Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine NZB gegen Urteile in Zolltarifsachen

 

Leitsatz (NV)

1. Für die Einlegung einer NZB fehlt das Rechtsschutzinteresse, wenn die Vorentscheidung mit der zulassungsfreien Revision gemäß § 116 Abs. 2 FGO angefochten werden kann.

2. Zur Frage, unter welchen Umständen es sich bei der Vorentscheidung, die über die Rechtmäßigkeit einer Zollnachforderung aufgrund geänderter Tarifierung befunden hat, um ein "Urteil in Zolltarifsachen" handelt.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 116 Abs. 2; GZT 29.01 A I

 

Tatbestand

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt -- HZA --) forderte mit Steueränderungsbescheid Zoll in Höhe von ... DM von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) nach. Bei einer Betriebsprüfung war festgestellt worden, daß die 1987 beim HZA zum freien Verkehr abgefertigten zehn Einfuhrsendungen Iso-Butan statt der von der Klägerin angemeldeten Codenummer 2711 190 90 des Deutschen Gebrauchszolltarifs -- DGebrZT -- (Zollsatz 1,5 %) wegen des Reinheitsgrades des Iso-Butans von über 95 % in allen Fällen der Codenummer 2901 110 00 (Zollsatz 12 %) zuzuweisen waren.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage der Klägerin gegen die Verwaltungsentscheidungen ab. Es bestätigte zunächst die dem Nachforderungsbescheid zugrunde liegende, von den Zollanmeldungen der Klägerin abweichende Tarifierung der eingeführten Ware (Tarifst. 29.01 A I des Gemeinsamen Zolltarifs -- GZT --). Sodann führte es aus, daß die Nacherhebung im Streitfall weder auf Grund von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1679/79 des Rates vom 24. Juli 1979 -- Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABlEG) Nr. L 197/1 -- (NacherhebungsVO) noch nach § 57 a Abs. 5 des Zollgesetzes (ZG) ausgeschlossen sei. Auch komme eine Erstattung des Zolls gemäß Art. 3 Abs. 1 der Verordung (EWG) Nr. 1430/79 des Rates vom 2. Juli 1979 über die Erstattung oder den Erlaß von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben (ABlEG Nr. L 175/1) nicht in Betracht.

Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Zu klären sei insbesondere die Frage, ob es für die Frage des Erlöschens der Zollschuld im Rahmen des § 57 a Abs. 5 ZG nicht ausreiche, daß ein Zollverkehr (hier: eine Freigutverwendung) beantragt worden sei.

Das HZA ist dem Antrag entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Dabei kann dahinstehen, ob sich diese Rechtsfolge bereits daraus ergibt, daß die von der Klägerin vorgelegte, auf die "Herren A & B Gesellschaft für ... " ausgestellte Vollmacht einen Bevollmächtigten bezeichnet, der nach Art. 1 Nr. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) ggf. nicht wirksam vor dem Bundesfinanzhof (BFH) auftreten kann. Jedenfalls fehlt der Klägerin das Rechtsschutzinteresse, weil die Vorentscheidung mit der zulassungsfreien Revision nach § 116 Abs. 2 FGO angefochten werden kann.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats fehlt für eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision das Rechtsschutzbedürfnis, wenn gegen die angefochtene Vorentscheidung die zulassungsfreie Revision gemäß § 116 Abs. 2 FGO gegeben ist (vgl. z. B. die Senatsbeschlüsse vom 10. August 1992 VII B 105/91, BFH/NV 1993, 115, und vom 23. März 1994 VII B 38/94, BFH/NV 1994, 820). Das setzt voraus, daß es sich bei der Vorentscheidung um ein "Urteil in Zolltarifsachen" handelt.

