den Klägern bezeichneten zwei Textstellen bei Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, bzw. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, sind schon objektiv nicht geeignet, einen solchen Widerspruch zu begründen. Denn beide Zitate befassen sich nicht mit der von den Klägern für grundsätzlich gehaltenen Rechtsfrage, ob eine einheitliche und gesonderte Feststellung des Werts von Anteilen auch an ausländischen Kapitalgesellschaften vorzunehmen ist.

 

Fundstellen

BFH/NV 1996, 688

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