Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerfreiheit im Inland nach NATO-Truppenstatut

 

Leitsatz (NV)

1. Es entspricht der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, daß Mitglieder fremder NATO-Truppen im Inland nur dann keinen Wohnsitz und keinen gewöhnlichen Aufenthalt haben, wenn sie sich nur in dieser Eigenschaft im Inland aufhalten.

2. Das NATOTrStat ist von den jeweils dazu berufenen Behörden bzw. Gerichten eigenverantwortlich aus sich heraus auszulegen.

 

Normenkette

NATOTrStat Art. X Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen.

1. Materiell-rechtlich entspricht es der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, daß die Mitglieder fremder NATO- Truppen und ihr ziviles Gefolge im Inland wegen Art. X Abs. 1 Satz 1 des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen vom 19. Juni 1951 -- NATOTrStat -- (BGBl II 1961, 1190) keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, wenn sie sich nur in dieser Eigenschaft im Inland aufhalten (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 24. Februar 1988 I R 69/84, BFHE 153, 30, BStBl II 1989, 290; vom 24. Februar 1988 I R 121/84, BFH/NV 1988, 632; vom 26. April 1991 III R 104/89, BFH/NV 1992, 373; Beschluß vom 24. Januar 1990 I B 58/89, BFH/NV 1990, 488). Die Wirkung der Regelung ist auf die Zeitabschnitte begrenzt, in denen die Anwesenheit allein auf dem Umstand der Mitgliedschaft bei einer NATO-Truppe oder ihrem zivilen Gefolge beruht (vgl. Hessisches Finanzgericht -- FG --, Urteil vom 22. Juni 1981 IV 301/80, Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1982, 192). Ob der Aufenthalt auf dem Umstand der Mitgliedschaft bei einer NATO-Truppe oder einem zivilen Gefolge beruht, ist im wesentlichen eine Frage tatsächlicher Art, die von der zuständigen Finanzbehörde bzw. dem FG zu beantworten ist (vgl. BFH in BFHE 153, 30, BStBl II 1989, 290; Urteil vom 24. Februar 1988 I R 70/84, nicht veröffentlicht -- NV --). Insoweit kommt unmittelbar nur das NATOTrStat und nicht etwa US-amerikanisches Besatzungsrecht zur Anwendung. Auf die Erteilung einer anders lautenden Bescheinigung durch die jeweilige NATO-Truppe kommt es nicht an.

2. a) Das FG ist in der Vorentscheidung von dieser Rechtslage ausgegangen. Gerade deshalb hatte es keine Veranlassung, ein Sachverständigengutachten darüber einzuholen, ob der Erblasser bis zu seinem Tode Mitglied der US-NATO-Truppe war. Auf diese Frage kam es nach der Rechtsauffassung des FG nicht an. Ebensowenig hatte das FG Veranlassung, ein Rechtsgutachten über US-amerikanisches Besatzungsrecht einzuholen. Auf der Grundlage seiner zutreffenden Rechtsauffassung hatte das FG nur das NATOTrStat als solches, nicht aber US-amerikanisches Besatzungsrecht auszulegen. Das NATOTrStat war nach seiner gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen (vgl. Art. 31 Abs. 1 WÜRV).

b) Das FG hat in der Vorentscheidung auch keine "privaten Gründe" unterstellt. Es hat sich vielmehr bei seiner Beurteilung auf die "eigenen Angaben" des Erblassers gestützt.

c) Das FG hatte -- ausgehend von seiner Rechtsauffassung im übrigen -- auch keine Veranlassung, Vorschriften der Alliierten Kommandatura zu beachten. Diese Vorschriften finden auf nichtdeutsche Personen nur dann Anwendung, wenn ihre Anwesenheit in Berlin von der Alliierten Kommandatura oder dem Kommandanten eines der Sektoren als notwendig für die Besatzungszwecke bestätigt wird. Weder der Erblasser noch der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) legten im Streitfall eine entsprechende Bestätigung für die Zeit ab dem Jahre 1957 vor. Sie legten nicht einmal die Notwendigkeit der Anwesenheit des Erblassers in Berlin für Besatzungszwecke dar. Bei dieser Sachlage durfte das FG von dem Regelfall ausgehen, daß eine Person, die keine Bezüge von einer fremden NATO-Truppe erhält und die auch nicht zu dem zivilen Gefolge zählt, sich aus persönlichen Gründen im Inland aufhält, wenn sie hier eine Beratungstätigkeit ausübt und ihr Vermögen verwaltet.

d) Ein Verfahrensfehler ist auch insoweit zu verneinen, als das FG die Strafakten des Landgerichts nicht zum Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens gemacht haben soll. Das FG hat nicht die Strafakten beigezogen. Es hat nur das Urteil des Landgerichts vom 23. Februar 1989 ausgewertet. Dieses Urteil wurde vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) mit Schriftsatz vom 6. Oktober 1989 in den Rechtsstreit eingeführt. Der Kläger hatte Gelegenheit, sowohl zu der Urteilsvorlage als auch zu dem Urteilsinhalt Stellung zu nehmen. Damit war der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör gewahrt. Das FG ist seinen Verpflichtungen aus §§ 71, 78 und 79 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nachgekommen.

e) Schließlich hat auch an der Vorentscheidung kein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung seines Richteramtes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt worden war (§ 51 Abs. 1 und 2 FGO, §§ 8 ff. DRiG, §§ 41, 47 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --). Im Sreitfall kommt als Ausschließungsgrund nur ein solcher i. S. des § 51 Abs. 2 FGO in Betracht. Die Vorschrift greift jedoch nicht durch, weil der Vorsitzende Richter am FG X nicht in dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren tätig war. Die Tätigkeit des Richters betraf Verwaltungsentscheidungen, die außerhalb des Besteuerungsverfahrens ergingen und mit der Besteuerung des Erblassers für die Zeit ab dem Jahre 1957 nichts zu tun hatten. Im übrigen folgt für den Streitfall im Umkehrschluß aus § 47 ZPO, daß der Vorsitzende Richter am FG X schon deshalb an der Vorentscheidung mitwirken mußte, weil der Kläger damals noch keinen Antrag auf Ablehnung des Richters wegen Befangenheit gestellt hatte. Bei dieser Sachlage ist dem Kläger nur der Weg über die Nichtigkeitsklage gemäß § 134 FGO i. V. m. § 579 Nr. 2 oder 3 ZPO eröffnet, falls seine Beschwerde wegen Ablehnung des Richters Erfolg haben sollte.

3. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung.

a) Es entspricht schon der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BFH in BFHE 153, 30, BStBl II 1989, 290) und ist letztlich eine Selbstverständlichkeit, daß das NATOTrStat von den jeweils dazu berufenen Behörden bzw. Gerichten eigenverantwortlich aus sich heraus auszulegen ist. Im übrigen ergibt sich nur aus Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat, ob und wann Mitglieder fremder NATO-Truppen im Inland unbeschränkt steuerpflichtig sind. Dies ist keine Frage der Anwendung von US- amerikanischem Besatzungsrecht. Diese Rechtsfrage bedarf keiner weiteren Klärung.

b) Es entspricht auch der höchstrichterlichen Rechtsprechung, daß das Mitglied einer fremden NATO-Truppe sich in anderer Eigenschaft im Inland aufhalten und deshalb unbeschränkt steuerpflichtig sein kann (vgl. BFH in BFHE 153, 30, BStBl II 1989, 290; in BFH/NV 1988, 632; in BFH/NV 1990, 488; in BFH/NV 1992, 373). Auch insoweit fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage.

 

Fundstellen

BFH/NV 1995, 735

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