Leitsatz (amtlich)

Im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung ist der Streitwert auch dann mit dem Pauschsatz von 25 v. H. der streitigen Beträge anzusetzen, wenn der Streit um Verlust- oder Verlustanteilsbeträge geht.

 

Normenkette

FGO § 140 Abs. 3

 

Tatbestand

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist Konkursverwalter einer KG. Wegen Nichtabgabe der Gewinnerklärung stellte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (FA) den Gewinn der KG unter Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 217 AO einheitlich auf 0 DM fest. Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller Einspruch ein. Er verwies zu seiner Begründung auf die nachträglich eingereichte Bilanz- und Gewinnerklärung, wonach sich ein Verlust der KG von zunächst 945 483 DM, nach Änderung von 956 150 DM ergab. Einige Kommanditisten der KG legten ebenfalls Einspruch ein. Sie und die übrigen vom FA von Amts wegen zum Verfahren zugezogenen Kommanditisten schlossen sich, soweit sie Anträge stellten, im Ergebnis dieser Begründung an. Darauf stellte das FA durch Änderungsbescheid gemäß § 94 AO einheitlich einen Verlust der KG von 964 115 DM fest. Zugleich erklärte es den Rechtsstreit für erledigt und erlegte die Kosten des Einspruchs wegen verspäteten Vorbringens gemäß § 252 AO dem Antragsteller auf. Nach Unanfechtbarkeit des Änderungsbescheides und der Kostenentscheidung setzte das FA den Streitwert für den Einspruch auf 239 037 DM (= 25 v. H. des begehrten Verlustes von 956 150 DM) fest.

Die hiergegen gemäß § 255 Abs. 2 AO eingelegte Beschwerde, mit der der Antragsteller die Herabsetzung des Streitwertes auf 0 DM begehrte, blieb erfolglos.

Gegen die Beschwerdeentscheidung der OFD rief der Antragsteller die Entscheidung des FG gemäß § 255 Abs. 3 AO an. Er beantragte nunmehr, den Streitwert nach dem auf die Erbin des verstorbenen Komplementärs entfallenden Verlustanteil von 197 064 DM zu berechnen, da er als Konkursverwalter lediglich die Gemeinschuldner vertrete, zu denen nur Komplementäre gehörten. Im übrigen sei der Streitwert nach einem niedrigeren Hundertsatz als 25 v. H. zu bemessen, da es im Hinblick auf den hohen Verlust zweifelhaft sei, ob dieser sich überhaupt jemals in voller Höhe auswirken werde.

Das FG bestätigte die Streitwertfestsetzung des FA. Da der Antragsteller in seiner Einspruchsbegründung ausdrücklich auf die nachträglich eingereichte Gewinnerklärung und Bilanz verwiesen habe, könne keine Rede davon sein, daß in seinem Einspruch nur der Verlustanteil der Komplementäre der KG und nicht der erklärte Verlust der KG streitig gewesen sei. Außerdem setzte die Feststellung des Verlustanteils der Komplementäre die steuerliche Anerkennung des Gesamtverlustes der KG voraus. Gegenstand des Einspruchsverfahrens sei somit der erklärte Verlust der KG gewesen. Es könne dahingestellt bleiben, ob und inwieweit der Antragsteller als Konkursverwalter zugleich die Kommanditisten, die z. T. gleichfalls Einsprüche mit Sachanträgen eingelegt gehabt hätten, habe vertreten können oder vertreten habe. Die Grundsätze der Rechtsprechung, nach denen der Streitwert im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren in der Regel mit 25 v. H. des streitigen Gewinns oder Gewinnanteils zu bemessen sei, müßten auch für streitige Verluste oder Verlustanteile gelten; denn es sei regelmäßig davon auszugehen, daß sich auch ein streitiger Verlust im Wege des Verlustausgleichs oder Verlustabzuges steuerlich auswirke. Ein Ausnahmefall im Sinne des Urteils vom 12. März 1970 IV 4/64 (BFHE 99, 11, BStBl II 1970, 547), wonach ein niedrigerer Satz gerechtfertigt sei, wenn sich bereits im Gewinnfeststellungsverfahren absehen lasse, daß der streitige Gewinn ohne steuerliche Auswirkungen bleibe, liege nicht vor. Der Antragsteller verneine auch nicht die Möglichkeit steuerlicher Auswirkungen; er halte sie lediglich in ihrem Umfang für zweifelhaft. Der Umstand, daß eine steuerliche Auswirkung erst in den folgenden fünf Jahren eintreten könne, rechtfertige keine niedrigere Streitwertfestsetzung als im Regelfall, zumal das Gericht die tatsächlichen steuerlichen Auswirkungen des streitigen Verlustes nicht nachzuprüfen habe.