Ein Urteil in einer Zolltarifsache liegt nach der Rechtsprechung des Senats vor, wenn das Urteil von einer in ihm getroffenen zolltarifrechtlichen Entscheidung abhängt oder abhängen kann, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die zolltarifrechtliche Frage die einzige oder auch nur die wesentliche Vorfrage war. Die zolltarifrechtliche Frage muß jedoch eine Rolle spielen; das Urteil muß auf der zolltarifrechtlichen Entscheidung beruhen. Auf ihr beruhen kann es nur, wenn diese Entscheidung, soll das Urteil Bestand haben, nicht "fortgedacht" werden kann (Senatsbeschluß vom 26. Februar 1991 VII R 41/89, BFHE 164, 5, BStBl II 1991, 526 m. w. N.).

So liegt es im Streitfall. Hätte das FG in seinem Urteil nicht die von den Zollanmeldungen der Klägerin abweichende Tarifierung im Nachforderungsbescheid des HZA für richtig befunden, so hätte es nicht die Rechtmäßigkeit dieses Bescheids bestätigen und damit die Klage abweisen können. Die vom FG bestätigte Zuweisung der eingeführten Waren zur Tarifst. 29.01 A I GZT kann nicht fortgedacht werden, ohne daß die Rechtmäßigkeit des Urteils der Vorinstanz davon betroffen würde. Damit beruht dieses Urteil auf der in ihm getroffenen zolltarifrechtlichen Entscheidung.

An diesem Ergebnis ändert nichts, daß die zolltarifrechtliche Beurteilung lediglich Vorfrage für die Rechtmäßigkeit der Nacherhebung war, denn dessen ungeachtet blieb die zolltarifrechtliche Beurteilung gleichwohl entscheidungserheblich. Dem § 116 Abs. 2 FGO liegt die Erwägung zugrunde, daß Urteile über die Tarifierung von Waren stets grundsätzliche Bedeutung haben und deshalb ohne weiteres revisibel sein sollen (BFHE 164, 5, BStBl II 1991, 526).

Ohne Bedeutung ist deshalb auch, daß die Frage der Tarifierung, soweit ersichtlich, bereits im finanzgerichtlichen Verfahren zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig war. Ist die Entscheidung über die Tarifierung "tragend ", wäre nämlich bei zugelassener oder zulassungsfrei statthafter Revision der Klägerin die einverständliche Beurteilung der Beteiligten bezüglich der Tarifierung für das Revisionsgericht in keiner Weise bindend. Bei erhobener Sachrüge seitens der Klägerin wäre das Revisionsgericht nicht an die geltend gemachten Revisionsgründe gebunden (§ 118 Abs. 3 Satz 2 FGO) und müßte auch im Rahmen der Frage nach einer Rechtsverletzung die zolltarifrechtliche Entscheidung der Vorinstanz auf ihre Richtigkeit hin überprüfen. Im übrigen kommt es allein auf die Möglichkeit der Überprüfung der zolltarifrechtlichen Entscheidung des FG durch das Revisionsgericht an. Ob es tatsächlich zu einer Überprüfung in zolltariflicher Hinsicht kommt oder käme, ist ohne Belang (Senatsurteil vom 1. Dezember 1992 VII R 53/92, BFHE/NV 1993, 515).

Insofern ist es im Streitfall anders als in dem der Entscheidung in BFHE 164, 5, BStBl II 1991, 526 zugrundeliegenden Sachverhalt. Dort war die im Urteil getroffene zolltarifrechtliche Entscheidung nicht entscheidungserheblich, weil das FG der Klage gegen den Zollnachforderungsbescheid aus außertariflichen Gründen (Absehen von der Nacherhebung aus Rechtsgründen) stattgegeben hatte. Entsprechend verhielt es sich in dem vom Senat mit Beschluß vom 10. August 1992 VII R 24/92 (BFH/NV 1993, 337) entschiedenen Fall (s. dazu das vorinstanzliche Urteil des FG Baden-Württemberg vom 10. Dezember 1991 11 K 68/86 Z, Entscheidungen der Finanzgerichte 1992, 347; vgl. zum Ganzen auch Müller-Eiselt, Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern 1994, 258 ff.).

 

Fundstellen

BFH/NV 1995, 708

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