Entscheidungsstichwort (Thema)

Urteil in einer Zolltarifsache

 

Leitsatz (NV)

Ein Urteil in einer Zolltarifsache liegt nur vor, wenn das Urteil auf der Entscheidung der zolltarifrechtlichen Frage beruht. Das ist nicht der Fall, wenn das auf eine Haupt- und eine Hilfsbegründung gestützte Urteil von der Hilfsbegründung allein getragen wird, die sich nicht mit einer zolltarifrechtlichen Frage befaßt.

 

Normenkette

FGO § 116 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) beantragte am ... 1993 beim Beklagten und Revisionskläger (Hauptzollamt -- HZA --) die Abfertigung von insgesamt ... österreichischen Zuchtrindern (Kühe bzw. Färsen) der Unterposition 0102 10 30 bzw. 0102 10 10 der Kombinierten Nomenklatur (KN) zum freien Verkehr. Das HZA fertigte die Tiere antragsgemäß zoll- und abschöpfungsfrei ab. Bei der Abfertigung hat der Kläger nach den Abfertigungsbelegen jeweils Abstammungs- und Leistungsnachweise des Fleckviehzuchtverbandes für die Tiere vorgelegt. Der Kläger legte später Bescheinigungen darüber vor, daß alle Tiere innerhalb einer Frist von vier Monaten nicht geschlachtet wurden. Nach den Ermittlungen der Zollfahndung wurden nur fünf der eingeführten Tiere in Zuchtbücher eingetragen. Nachträglich gelangte das HZA zu der Auffassung, daß die eingeführten Tiere nicht zoll- und abschöpfungsfrei hätten abgefertigt werden dürfen, weil nach den geltenden Bestimmungen der Nachweis der Eintragung der Tiere in ein Zuchtbuch der Gemeinschaft erforderlich sei. Das HZA forderte deshalb ... DM Zoll-Euro und ... DM Abschöpfung nach.

Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im einzelnen aus, das HZA habe die genannten Beträge zu Unrecht nacherhoben. Die ursprünglichen Bescheide, mit denen nur 7 % Einfuhrumsatzsteuer erhoben wurde, seien rechtmäßig gewesen. Für die vom Kläger eingeführten Tiere könne zum Einfuhrzeitpunkt nicht der Nachweis nach Art. 2 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2342/92 (VO Nr. 2342/92) der Kommission vom 7. August 1992 (berichtigte Fassung in Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften -- ABlEG -- Nr. L 320/31) verlangt werden. Die in diesem Absatz geregelte Eintragung in ein Zuchtbuch der Gemeinschaft sei nach Art. 2 Abs. 5 der Verordnung ausdrücklich für die Einfuhr reinrassiger weiblicher Zuchtrinder mit Ursprung in und Herkunft aus Österreich ausgeschlossen. Die spätere Änderung der Verordnung und die Einfügung des Art. 2 Abs. 6 in die Verordnung durch die Verordnung (EWG) Nr. 286/93 der Kommission vom 9. Februar 1993 (ABlEG Nr. L 34/7) habe keine Bedeutung für die vor ihrem Inkrafttreten eingeführten Rinder, weil sie nicht nur deklaratorische Wirkung habe, sondern eine Neuregelung beinhalte. Selbst wenn davon auszugehen sei, daß die Eintragung in ein Zuchtbuch wegen Art. 7 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/504/EWG des Rates vom 25. Juli 1977 (ABlEG Nr. L 206/8) erforderlich gewesen wäre, stehe der Nacherhebung Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 (VO Nr. 1697/79) des Rates vom 24. Juni 1979 (ABlEG Nr. L 197/1) entgegen, weil die Nichterhebung von Zoll und Abschöpfung auf einen Irrtum des HZA zurückzuführen sei, den der Kläger nicht habe erkennen können.