Seine Beschwerde begründet der Beschwerdeführer wie folgt: Der Auffassung des FG, es müsse sich bereits im Gewinnfeststellungsverfahren absehen lassen, daß der streitige Gewinn oder Verlust ohne steuerliche Auswirkungen bleibe (vgl. Urteil BFH IV 4/64), dürfe nicht gefolgt werden, wenn die Nachprüfung der steuerlichen Auswirkung ohne große Verwaltungsarbeit möglich sei. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall gegeben. Der im Feststellungsbescheid ausgewiesene Verlust hätte ausschließlich der Erbin als jetziger alleiniger Komplementärin zugerechnet werden müssen, da nach dem BFH-Urteil vom 19. November 1964 IV 455/61 U (BFHE 81, 305, BStBl III 1965, 111) eine Verlustzuweisung an die Kommanditisten unzulässig gewesen sei. Es hätte daher ausschließlich der Beiziehung der im gleichen Veranlagungsbezirk geführten Akte der alleinigen Komplementärin bedurft. Dann hätte sich ergeben, daß die steuerliche Auswirkung im Streitjahr nur 2 500 DM betragen habe. Die Auswirkung werde auch in den folgenden fünf Jahren durch den Verlustabzug nicht größer sein. Bei Annahme einer jährlichen Auswirkung von 2 500 DM für das Streitjahr und die fünf folgenden Jahre dürfe allenfalls eine steuerliche Auswirkung von insgesamt 15 000 DM berücksichtigt werden.

Der Beschwerdeführer beantragt eine angemessene Herabsetzung des Streitwerts.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Mit Recht hat das FG den Gesamtverlust in der Höhe, wie er sich aus der nachträglich von dem Antragsteller eingereichten Gewinnerklärung und Bilanz ergab, als Grundlage der Streitwertberechnung behandelt, da Gegenstand des Einspruchsverfahrens der erklärte Gesamtverlust der KG und nicht nur der Verlustanteil der Komplementärin der KG war. Insoweit greift der Antragsteller die Entscheidung des FG auch nicht mehr an.

Der Umstand, daß der in dem Feststellungsbescheid ausgewiesene Verlust ausschließlich der alleinigen Komplementärin hätte zugerechnet werden müssen, kann für den Streitwert nicht von Bedeutung sein. Denn der Streitwert richtet sich nach dem Unterschied zwischen dem ursprünglich festgestellten Gesamtgewinn bzw. -verlust und dem nach Antrag des Rechtsbehelfsführers festzustellenden Gesamtgewinn bzw. -verlust.

Wie der BFH in ständiger Rechtsprechung betont hat, ist der Streitwert in Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung grundsätzlich nach einem angemessenen Hundertsatz vom streitigen Gewinnbetrag zu berechnen (vgl. BFH-Urteile vom 9. Oktober 1956 I 207/55 U, BFHE 63, 484, BStBl III 1956, 382 und IV 4/64 mit weiteren Nachweisen). Mit Urteil vom 17. Oktober 1961 I 268/60 U (BFHE 74, 108, BStBl III 1962, 41) hat der BFH entschieden, daß diese Wertbestimmungsmethode - entgegen der in dem Urteil I 207/55 U insoweit für möglich gehaltenen Ausnahme - selbst dann anzuwenden ist, wenn zweifelhaft ist, ob die Streitwertgrenze der Revision erreicht ist. In dem Urteil I 268/60 U wird die ausschließliche Anwendung der Hundertsatz-Methode damit begründet, daß der zur Einlegung eines Rechtsmittels befugte Gesellschafter-Geschäftsführer ohne weitere Ermittlungen müsse erkennen können, ob die vom Gesetz geforderte Revisionssumme erreicht sei, daß zur genauen Berechnung des streitigen Interesses der betroffenen Gesellschafter deren Einkommensteuerakten sämtlich beigezogen werden müßten, daß dadurch die sonstigen steuerlichen Verhältnisse dieser Gesellschafter gesetzwidrig (§ 22 AO) offengelegt werden müßten und daß es an der Grundlage für eine genaue Berechnung des Streitwerts dann fehlen würde, wenn in der Einkommensteuersache eines oder mehrerer betroffener Gesellschafter Fragen streitig seien, die nicht im Gewinnfeststellungsverfahren entschieden würden.

