Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozeßkostenhilfe-Antrag; Voraussetzungen der Einkommensteuer-Veranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG

 

Leitsatz (NV)

Eine Veranlagung ist gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 Bst. b EStG nicht bereits dann durchzuführen, wenn Verluste erklärt werden, sondern erst, wenn sie tatsächlich gegeben sind.

 

Normenkette

FGO § 142; ZPO § 114; EStG § 46 Abs. 2 Nr. 8

 

Tatbestand

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist die Tochter und alleinige Erbin ihrer 1978 verstorbenen Mutter R. K. Streitig ist, ob R. K in der Zeit vom 1. April bis 31. August 1977 einen Gewerbebetrieb unterhalten hat.

R. K, ihr Ehemann A. K, der Ausländer A. sowie weitere Personen beschäftigten sich im Streitjahr 1977 mit dem An- und Verkauf von BMW- und Audi-Kraftfahrzeugen. Die Firma BMW hatte ihren Vertragshändlern den Direktexport ihrer Kraftfahrzeuge untersagt, weil sie diese über eigene Generalvertretungen verkaufen wollte. Die oben angegebenen Personen kauften als private Einzelpersonen bei BMW- und Audi-Händlern Kraftfahrzeuge, die dann zum Teil ins Ausland weiterverkauft wurden.

Steuerlich wurden diese Geschäfte unter verschiedenen Firmen abgewickelt, z. B. in der Zeit von Februar bis März 1977 unter der Firma X, von April bis August 1977 unter der Firma E, von September bis November 1977 unter der Firma Y. Die Firma E war zum 1. April 1977 von R. K angemeldet worden (,,Neueröffnung"). Als Gegenstand hatte sie angegeben ,,Import und Export von Textilien und Kraftfahrzeugen". Sitz der Geschäftsleitung war die Wohnung der Eheleute K. Nach Angaben der Antragstellerin war Herr K. Geschäftsführer der Firma E; im wesentlichen wurde sie von ihm geleitet.

Zum 31. August 1977 wurde das Gewerbe wieder abgemeldet. Frau R. K hatte zum 1. April 1977 auch die Eröffnung einer Betriebsstätte in N angemeldet und später zum gleichen Datum abgemeldet, weil das Gewerbe ,,nicht ausgeübt" worden sei.

Frau R. K reichte für die Monate April bis Juli 1977 Umsatzsteuervoranmeldungen ein. In der Umsatzsteuerjahreserklärung 1977 erklärte sie einen Jahresüberschuß von ./. 3 688,77 DM. In ihrer abgegebenen Einkommensteuererklärung für 1977 erklärte sie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für die Zeit vom 24. Januar bis 31. März 1977 sowie für die Monate November und Dezember 1977 in Höhe von insgesamt 7 265 DM und einen Verlust bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 9 070 DM.

Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte die Durchführung einer Umsatzsteuer- und Einkommensteuerveranlagung ab, nachdem die Steuerfahndung aufgrund ihrer Ermittlungen zu der Auffassung gekommen war, daß R. K das Geschäft nur zum Schein betrieben habe und daß der eigentliche Gewerbetreibende A gewesen sei. Frau K habe den Prüfern gegenüber erklärt, daß sie selbst keine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt habe; das Geschäft sei von ihrem Mann und A geführt worden.

Dagegen erhob die Antragstellerin nach vergeblichem Einspruch Klage, über die das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden hat.

Im Klageverfahren beantragte die Antragstellerin, ihr für das Verfahren vor dem FG Prozeßkostenhilfe zu bewilligen. Sie legte eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor und begründete ihren Antrag im übrigen wie folgt:

Das Unternehmen sei auf Rechnung und Gefahr der Frau K geführt worden. A habe seine Gewinne neben der Firma E gemacht. Sollte Frau K mangels Betätigung keine Unternehmerin sein, so lägen die Voraussetzungen zumindest bei Herrn K vor. Frau K habe in einem Schreiben vom 23. Januar 1978 an ihren Steuerberater von der "von mir betriebenen Firma" gesprochen.

Als Zeugen für ihre Behauptungen nennt die Antragstellerin Herrn A. K und A, dessen Anschrift aus der Akte betreffend den Rechtsstreit A gegen FA G zu entnehmen sei, sowie Herrn U und Herrn R.

Das FG wies den Antrag ab, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete (§ 142 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung - ZPO -).

Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, daß ein Gewerbebetrieb für Rechnung der R. K und auf ihren Namen tatsächlich betrieben worden sei. Die Eingangsrechnungen über den Ankauf der Kraftfahrzeuge lauteten nur zu einem unwesentlichen Teil (Rechnungen vom 26. April, vom 2. Juli und 6. Juli 1977) auf den Namen E oder R. K. Die vorgelegten Ausgangsrechnungen ließen im wesentlichen den Aussteller nicht erkennen. Soweit die Firma E als Ausstellerin aufgetreten sei, handle es sich um die Firma E. E. Die Schriftstücke, wonach Käufer ihre Rechte aus den Kraftfahrzeugkaufverträgen an die Firma E abgetreten hätten, seien immer von A. K unterschrieben. Ob A. K in Vertretung der R. K handeln konnte, ergebe sich aus den Unterlagen, insbesondere aus der Gewerbeanmeldung, nicht. Personalkosten seien lt. Gewinnermittlung für das Streitjahr nicht entstanden. Sollte die Unternehmereigenschaft der R. K im Sinne des Umsatzsteuergesetzes (UStG) zu bejahen sein, könne sich der begehrte Erstattungsanspruch nicht ergeben, weil fast alle Wareneingangsrechungen mit hohen Vorsteuerbeträgen nicht auf den Namen der Firma E oder R. K lauteten.

Dagegen hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt, die sie wie folgt begründet:

Frau R. K habe ihren Ehemann beauftragt, die Fahrzeuge bei verschiedenen Händlern zu kaufen. Zuvor habe A die Namen von Interessenten bekanntgegeben, denen die Wagen übergeben werden sollten. Der Ehemann A. K habe in einigen Fällen seinen Schwager oder andere Personen beim Kauf eingeschaltet. Alle Rechnungen seien an R. K gegangen. Sie habe auch die Ausfuhrbescheinigungen erhalten.

Die Firma E. E in N sei mit der Firma E in G identisch.

Zum Nachweis, daß A. K zur ,,überwiegenden" Geschäftsführung bevollmächtigt gewesen sei, könnten A. K, U und der Steuerberater B als Zeugen vernommen werden.

Die Antragstellerin beantragt, den Beschluß des FG aufzuheben und der Antragstellerin Prozeßkostenhilfe zu gewähren.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 142 FGO, § 114 ZPO). Bei summarischer Prüfung des Sachverhalts und der Rechtsfragen spricht für den Erfolg der Klage auch keine gewisse Wahrscheinlichkeit (zu diesem Erfordernis vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. März 1986 III B 5-6/86, BFHE 146, 223, BStBl II 1986, 526, und vom 16. Dezember 1986 VIII B 115/86, BFHE 148, 215, BStBl II 1987, 217).

1. Die Voraussetzungen für eine Einkommensteuerveranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind nicht gegeben. Die Mutter der Antragstellerin hat zwar rechtzeitig (vgl. § 46 Abs. 2 Satz 2 EStG) einen Antrag auf Veranlagung gestellt und in ihrer Einkommensteuererklärung einen Verlust bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb erklärt. Die Erklärung des Verlustes genügt aber nicht, der ,,Verlustbetrag" muß tatsächlich gegeben sein. Davon kann jedenfalls für dieses Verfahren nicht ausgegangen werden, denn die Mutter der Antragstellerin war im Streitfall 1977 nicht, zumindest aber nicht als Einzelunternehmerin, gewerblich tätig (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG).

Dafür ist Voraussetzung, daß eine gewerbliche Betätigung allein auf ihre Rechnung ausgeübt wird, d. h., daß ihr der Gewinn zufließt und sie den Verlust trägt (BFH-Urteil vom 13. Februar 1980 I R 17/78, BFHE 129, 565, BStBl II 1980, 303).

Es sind zwar keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, daß die Wagen nicht namens der Firma E verkauft worden sind. Die in dem vorgelegten Ordner enthaltenen Rechnungsdurchschriften, die den Namen des Verkäufers nicht enthalten, gleichen in Text und Schreibart den Rechnungskopien der Firma E. Deshalb kann R. K in allen Fällen als Verkäuferin der Wagen angesehen werden.

Demgegenüber ist Frau K bei den ca. 40 Wagenkäufen nur vereinzelt im eigenen Namen oder unter der Firma E aufgetreten. Ob die Käufe der anderen Personen, z. B. die ihres Mannes, des U, des A und des R. ihr zugerechnet werden können, erscheint sehr zweifelhaft. Zwar liegen Kopien von Schreiben vor, wonach im Einzelfall oder allgemein die Firma E in den Kauf eintreten solle. Als Treuhandvereinbarungen können diese einseitigen Erklärungen jedoch nicht gewertet werden. Den dadurch begründeten Zweifeln, ob die genannten Beteiligten für Rechnung der Frau K gehandelt haben, braucht nicht weiter nachgegangen zu werden. Eine Reihe von weiteren Anzeichen lassen es sehr unwahrscheinlich sein, daß Frau K das Gewerbe allein betrieben hat.

