Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluß der Gesamtbürgschaft im Versandverfahren

 

Leitsatz (NV)

1. Die Untersagung des Gebrauchs der Gesamtbürgschaft als Versandsicherheit -- hier: für externe Versandverfahren mit Bananen -- ist ein der Aussetzung der Vollziehung zugänglicher Verwaltungsakt (zollrechtliche Entscheidung im gemeinschaftsrechtlichen Sinne).

2. Gegen die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses von der Inanspruchnahme der Gesamtbürgschaft für externe Versandverfahren mit Bananen (1.) bestehen keine begründeten Zweifel.

 

Normenkette

AO § 118 S. 1; ZK Art. 9 Abs. 1, Art. 4 Nr. 15, Art. 94 Abs. 1, Art. 244; FGO § 69 Abs. 3; ZKDV Art. 359, 360 Abs. 1 a. F

 

Tatbestand

Der Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin), die als Zollspediteur Zollabfertigungen für insbesondere im Geschäft mit Bananen tätige Fruchthandelsunternehmen vornehmen läßt, ist die Inanspruchnahme der Gesamtbürgschaft als Sicherheit für externe Versandverfahren bewilligt. In Ausführung eines Ministerialerlasses vom 20. Februar 1996 (Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung -- VSF -- N 14 96 Nr. 88), der aufgrund der mit Entscheidung der Kommission vom 20. Dezember 1995 zur Annahme besonderer Maßnahmen zur zeitweiligen Untersagung der Gesamtbürgschaft für bestimmte gemeinschaftliche Versandverfahren (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften -- ABlEG -- 1996 Nr. L 10/44) erteilten Zustimmung ergangen war, untersagte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Hauptzollamt -- HZA --) der Antragstellerin den Gebrauch der Gesamtbürgschaft für Versandverfahren u. a. für Bananen -- Nichtgemeinschaftswaren -- in größeren Mengen als 4 000 kg mit Wirkung ab ... .

Die Antragstellerin legte hiergegen Einspruch ein, über den noch nicht entschieden ist, und beantragte zugleich die Aussetzung der Vollziehung. Das Finanzgericht (FG) gab dem Antrag teilweise statt, indem es die Vollziehung der Teilwiderrufsverfügung vom ... bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) über diesem gemäß dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 730 abgedruckten Beschluß vom 19. Mai 1995 IV 119/95 H vorgelegte Fragen, längstens bis zur Bestandskraft der angefochtenen Entscheidung, ohne Sicherheitsleistung insoweit aussetzte, "als Nichtgemeinschaftsbananen ... , für die eine Sicherheitsleistung für die Eingangsabgaben berechnet auf der Basis des Kontingentzollsatzes in Form einer Einzelbürgschaft geleistet wird, von der Gesamtbürgschaft im externen gemeinschaftlichen Versandverfahren ausgeschlossen werden". Im übrigen wurde der Aussetzungsantrag abgelehnt und das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH über die vorbezeichneten Vorlagefragen ausgesetzt. Zur Begründung führte das FG aus, im Umfang der beschlossenen Vollziehungsaussetzung beständen begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung. Diese habe einen vollziehbaren Inhalt, da sie die Aufhebung einer positiven Regelung enthalte. Zwar sei es wegen des gegebenen Betrugsrisikos grundsätzlich gerechtfertigt, daß Einzelbürgschaften für die Durchführung von Versandverfahren mit Drittlandsbananen gefordert würden. Begründete Zweifel beständen aber insoweit, als Drittlandsbananen vollen Umfangs aus dem System der Gesamtbürgschaft ausgeschlossen und nunmehr Einzelbürgschaften für die Eingangsabgaben, berechnet auf Grundlage des Regelzollsatzes von 822 ECU/t, der rechtlichen Bedenken begegne (FG in EFG 1995, 730; Senat, Beschluß vom 9. Januar 1996 VII B 225/95, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -- HFR -- 1996, 207), verlangt würden. In Höhe des Kontingentzollsatzes von 75 ECU/t könnten dagegen Einzelbürgschaften verlangt werden.

Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde wendet sich das HZA gegen die Vorentscheidung. Es trägt vor, der angefochtene Ver waltungsakt enthalte zur Höhe und zur Berechnungsweise der erforderlichen Sicherheit keine speziellen Regelungen, sondern verweise bezüglich weiterer Einzelheiten lediglich auf VSF N 14 96 Nr. 88. Der allein verfügte Ausschluß der Antragstellerin vom System der Gesamtbürgschaft werde auch vom FG für rechtmäßig gehalten. Es sei Sache der Abfertigungszollstellen, die Einzelsicherheit zu berechnen und anzufordern; insoweit sei das HZA der unzutreffende Antragsgegner. Im übrigen sei die vom FG beschlossene Beschränkung praktisch nicht durchführbar. Der Charakter des gemeinschaftlichen Versandverfahrens erfordere ein in allen Mitgliedstaaten einheitliches Vorgehen und eine Berechnung der Sicherheit nach dem einheitlichen Maßstab des Drittlandzollsatzes von z. Zt. 822 ECU/t. Ferner müsse bei der Bemessung von dem größtmöglichen Risiko -- Anwendung dieses Zollsatzes -- ausgegangen werden.

Das HZA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben -- sinngemäß: im Umfang der Stattgabe -- und den Antrag (im übrigen) abzu lehnen, ferner, gemäß § 131 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO), zu bestimmen, daß die Vollziehung der Vorentscheidung ausgesetzt werde.

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und den mit ihr verbundenen Antrag abzulehnen.

Sie macht Ausführungen zur Frage der Anwendbarkeit der Bananenmarktordnung und der Beurteilungskompetenz.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit dem Antrag stattgegeben worden ist, und zur Ablehnung des Aussetzungsantrags auch insoweit. Die Aussetzungsvoraussetzungen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 und 2 FGO i. V. m. Art. 244 Unterabs. 2 des Zollkodex -- ZK --; zur Rechtsgrundlage Senat, Beschluß vom 22. November 1994 VII B 140/94, BFHE 176, 170, 172 f.) sind entgegen der Ansicht des FG nicht gegeben. Bei summarischer Beurteilung verneint der Senat das Vorliegen begründeter Zweifel an der Rechtmäßigkeit der durch Einspruch angefochtenen Untersagungsverfügung.

Die Vorentscheidung ist -- in ihrem stattgebenden Teil -- mißverständlich. Indem sie die entsprechende Untersagung suspendiert, gestattet sie mittelbar die Inanspruchnahme der Gesamtbürgschaft für Versandverfahren mit Waren, für die (in bestimmter Höhe) Einzelsicherheit geleistet wird. Im Versandverfahren kommt jedoch entweder die Verwendung einer Gesamt- oder einer Einzelbürgschaft in Betracht (Art. 359 Abs. 2 der Zollkodex-Durchführungsverordnung -- ZKDVO --). Erstere ist bei einer "Stelle der Bürgschaftsleistung", letztere bei der Abgangsstelle zu erbringen (Art. 360 Abs. 2, Art. 373 Abs. 1 ZKDVO). Das HZA hat in Ausführung der Weisungen in VSF N 14 96 den Ausschluß von der Gesamtbürgschaft verfügt und im übrigen lediglich nachrichtlich auf den bezeichneten Ministerialerlaß und die darin angesprochenen Folgen (u. a. Einzelsicherheit in voller Höhe) verwiesen. Eine Regelung über die Höhe der Einzelsicherheit hat es damit nicht getroffen und, da nicht Abgangsstelle, auch nicht treffen können. Hätte die Vorinstanz (auch) eine solche Regelung ausgesetzt, so ginge die Entscheidung ins Leere und wäre schon deshalb aufzuheben.