An diesem Grundsatz, in Fällen der einheitlichen Gewinnfeststellung den Streitwert nach einem angemessenen Hundertsatz vom streitigen Gewinnbetrag zu berechnen, ist festzuhalten. Die Höhe des nach freiem Ermessen (§ 140 Abs. 3 FGO) zu bestimmenden Streitwertes kann nicht davon abhängig sein, ob im Einzelfall einer oder alle der in dem Urteil I 268/60 U genannten Gründe gegeben oder nicht gegeben sind, ob also nur ein Gesellschafter betroffen ist, ob auf die Wahrung des Steuergeheimnisses verzichtet wurde oder ob der oder die Gesellschafter in demselben Veranlagungsbezirk geführt werden wie die Gesellschaft.

Das FG hat auch mit Recht an dem bei einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren üblichen Pauschsatz von 25 v. H. festgehalten. Denn in Verfolg des Gedankens, daß für die Bemessung des Streitwertes im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren nur zu berücksichtigen ist, was in diesem Verfahren selbst ohne Beachtung der für die Einzelveranlagung maßgebenden möglichen Besonderheiten erkennbar ist, kann nur ein Pauschsatz angemessen sein, der der allgemeinen durchschnittlichen Einkommensteuerbelastung oder -entlastung infolge der streitigen Gewinnbeträge entspricht, nämlich 25 v. H. Die Rechtsprechung hat allerdings in Sonderfällen des Gewinnfeststellungsverfahrens eine Abweichung von der üblichen Bemessung des Streitwertes mit 25 v. H. des streitigen Gewinns oder Gewinnanteils zugelassen (vgl. BFH-Urteil IV 4/64). Dabei war maßgebend, ob bereits im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren zwangsläufig sich ergebende Auswirkungen bei der Einkommensteuer erkennbar waren. Das führte u. a. dazu, einen Streitwert in der Regel mit dem Satz von 1 v. H. des streitigen Gewinnbetrages anzusetzen, wenn im Gewinnfeststellungsverfahren abzusehen ist, daß sich einkommensteuerliche Auswirkungen nicht ergeben (vgl. BFH-Urteil IV 4/64).

Diesen Grundsätzen der Rechtsprechung entspricht es, im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren auch bei streitigen Verlustbeträgen generell den üblichen Pauschsatz von 25 v. H. als angemessenen Streitwert anzusetzen. Denn jeder Verlustbetrag kann sich bei der Einkommensteuerveranlagung der einzelnen Gesellschafter, sei es über den Verlustausgleich im Streitjahr, sei es über den Verlustabzug in den folgenden Jahren, auswirken, so daß der Pauschsatz von 25 v. H., der in etwa der durchschnittlichen Einkommensteuerbelastung oder -entlastung entspricht, als angemessen erscheinen muß und nicht ermäßigt werden kann. Allerdings hält der Senat auch eine Erhöhung dieses Prozentsatzes bei hohen Verlustbeträgen nicht für gerechtfertigt. Denn im Gegensatz zu hohen Gewinn- oder Gewinnanteilsbeträgen, bei denen nahezu sicher ist, daß sich im Streitjahr einkommensteuerliche Auswirkungen, und zwar in aller Regel progressionsbedingt, ergeben werden, kann ein hoher Verlustbetrag nur dann über dem Durchschnitt liegende einkommensteuerliche Auswirkungen haben, wenn anderweitige hohe, auch nach Abzug der streitigen Verlustanteile noch progressionsbelastete Einkünfte im Verlustjahr oder in den folgenden Jahren vorliegen. Das kann aus der Sicht des einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahrens nicht beurteilt werden, da es sich bei der Höhe des übrigen Einkommens des oder der Gesellschafter um eine Größe handelt, die gerade unbekannt ist (vgl. den Beschluß des erkennenden Senats vom 8. November 1973 IV B 6/72, BFHE 110, 487, BStBl II 1974, 138).

 

Fundstellen

BStBl II 1974, 461

BFHE 1974, 217

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