Mit Recht weist das FG darauf hin, daß an die Personen, die für das Unternehmen tätig waren, keinerlei Gehälter oder sonstige Zahlungen (Provisionen) geleistet worden sind. Das hätte aber nahegelegen, weil sie nicht nur im eigenen Namen tätig geworden sind, sondern auch Reisen zu den Händlern unternommen haben. Das gilt insbesondere für den Ehemann A. K, der die Firma im wesentlichen geleitet hat. Wäre er für Rechnung seiner Frau tätig geworden, hätte es nahegelegen, einen Arbeitsvertrag abzuschließen, zumal ihm bei der Intensität der Tätigkeit, wie sie sich aus den Unterlagen ergibt, für andere berufliche Tätigkeiten kein Raum blieb. Das ist nicht geschehen. Auch eine Vollmacht ist ihm nicht erkennbar erteilt worden. Das von ihm selbst unterzeichnete Schreiben der E, wonach diese in die von ihm abgeschlossenen Verträge eintritt, kann eine Vollmacht nicht ersetzen (vgl. auch § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Der Senat wertet in diesem Zusammenhang auch die Aussage der Antragstellerin im Schreiben vom 8. September 1985, wonach die Voraussetzungen der Unternehmerschaft bei A. K, statt bei seiner Frau vorgelegen haben könnten.

Schließlich spricht auch die Abwicklung des Geldverkehrs dafür, daß Frau K nicht allein das Unternehmen betrieben hat. Nach den Kassenabrechnungen sind die Geschäfte bar abgewickelt worden. Offensichtlich haben auch noch andere Personen außer ihr Beträge für das Unternehmen aufgewendet, denn es ergeben sich wiederholt Kassenfehlbeträge (z. B. am 2. Juni 1977, an dem zwei Wagen bezahlt, aber nur ein Wagen veräußert wurde - Beleg Nr. 15 datiert vom 8. Juni 1977 - und am 26. Juli 1977). Da R. K nach den vorgelegten Unterlagen bei den Geschäften kaum persönlich in Erscheinung getreten ist, erscheint es bei dieser Art der Geschäftsabwicklung zweifelhaft, ob sie überhaupt über die eingehenden Gelder verfügen konnte.

Muß aber davon ausgegangen werden, daß Frau K das Unternehmen jedenfalls nicht allein, sondern mit anderen, sei es auch nur ihrem Ehemann, betrieb, dann kann eine Veranlagung erst durchgeführt werden, wenn die gewerblichen Einkünfte einheitlich festgestellt worden sind (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 a der Abgabenordnung - AO 1977 -). Ein Fall des § 155 Abs. 2 AO 1977 ist nicht gegeben, weil es hier nicht darum geht, daß noch kein Grundlagenbescheid ergangen ist (vgl. ,,noch nicht" in § 155 Abs. 2 AO 1977), sondern darum, daß überhaupt ein Grundlagenbescheid erlassen werden müßte (vgl. auch BFH-Urteil vom 26. Juli 1983 VIII R 28/79, BFHE 139, 335, BStBl II 1984, 290). Ein Anspruch auf Durchführung der Einkommensteuerveranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 b EStG wäre danach allenfalls dann gegeben, wenn feststünde, daß eine Gewinnfeststellung durchzuführen ist. Das ist aber hier völlig offen. In diesem Zusammenhang wäre auch zu erklären, ob eine gewerbliche Betätigung nicht auch deshalb zu verneinen ist, weil bei den Gewinnaufschlägen, die sich aus den vorgelegten Rechnungen ergeben, die Erzielung eines Totalgewinns (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 766) überhaupt möglich und beabsichtigt war.

2. Die Klage bietet auch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 142 FGO i. V. m. § 114 ZPO), soweit die Antragstellerin die Durchführung einer Umsatzsteuerveranlagung begehrt. Insoweit fehlt ihr das Rechtsschutzbedürfnis (§ 40 Abs. 2 FGO).

Es kann dahinstehen, ob die Mutter der Antragstellerin Unternehmerin i. S. des § 2 Abs. 1 UStG war. Ein Interesse an der Veranlagung ist jedenfalls deshalb zu verneinen, weil sie nicht zu einer Erstattung der gezahlten Vorsteuer in Höhe von 3 688,77 DM führen kann, sich vielmehr eine Umsatzsteuerzahllast ergeben würde.

Nach den vorgelegten Unterlagen sind der Frau K Vorsteuerbeträge in der erklärten Höhe nicht in Rechnung gestellt worden (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Die den als Käufern der Wagen aufgetretenen Personen in Rechnung gestellte Umsatzsteuer können Frau K und die Antragstellerin nicht als Vorsteuer geltend machen, weil R. K oder E nicht als Leistungsempfänger auf den Rechnungen angegeben sind (§ 15 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 2 UStG) und nach ihrem eigenen Vortrag auch nicht Leistungsempfänger waren (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 13. September 1984 V B 10/84, BFHE 142, 164, BStBl II 1985, 21, und Weiß, Umsatzsteuer-Rundschau 1985, 25, 28). Vertragsbeziehungen bestanden nur zwischen den Autohändlern und den Käufern, die im eigenen Namen aufgetreten sind (§ 164 Abs. 2 BGB); das evtl. interne Eintreten in die Kaufverträge durch Frau R. K änderte daran nichts.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415338

BFH/NV 1988, 501

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