Leitsatz (amtlich)

Ist im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung nicht die Höhe, sondern nur die Verteilung des Gewinns streitig, so ist der Streitwert stets mit 25 % des Teils des Gewinns zu bemessen, um dessen Verteilung gestritten wird.

 

Normenkette

FGO § 140 Abs. 3

 

Tatbestand

In dem von der KG (Klägerin) betriebenen Klageverfahren war ausschließlich die Gewinnverteilung 1968 unter den Gesellschaftern streitig. Mit dem angegriffenen Feststellungsbescheid vom 20. Mai 1970 hatte der Beklagte und Beschwerdegegner (FA) den Gewinn von 256 608 DM den Gesellschaftern, wie folgt, zugerechnet:

A B C

Komplementär Kommanditistin Kommanditistin

217 918 DM 25 793 DM 12 897 DM

Demgegenüber begehrte die Klägerin

folgende Gewinnverteilung: 82 902 DM 115 804 DM 57 902 DM

Mehr/Weniger ./. 135 016 DM + 90 011 DM +45 005 DM

Das FG gab der Klage in vollem Umfange statt. Es erlegte die Kosten des Verfahrens dem FA auf.

In seinem Gesuch um Kostenfestsetzung ging der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin von einem nach der tatsächlichen steuerlichen Auswirkung bemessenen Streitwert in Höhe von 74 815 DM aus. Demgegenüber war das FA unter Bezugnahme auf die Urteile des BFH vom 15. November 1960 I 86/60 (BB 1960, 1373) und vom 28. Februar 1961 I 320/60 S (BFHE 72, 540, BStBl III 1961, 196) der Ansicht, daß der Streitwert nur 10 v. H. des streitigen Gewinns von 135 016 DM, also 13 501 DM betragen müsse.

Dem folgte das FG in dem Beschluß vom 22. Dezember 1971 VI E 41/70 (EFG 1972, 193) mit dem es den Streitwert auf 13 500 DM festsetzte. Für die Streitwertberechnung sei das Interesse der Klägerin am Obsiegen, d. h. die unmittelbare finanzielle Auswirkung der erstrebten Entscheidung, maßgebend. Dieses sei bei einem Rechtsstreit, der ausschließlich die Gewinnverteilung zum Gegenstand habe, anders einzuschätzen als bei einem Rechtsstreit, der um die Höhe des Gewinns geführt werde, und könne nur mit 10 v. H. der streitigen Gewinnverteilung angesetzt werden. Werde um die Höhe des Gewinns gestritten, so führe eine Bestätigung oder Ermäßigung des Gewinns zu einer sich an dieser Gewinnfeststellung orientierenden Steuerfestsetzung. In diesen Fällen vom Regelsatz von 25 v. H. bei der Feststellung eines laufenden Gewinns bis zu 15 000 DM auszugehen, sei im Hinblick auf die von der Gewinnfeststellung abhängigen Steuern gerechtfertigt. Anders sei es dagegen, wenn es lediglich um die Verteilung eines unbestrittenen Gewinns gehe. Dann führe nämlich die Minderung des Gewinnanteils eines oder mehrerer Gesellschafter notwendig zu höheren Gewinnzuweisungen bei den übrigen Gesellschaftern. Das wirtschaftliche Interesse der Klägerin bestehe nicht in der - wenn auch im Folgeverfahren erst verwirklichten - Besteuerung eines geringeren Gewinns, sondern nur in dem sich aus dem progressiven Steuersatz ergebenden geringeren Steuerbetrag. Auf diese Erwägungen habe auch der BFH seine Urteile I 320/60 S, und vom 26. Juni 1962 I 227/61 U (BFHE 75, 380, BStBl III 1962, 404) gestützt. Diese Entscheidungen beträfen zwar steuerrechtliche Fragen aus dem Verhältnis von Ehegatten. Das sei aber keine Besonderheit dieser Urteile; denn steuerrechtlich seien Ehegatten bei der Frage der Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses oder der Mitunternehmereigenschaft wie fremde Dritte zu behandeln.

Mit seiner gegen diese Entscheidung gerichteten Beschwerde beantragt der Bevollmächtigte der Klägerin (Beschwerdeführer), den Streitwert anderweit, mindestens aber auf (30 v. H. von 135 016 DM = rd) 40 500 DM festzusetzen.

Er meint, die vom FG angeführten beiden Urteile des BFH könnten hier nicht gelten, da sie die Aufteilung des Gewinns unter Ehegatten beträfen, bei denen der BFH besondere Gesichtspunkte berücksichtigt habe. Die Anwendung des aus Billigkeitsgründen ausnahmsweise für die Ehegattenbesteuerung genannten Satzes von 10 v. H. würde hier zu einem falschen Ergebnis führen und willkürlich sein. Maßgebend müsse das Interesse der Klägerin am Obsiegen sein, das er - der Beschwerdeführer - auf 74 815 DM errechnet habe. Da die Veranlagungen zu den Ertragsteuern selbst nur eine notwendige Auswirkung des Feststellungsbescheides seien, müsse der Streitwert auf diese streitige Steuerdifferenz festgesetzt werden. Wenn aber gleichwohl daran festgehalten werden solle, daß der Streitwert nur nach einem Prozentsatz des streitigen Gewinnanteils festzusetzen sei, so sei mindestens der in der Rechtsprechung des BFH behandelte Höchstsatz von 30 v. H. anzusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde des Bevollmächtigten, eines Rechtsanwalts, ist statthaft (vgl. § 9 Abs. 2 BRAGebO; BFH-Beschluß vom 19. Dezember 1969 III B 30/69, BFHE 98, 125, BStBl II 1970, 324).

Die Beschwerde hat zum Teil Erfolg.

I. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. z. B. den Beschluß vom 25. August 1966 IV 3/64, BFHE 86, 569, BStBl III 1966, 611, mit Nachweisen) ist im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung der Streitwert nach den vermutlichen einkommensteuerlichen Auswirkungen zu schätzen. Dabei ist, um das Verfahren zu vereinfachen und insbesondere schwierige und oft nicht ohne Verletzung des Steuergeheimnisses durchführbare Berechnungen der einkommensteuerlichen Auswirkungen bei den betroffenen Gesellschaftern auszuschließen, anzunehmen, daß diese Auswirkungen in der Regel 25 % des streitigen Teils des Gewinns ausmachen. Bei höheren Gewinnanteilen ist wegen des progressiven Einkommensteuertarifs eine höhere einkommensteuerliche Auswirkung zu erwarten und daher der Satz von 25 % angemessen zu erhöhen.

II. Grundsätzlich muß eine solche Schätzung mit einem Prozentsatz des streitigen Gewinnbetrages auch dann erfolgen, wenn nicht die Höhe des Gewinns, sondern lediglich seine Verteilung streitig ist. Auch dann stehen einer genauen Ermittlung dieselben Schwierigkeiten entgegen, die den BFH zu der geschilderten Rechtsprechung veranlaßt haben. Denn die einkommensteuerliche Auswirkung kann ohne ein Eindringen in die Einzelveranlagung der betroffenen Gesellschafter nicht genau festgestellt werden; sie ist also zu schätzen; und die Schätzung kann nur so erfolgen, daß der streitige Gewinnbetrag und die daraus resultierende steuerliche Belastung nach einem Prozentsatz des streitigen Gewinns ermittelt werden.

Damit kann aber der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde insoweit keinen Erfolg haben, als er auf die tatsächlichen einkommensteuerlichen Auswirkungen abstellen will.

Erfolg muß die Beschwerde dagegen haben, soweit der Ansatz eines höheren Prozentsatzes, als vom FG angenommen, beantragt ist. Der Senat bemißt diesen Satz auf 25 %, und zwar aus den folgenden Gründen.

1. Das FG ist mit Recht davon ausgegangen, daß es bei einem Streit um die Gewinnverteilung unter Gesellschaftern in Wirklichkeit darum geht, Progressionsvorteile bei der Einkommensbesteuerung zu erzielen, weil der Minderung des Gewinns bei einem Gesellschafter notwendigerweise eine entsprechende Erhöhung des Gewinns bei einem anderen Gesellschafter oder anderen Gesellschaftern gegenübersteht, so daß im Endergebnis von allen Gesellschaftern zusammen derselbe Einkommensteuerbetrag - vermindert um die Auswirkungen der Progression - gezahlt wird.

Die Ermittlung der Höhe solcher Progressionsvorteile bietet erhebliche Schwierigkeiten, die - wie bereits ausgeführt - nicht ohne ein Eindringen in die Einzelveranlagungen der Gesellschafter behoben werden können. Die sonst übliche Schätzung nach der Höhe des Gewinnanteils der betroffenen Gesellschafter, nach der sich die jeweilige Einkommensteuerprogression richtet, würde zu falschen Ergebnissen führen. Denn die Höhe der steuerlichen Auswirkung auf die Gesamtheit der Gesellschafter hängt nicht nur von der Höhe des Gewinnanteils des abgebenden Gesellschafters, sondern auch von der Höhe des sonstigen Einkommens des empfangenden Gesellschafters ab, also von einer Größe, die gerade unbekannt ist. Die Gesamtsteuerlast der Gesellschafter mindert sich am stärksten, wenn der Gesellschafter, dem der Gewinnanteil zugeteilt werden soll, negative Einkünfte hat. Sind diese negativen Einkünfte gleichhoch wie der dem Gesellschafter zuzuteilende Gewinnanteil (oder höher), so wirkt sich auch im Gesamtergebnis der beim abgebenden Gesellschafter erzielte Vorteil voll aus, und zwar möglicherweise bis zum höchsten Progressionssatz. Hat andererseits der empfangende Gesellschafter hohe Einkünfte, so wirkt sich die Verlagerung kaum oder gar nicht aus.

Derartige Extremfälle werden allerdings selten sein. In der Regel ist davon auszugehen, daß auch die empfangenden Gesellschafter positive Einkünfte haben, so daß sich der Progressionsvorteil auf einer mittleren Linie halten wird, d. h. etwa auf dem Niveau von 25 %, das auch sonst bei der einheitlichen Gewinnfeststellung der Streitwertfestsetzung zugrunde gelegt wird.

Eine Erhöhung dieses Prozentsatzes kommt wegen des dargelegten Fehlens aller Anhaltspunkte für eine differenziertere Schätzung nicht in Betracht.

2. Der Senat hält es andererseits nicht für richtig, den Satz von 25 % zu unterschreiten. Der vom FG (übrigens in Übereinstimmung mit dem rechtskräftigen Urteil des FG Düsseldorf vom 17. Oktober 1962 II 5/62 F, EFG 1963, 325) angewendete Satz von 10 % läßt sich nicht durch Heranziehung der o. a. BFH-Urteile I 320/60 S und I 227/61 U rechtfertigen. Der I. Senat des BFH hatte einen solchen Satz für richtig gehalten, als es sich darum handelte, ob ein Gewinn nur einem Ehegatten zugerechnet oder auf beide Ehegatten aufgeteilt werden mußte. Er hatte in dem ersten dieser Fälle auf die Besonderheiten des Gesellschaftsverhältnisses unter Ehegatten abgestellt, nämlich auf die Unübersichtlichkeit der Rechtslage, die Veranlassung dazu gebe, einen Rechtsbehelf einzulegen, der dann nicht unnötig verteuert werden solle, auf die Wahlmöglichkeit zwischen getrennter Veranlagung und Zusammenveranlagung und auf die wirtschaftliche Gemeinschaft der Ehegatten. Da das Argument der Unübersichtlichkeit der Rechtsprechung heute nicht mehr angeführt werden kann und auch die Frage der getrennten oder der Zusammenveranlagung wegen der Möglichkeit des Splittings keine besondere Rolle mehr spielt, bleibt, wie der I. Senat in dem späteren Urteil I 227/61 U bereits darlegte, nur der Gedanke übrig, daß angesichts der Gemeinsamkeit der Lebensführung von Ehegatten ihnen letztlich doch alle Einkünfte zugute kommen und es sich daher bei einem Streit um die Gewinnverteilung in der Tat nur um das dieser Gemeinschaft wieder zugute kommende Erlangen von Progressionsvorteilen handelt. Diese Besonderheit ist bei Gesellschaftern, die nicht Ehegatten sind und von denen jeder jeweils für sich die Auswirkungen einer abweichenden Gewinnverteilung zu tragen hat, nicht gegeben. Der VI. Senat des BFH hat mit Recht die Fälle der Ehegattenmitunternehmerschaft ausdrücklich als Sonderfälle bezeichnet (vgl. die Urteile vom 21. Juni 1963 VI 224/62, HFR 1963, 427, und vom 6. November 1964 VI 210/63 U, BFHE 81, 147, BStBl III 1965, 52).

3. Der Senat befindet sich auch im übrigen in Einklang mit der Rechtsprechung des VI. Senats des BFH der - allerdings ohne nähere Begründung - in dem genannten Urteil VI 210/63 U in einem dem hier vorliegenden vergleichbaren Falle den Prozentsatz von 25 v. H. nicht erhöhte, obschon Gewinnanteile von mehr als 15 000 DM vorlagen.

III. Der Streitwert war mithin unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses auf 25 % von 135 016 DM = 33 754 DM festzusetzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70641

BStBl II 1974, 138

BFHE 1974, 487

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