Mit der Revision macht das HZA im einzelnen geltend, das Urteil beruhe auf einer Verletzung der VO Nr. 2342/92 i. d. F. der Verordnung (EWG) Nr. 3224/92 der Kommission vom 4. November 1992 (ABlEG Nr. L 320/30), insbesondere Art. 1 und 2, und auf einer Verletzung der VO Nr. 286/93. Da die eingeführten Tiere nicht als Zuchttiere verwendet und in einem Zuchtbuch eingetragen oder vermerkt wurden, sei die Voraussetzung für die Zoll- und Abschöpfungsfreiheit als reinrassige Zuchtrinder der KN- Unterpositionen 0102 10 10 und 0102 10 30 nicht erfüllt, so daß die Eingangsabgaben hätten nacherhoben werden müssen. Art. 5 der VO Nr. 1697/79 stehe der Nacherhebung nicht entgegen, weil ein Irrtum der Zollstelle, wenn er vorgelegen hätte, vom Kläger hätte erkannt werden können.

Das HZA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht statthaft ist (§§ 124, 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Ein Fall der nach § 116 Abs. 2 FGO zulassungsfreien Revision ist nicht gegeben. Die Revision ist nicht zugelassen worden.

Die Vorentscheidung ist kein Urteil in einer Zolltarifsache (§ 116 Abs. 2 FGO). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) liegt ein ohne Zulassung revisibles Urteil in einer Zolltarifsache nur vor, wenn das Urteil von einer in ihm getroffenen zolltarifrechtlichen Entscheidung abhängt oder abhängen kann, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die zolltarifrechtliche Frage die einzige oder auch nur die wesentliche Vorfrage war. Die zolltarifrechtliche Frage muß jedoch eine Rolle spielen; das Urteil muß auf der Entscheidung zu der zolltarifrechtlichen Frage beruhen (BFH-Beschlüsse vom 26. Februar 1991 VII R 41/89, BFHE 164, 5, BStBl II 1991, 526, und vom 30. Juni 1994 V R 138/93, BFH/NV 1995, 424, jeweils m. w. N.).

Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Das FG hat sein Urteil auf zwei Begründungen gestützt, die ersichtlich im Verhältnis von Haupt- und Hilfsbegründung zueinander stehen. Die Hauptbegründung enthält zwar eine zolltarifrechtliche Entscheidung, weil das FG die Voraussetzungen für eine Einordnung der abgefertigten Tiere unter die KN-Unterpositionen 0102 10 10 und 0102 10 30 als gegeben erachtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1994 VII R 40/94, BFH/NV 1995, 1108). Diese Erkenntnis kann aber hinweggedacht werden, ohne daß das Urteil im Ergebnis anders lauten würde. Die Entscheidung, daß die Nacherhebung der Eingangsabgaben unrechtmäßig sei, wird allein auch durch die Hilfsbegründung getragen, daß der Nacherhebung der Eingangsabgaben im Streitfall Art. 5 VO Nr. 1697/79 entgegensteht. Die Vorentscheidung beruht daher nicht auf den Erwägungen des Gerichts zu den Voraussetzungen, unter denen die Tiere in eine KN-Unterposition eingereiht werden können, die keine Erhebung von Zoll und Abschöpfung vorsieht.

Die Ausführungen der Vorinstanz, nach denen die Eingangsabgaben nicht nacherhoben werden können, weil im Streitfall der Tatbestand des Art. 5 VO Nr. 1697/79 erfüllt ist, können nicht mit der zulassungsfreien Revision überprüft werden. Denn insoweit handelt es sich nicht um eine zolltarifliche Entscheidung i. S. von § 116 Abs. 2 FGO (vgl. BFHE 164, 5, BStBl II 1991, 526, 527); es ist auch nicht vorgetragen worden, daß einer der in § 116 Abs. 1 FGO genannten Fälle vorliege.

 

Fundstellen

Haufe-Index 423620

BFH/NV 1996, 760

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