Der Senat versteht jedoch die Vorentscheidung dahin, daß mit ihr, dem erstinstanz lichen Begehren der Antragstellerin entsprechend, die Suspensivwirkung des Einspruchs gegen die Untersagung der Inanspruchnahme der Gesamtbürgschaft -- teilweise -- hergestellt werden soll. Insoweit liegt, wie vom FG richtig entschieden, eine der Vollziehungsaussetzung zugängliche Regelung vor (Teilwiderruf, damit Entscheidung, Art. 9 Abs. 1, Art. 4 Nr. 15 ZK, bzw. Verwaltungsakt, vgl. hierzu etwa Senatsurteil vom 5. September 1989 VII R 39/87, BFHE 158, 182, 184 -- Bestimmung der Höhe der Versandsicherheit --). Diese Regelung ist aber nach Auffassung des Senats nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage der getroffenen Regelung ist Art. 360 Abs. 1 ZKDVO (i. d. F. der Änderungsverordnung (EG) Nr. 3254/94 der Kommission vom 19. Dezember 1994, ABlEG Nr. L 346/1). Nach dieser Vorschrift ergreifen die Zollverwaltungen der Mitgliedstaaten in Übereinstimmung mit der Kommission geeignete Maßnahmen zur zeitweiligen Untersagung der Inanspruchnahme der Gesamtbürgschaft, wenn bei externen gemeinschaftlichen Versandverfahren mit Waren, für die eine besondere Mitteilung ergangen ist, ein außergewöhnliches Betrugsrisiko besteht. Die Voraussetzungen für ein entsprechendes Tätigwerden -- die gemäß der innerdienstlichen Weisung an das HZA (VSF N 14 96) ausgesprochene Untersagung -- liegen vor (Kommissionsentscheidung vom 20. Dezember 1995 mit Erwägungsgründen). Die inzwischen erfolgte Neufassung von Art. 360 ZKDVO berührt den Bestand der Untersagung nicht (vgl. auch Art. 2 der Änderungsverordnung (EG) Nr. 482/96 der Kommission vom 19. März 1996, ABlEG Nr. L 70/4). Zweifel an der Gültigkeit des zugrundeliegenden Gemeinschaftsrechts oder an der Eignung des verfügten Ausschlusses von der Inanspruchnahme der Gesamtbürgschaft zur Erreichung des vorgegebenen Zwecks bestehen nicht. Letzteres gilt unbeschadet der Bedenken, die der Senat -- bei übrigens nur summarischer Prüfung -- an der Anwendbarkeit des hohen Bananenzolls in Deutschland geäußert hat (in VII B 225/95; vgl. dazu Anmerkung in HFR 1996, 209). Die Frage, in welcher Höhe der Zoll letztlich anzuwenden ist, steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Art der Sicherheitsleistung für externe Versandverfahren mit Bananen (Nichtgemeinschaftswaren). Nur die Höhe der Sicherheit (Bürgschaftssumme) hängt von dem Zollsatz ab. Solange aber nicht als feststehend gelten kann, in welcher Höhe dieser anzuwenden ist, wäre es -- worüber hier nicht zu entscheiden ist -- nicht zu beanstanden, wenn die Sicherheit unter Berücksichtigung der "gegebenenfalls" entstehenden Abgaben -- hier: des vollen Zolls nach der Bananenmarktordnung -- bemessen wird (vgl. Art. 94 Abs. 1 ZK). Darüber hinaus wären die im Zusammenhang mit der Höhe des anwendbaren Zollsatzes im innerstaat lichen Bereich -- vorläufig -- erkannten Zweifel aus einem weiteren Grunde nicht geeignet, die Höhe oder gar die Art der Versandsicherheit zu beeinflussen. Die Versandsicherheit ist, wie das HZA zutreffend hervorhebt, in der gesamten Gemeinschaft gültig (Art. 359 Abs. 1 ZKDVO). Sie muß mithin so gestaltet, insbesondere bemessen sein, daß sie in jedem Mitgliedstaat die ggf. entstehenden Abgaben abdeckt, unabhängig davon, ob aufgrund der verfassungsrechtlichen Lage in einem Mitgliedstaat die Anwendbarkeit des gemeinschaftsrechtlich vorgeschriebenen Zollsatzes teilweise zweifelhaft erscheint. Die entsprechende Bemessung hat sich daher nach dem vollen Drittlandszoll zu richten.

Es ist schließlich nicht ersichtlich, daß die Kommission bei Erteilung ihrer Zustimmung zur Untersagung von unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen wäre. Das FG erkennt selbst an -- ohne freilich die volle Konsequenz aus dieser Einsicht zu ziehen --, daß wegen der sich häufenden Betrugsfälle u. a. mit Bananen im Rahmen des externen gemeinschaftlichen Versandverfahrens die Herausnahme aus dem System der Gesamtbürgschaft und die Leistung jeweils einer Einzelsicherheit für den Versand erforderlich ist. Die Antragstellerin hat insoweit keine gegenteiligen Gesichtspunkte vorgetragen.

Mit der hiernach gebotenen Aufhebung der stattgebenden Vorentscheidung und der Ablehnung des Antrags auch im übrigen erledigt sich das Verfahren insgesamt, damit auch die vom FG beschlossene Aussetzung bis zu einer Entscheidung des EuGH im FG-Verfahren IV 119/95 H. Ebenfalls erledigt sich der vom HZA gestellte Antrag nach § 131 Abs. 1 Satz 2 FGO. Auf Bedenken, die gegen ihn bestehen könnten (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl. 1993, § 131 Anm. 4), ist nicht einzugehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421728

BFH/NV 1997, 83

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge