Entscheidungsstichwort (Thema)

Klagebefugnis und Beiladung bei vollbeendeter KG

 

Leitsatz (NV)

Nach Vollbeendigung einer KG sind nurmehr die früheren Gesellschafter befugt, gegen einen die Zeit ihrer Mitgliedschaft betreffenden Gewinnfeststellungsbescheid Klage zu erheben. Erhebt nur ein ehemaliger Gesellschafter die Klage, so sind sämtliche Personen, die am Gewinn/Verlust beteiligt waren, grundsätzlich nach § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen (BFH-Urteil vom 27. November 1990 VIII R 206/84, BFH/NV 1991, 692).

Eine Beiladung nach § 60 Abs. 3 FGO kann zusätzlich auf § 174 Abs. 4, 5 AO 1977 gestützt werden, wenn sich im Klageverfahren ergeben könnte, daß eine gesonderte und einheitliche Feststellung nicht hätte ergehen dürfen.

 

Normenkette

FGO § 48 Abs. 1 Nr. 2, § 60 Abs. 3 S. 1; AO 1977 § 174 Abs. 4-5

 

Tatbestand

Die Kläger und der Beigeladene und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) waren Gesellschafter einer inzwischen voll beendeten KG. Das Konkursverfahren über das Vermögen der KG war mangels Masse eingestellt worden. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) hatte für die Zeit vom 30. September 1978 bis 31. Dezember 1980 die Gewinne/Ver luste der KG gesondert und einheitlich festgestellt und sie den Klägern und dem Beschwerdeführer zugerechnet. Im Klageverfahren vor dem Finanzgericht (FG) streiten die Kläger um die Rechtmäßigkeit der festgestellten Gewinne. Mit Beschluß vom 17. Dezember 1996 hat das FG den bis zum 31. Dezember 1981 als persönlich haftenden Gesellschafter an der KG beteiligten Beschwerdeführer -- der keine Klage erhoben hat -- gemäß § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu dem Rechtsstreit beigeladen. Die Beiladung wurde für den Feststellungsbescheid für 1978 auf Antrag des FA zusätzlich auf § 174 Abs. 4 und 5 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützt.

Gegen die Beiladung wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde. Er trägt vor, er habe dem FA seine Kenntnisse über die inhaltlichen Geschäftsvorfälle bei Ausscheiden aus der KG in Form einer Selbstanzeige mitgeteilt. Zum jetzigen Zeitpunkt habe er über die damaligen Geschäftsvorfälle kein Erinnerungsvermögen mehr. Da er keine Aussagen treffen könnte und es ihm gesundheitlich nicht zumutbar sei, als Zeuge vernommen zu werden -- wobei er von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen würde --, beantrage er, die Beiladung aufzuheben.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat zu Recht den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 3 FGO zu dem Rechtsstreit beigeladen. Nach dieser Vorschrift sind Dritte zum Verfahren beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. In Angelegenheiten, die einen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid betreffen, kommt eine Beiladung nur dann in Betracht, wenn die Mitberechtigten nach § 48 Abs. 1 FGO klagebefugt waren (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO).

Die handelsrechtliche Vollbeendigung einer KG hat zur Folge, daß die KG selbst kein Klagerecht mehr in Anspruch nehmen kann. Die Klagebefugnis gegenüber den Gewinnfeststellungsbescheiden steht uneingeschränkt den beteiligten Gesellschaftern zu (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 27. November 1990 VIII R 206/84, BFH/NV 1991, 692, m. w. N.). Nach der Vollbeendigung einer Personengesellschaft müssen die früheren Gesellschafter einen die Zeit ihrer Mitgliedschaft betreffenden Gewinnfeststellungsbescheid selbständig angreifen (BFH-Urteil vom 30. März 1978 IV R 72/74, BFHE 125, 116, BStBl II 1978, 503). Da in diesem Fall die Entscheidung allen Beteiligten gegenüber nur einheitlich ergehen kann, müssen grundsätzlich alle Personen, die am Gewinn/Verlust beteiligt waren, nach § 60 Abs. 3 FGO notwendig beigeladen werden, sofern sie nicht selbst Klage erhoben haben (BFH-Beschluß vom 29. Juli 1987 VIII B 203/86, BFH/NV 1988, 101).

Das FG geht von der Vollbeendigung der KG aus. Diese Auffassung begegnet keinen Bedenken, da mit der Einstellung des über das Vermögen der KG eröffneten Konkursverfahrens mangels Masse angenommen werden kann, daß Vermögen, das im Rahmen einer Liquidation noch hätte verteilt werden können, nicht mehr zur Verfügung gestanden hat (vgl. BFH-Urteile vom 19. Januar 1993 VIII R 128/84, BFHE 170, 511, BStBl II 1993, 594, 596; vom 10. Dezember 1985 VIII R 41/85, BFH/NV 1986, 404, 406). Nach diesem Zeitpunkt waren im Streitfall sämtliche Gesellschafter klagebefugt. Da nur die Kläger Klage erhoben haben, war der Beschwerdeführer als Mitgesellschafter notwendig gemäß § 60 Abs. 3 FGO zum Klageverfahren beizuladen.

Ausnahmsweise hat die Beiladung zu unterbleiben, wenn die Klage offensichtlich unzulässig ist (BFH-Urteil vom 9. Mai 1979 I R 100/77, BFHE 128, 142, BStBl II 1979, 632) oder wenn die nicht klagenden Gesellschafter unter keinem denkbaren Gesichtspunkt steuerrechtlich betroffen sind (vgl. BFH-Urteil vom 22. Mai 1990 VIII R 120/86, BFHE 160, 558, BStBl II 1990, 780).

Ein solcher Sonderfall liegt nicht vor. Die Klage ist nicht offensichtlich unzulässig und der Beschwerdeführer ist durch die Feststellungen für die Jahre 1978 bis 1980 persönlich betroffen, weil ihm als ehemaligem Gesellschafter mit bindender Wirkung jeweils ein Gewinn-/Verlustanteil zugerechnet worden ist. Da sich der Klageantrag auch gegen die Höhe der in den angefochtenen Bescheiden festgestellten Gewinne/Verluste richtet, kann auch der dem Beschwerdeführer zuzurechnende Anteil von dem Ausgang des Klageverfahrens betroffen sein.

Die Beiladung ist auch dann notwendig, wenn der Betroffene darauf verzichten will (BFH-Urteil vom 14. Februar 1989 IX R 128/84, BFH/NV 1989, 707) oder sie sogar für nachteilig hält (vgl. BFH-Urteil vom 13. November 1980 IV R 86/79, BFHE 132, 186, BStBl II 1981, 272, 275; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 60 Rz. 33). Der Beschwerdeführer kann daher die notwendige Beiladung auch nicht mit dem Hinweis auf seinen schlechten Gesundheitszustand und Erinnerungslücken bezüglich der Geschehnisse in der fraglichen Zeit abwehren.

Da der Beschwerdeführer für alle Streitjahre nach § 60 Abs. 3 FGO notwendig zum Verfahren beizuladen war, kommt der Frage, ob die Beiladung für die Feststellung 1978 auch auf § 174 Abs. 4, 5 AO 1977 gestützt werden könnte, weil möglicherweise der Bescheid wegen irriger Beurteilung aufzuheben oder zu ändern und hieraus gegenüber dem Beschwerdeführer rechtliche Folgerungen zu ziehen wären, nur für den Fall eine eigenständige Bedeutung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 25. August 1987 IX R 98/82, BFHE 151, 506, BStBl II 1988, 344, 346) zu, daß das Gericht zu der Auffassung gelangt, eine gesonderte und einheitliche Feststellung hätte für 1978 überhaupt nicht ergehen dürfen. Die Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 ist gerechtfertigt, wenn sich in dem Klageverfahren ergeben kann, daß die Feststellung für 1978 auf zuheben ist. Dann wären die Besteuerungsgrundlagen möglicherweise noch im Einkommensteuerbescheid des Beschwerdeführers zu erfassen. Nachdem die Kläger auch Einwendungen gegen den Bestand des Feststellungsbescheides für 1978 als solchen erhoben haben, besteht diese Möglichkeit.

 

Fundstellen

BFH/NV 1997, 639

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