Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiederaufnahmeverfahren

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Zulässigkeit eines Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens.

2. Keine Aussetzung des Wiederaufnahmeverfahrens bei Unzulässigkeit des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens.

3. Über den Wiederaufnahmeantrag ist durch Beschluß zu entscheiden, wenn sich der Wiederaufnahmeantrag gegen einen rechtskräftigen das Beschwerdeverfahren abschließenden Beschluß richtet.

 

Normenkette

FGO § 90 Abs. 1 S. 2, §§ 121, 134; ZPO §§ 578, 579 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Senat hat die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Finanzgerichts durch Beschluß vom ... 1995 zurückgewiesen. Hiergegen beantragt der Antragsteller das Wiederaufnahmeverfahren, weil der erkennende Senat bei Fällung des Beschlusses nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei. Er bezieht sich dafür auf einen senatsinternen Geschäftsverteilungsplan für das Geschäftsjahr 1993. Danach liege es im Belieben des Vorsitzenden, wer Berichterstatter werde. Mit dieser Bestimmung würden zwei von drei Stimmen festgelegt für einen Spruchkörper, der nach Mehrheit entscheide. Das sei willkürlich. Es sei zwingend, daß in abstrakter Gesamtheit auch für Beschlußsachen der Berichterstatter von vornherein festliegen müsse. Nach dem Mitwirkungsplan werde aber der Berichterstatter vom Vorsitzenden bestimmt. Außerdem richte sich die Auswahl des Berichterstatters grundsätzlich jeweils nach der in Frage stehenden Rechtsmaterie. Diese unsubstantiierte Vagheit reiche nicht aus, das Profil des grundgesetzlich vorgegebenen gesetzlichen Richters zu erreichen. Sie sei eine Ermächtigung zum Belieben. Bisher nicht berücksichtigt worden sei die Bedeutung des Art. 97 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) für die interne Geschäftsverteilung. Wenn aus der Mitte von fünf Richtern für die Bildung des Beschluß-Senats nur ein Richter im voraus feststehe, habe der Vorsitzende die Auswahl unter drei Richtern. Durch das Bestehen von drei Optionen entstünden für die Betreffenden und die Betroffenen natürliche Abhängigkeiten, die aus dem Blickwinkel des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 97 Abs. 1 GG zu verfassungsrechtlichen Abhängigkeiten werden können. Insoweit verstoße der Mitwirkungsplan auch gegen Art. 97 Abs. 2 GG. Weitere Optionen für den Vorsitzenden bestünden bei der gegebenen Überbesetzung des Senats.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag hat keinen Erfolg.

1. Der Nichtigkeitsantrag ist statthaft.

Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann gemäß § 134 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nach den Vorschriften der §§ 578 ff. der Zivilprozeßordnung (ZPO) wieder aufgenommen werden. Zwar setzt die Wiederaufnahme nach dem Wortlaut des § 578 ZPO ein rechtskräftiges Endurteil voraus. Nach allgemeiner Ansicht kann jedoch auch ein durch einen Beschluß rechtskräftig beendetes Verfahren wieder aufgenommen werden (vgl. Bundesfinanzhof -- BFH --, Beschlüsse vom 29. Januar 1992 VIII K 4/91, BFHE 165, 569, BStBl II 1992, 252; vom 8. Dezember 1994 VII K 1/94, BFH/NV 1995, 795).

2. Der Antrag ist jedoch unzulässig, weil der geltend gemachte Wiederaufnahmegrund nicht ausreichend dargelegt worden ist (§§ 578, 579 Abs. 1 Nr. 1, § 589 ZPO i. V. m. § 134 FGO).

Die Wiederaufnahmeklage ist nach allgemeiner Auffassung nur dann zulässig, wenn der Wiederaufnahmegrund schlüssig behauptet worden ist. Dies gilt auch für die Zulässigkeit des Wiederaufnahmeantrages (vgl. BFH in BFHE 165, 569, BStBl II 1992, 252 m. w. N.). Diese Voraussetzung erfüllt der vorliegende Antrag nicht, weil sich aus ihm nicht schlüssig der geltend gemachte Wiederaufnahmegrund ergibt, daß der Senat bei seiner Entscheidung nicht vorschriftsmäßig besetzt war (§ 134 FGO i. V. m. § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Denn die Ausführungen des Antragstellers beziehen sich auf einen Geschäftsverteilungsplan von 1993, der für die Zusammensetzung des Gerichts bei Ergehen des in Rede stehenden Beschlusses nicht maßgebend war.

Da der Vorsitzende die Sache am ... Januar 1995 dem Berichterstatter zugeschrieben hat, richtete sich die Zusammensetzung der Richterbank für die Beschlußfassung nach dem senatsinternen Geschäftsverteilungsplan für das Geschäftsjahr 1995 vom 13. Dezember 1994 und nicht nach einem Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 1993, auf den sich der Antragsteller bezieht. Der für die Streitsache maßgebende Geschäftsverteilungsplan für das Geschäftsjahr 1995 weicht in entscheidenden Punkten von den Geschäftsverteilungsplänen für die vorangegangenen Jahre ab, so daß sich die Ausführungen des Antragstellers zu einem Geschäftsverteilungsplan von 1993 auch nicht auf den für 1995 übertragen lassen. Im Hinblick auf die in Rede stehende Beschwerdeentscheidung legt er nämlich in Nr. 2 für Beschlüsse außerhalb der mündlichen Verhandlung in Sachen, die nicht mit einer anhängigen Revisions- oder Klagesache zusammenhängen, im einzelnen -- nach Sachgebieten verteilt -- genau fest, welche Senatsmitglieder außer dem Vorsitzenden an der Sache mitzuwirken haben. Der Vorsitzende hat danach keine Möglichkeit, die abstrakt im voraus festgelegte Zusammensetzung der Richterbank im konkreten Fall zu beeinflussen.

3. Dem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens, bis das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) über die bereits anhängigen Verfassungsbeschwerden in Sachen gesetzlicher Richter entschieden hat, konnte der Senat nicht stattgeben. Ihm ist schon deshalb nicht zu entsprechen, weil der Ausgang dieser Verfahren keinen Einfluß auf die Entscheidung über den vorliegenden Nichtigkeitsantrag haben kann. Da der Antrag bereits unzulässig ist, kommt nämlich eine Entscheidung in der Sache, auf die die Entscheidungen des BVerfG allenfalls Einfluß haben könnten, nicht in Betracht.

4. Der Senat entscheidet über den Wiederaufnahmeantrag durch Beschluß ohne mündliche Verhandlung (§ 121 i. V. m. § 90 Abs. 1 Satz 2 FGO). Da sich der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gegen einen rechtskräftigen, das Beschwerdeverfahren abschließenden Beschluß richtet, ist über den Wiederaufnahmeantrag ebenfalls durch Beschluß zu entscheiden (vgl. BFH, Beschluß vom 16. August 1979 I K 2/79, BFHE 128, 349, BStBl II 1979, 710 m. w. N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 420918

BFH/NV 1996, 221

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