Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiederaufnahme des Verfahrens gegen einen NZB-Beschluß

 

Leitsatz (NV)

1. Der zum ursprünglichen Verfahren Beigeladene ist ohne weiteres auch Beteiligter des Wiederaufnahmeverfahrens. Ist der Beigeladene vor Anhängigkeit des Wiederaufnahmeantrags verstorben, so geht die Beteiligtenstellung auf seinen Rechtsnachfolger über.

2. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 134 FGO kann auch gegen einen Beschluß, der über eine Nichtzulassungsbeschwerde entscheidet, gerichtet werden.

 

Normenkette

FGO §§ 122, 134

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) wies mit Urteil vom 15. September 1986 die Klage der Klägerin und Antragstellerin (Antragstellerin) gegen den Beklagten und Antragsgegner (Finanzamt - FA -) wegen Körperschaftsteuerbescheid 1978 ab. Das FG hatte dazu den X beigeladen.

Mit Beschluß vom 11. November 1987 I B . . . wies der erkennende Senat die Beschwerde der Antragstellerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des FG als unbegründet zurück. Der Beschluß wurde am 21. Januar 1988 per Einschreiben zur Post gegeben. Der Beigeladene hatte im Beschwerdeverfahren einen Antrag gestellt und dafür eine Vollmacht vorgelegt, in der er seinen Prozeßbevollmächtigten, den Steuerberater H, zu allen für das Beschwerdeverfahren erforderlichen Rechtshandlungen ermächtigte.

Im August 1988 verstarb der Beigeladene. Der über seinen Nachlaß eröffnete Konkurs wurde im August 1989 beendet.

Mit Schriftsatz vom 1. Dezember 1989, beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen am 5. Dezember 1989, hat die Antragstellerin ,,Klage auf Wiederaufnahme des Beschwerdeverfahrens wegen Nichtzulassung der Revision lt. Beschluß vom 11. 11. 1987 Az I B . . . erhoben.

 

Entscheidungsgründe

Der Wiederaufnahmeantrag der Antragstellerin ist unzulässig.

1. Der Tod des Beigeladenen X hindert den erkennenden Senat nicht an der Entscheidung. Dadurch ist das Verfahren nicht unterbrochen worden.

Der Beigeladene bzw. sein(e) Rechtsnachfolger sind Beteiligte des Wiederaufnahmeverfahrens, da sie am wiederaufzunehmenden Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde der Antragstellerin beteiligt waren (vgl. § 122 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Beteiligtenstellung endet zwar mit dem rechtskräftigen Abschluß dieses Verfahrens. Jedoch lebt die Stellung des Beigeladenen als Verfahrensbeteiligter wieder auf, wenn die Wiederaufnahme des ursprünglichen Verfahrens beantragt wird, an dem der Beigeladene beteiligt war, da die Entscheidung auch ihm gegenüber rechtliche Wirkung entfaltet hat (vgl. § 110 Abs. 1 FGO; Gräber / von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., 1987, § 134 Rdnr. 2; Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 134 FGO Tz. 2; Eyermann / Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 9. Aufl., 1988, § 66 Rdnr. 4, m. w. N.). Es ist dafür unerheblich, daß der Beigeladene vor Anhängigkeit des Wiederaufnahmeantrags verstorben ist. Die Beteiligtenstellung geht in diesem Fall auf seine(n) Rechtsnachfolger über.

Durch den Tod des Beigeladenen tritt schon deshalb keine Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 155 FGO, § 239 der Zivilprozeßordnung (ZPO) ein, weil dieser im wiederaufzunehmenden Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war (§ 155 FGO, § 246 ZPO). Dessen Vollmacht wirkt auch im Steuerprozeß über den Tod hinaus (§ 155 FGO, § 86 ZPO) und ermächtigt zu den Prozeßhandlungen, die durch eine Wiederaufnahme des Verfahrens veranlaßt werden, wofür sie erteilt worden war (§ 155 FGO, § 81 ZPO). Die Vollmacht erstreckt sich ihrem Wortlaut nach auf alle für das Beschwerdeverfahren erforderlichen Rechtshandlungen und damit auch auf solche, die anläßlich der Wiederaufnahme dieses Verfahrens erforderlich sind. Im übrigen hätte die Wiederaufnahme nicht nach außen wirksam von der Prozeßvollmacht ausgenommen werden können, da im Verfahren vor dem BFH eine Vertretung durch Anwälte geboten ist (vgl. § 83 Abs. 2 ZPO und Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG -).

Die durch die Eröffnung des Konkursverfahrens über den Nachlaß des Beigeladenen möglicherweise eingetretene Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 240 ZPO (vgl. Thomas / Putzo, Zivilprozeßordnung, Kommentar, § 240 Anm. 2 a) war jedenfalls am . . . August 1989 beendet.

2. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 134 FGO kann auch gegen einen Beschluß, der über eine Nichtzulassungsbeschwerde entscheidet, gerichtet werden, da er das Verfahren rechtskräftig beendet (BFH-Beschluß vom 7. November 1969 III K 1/69, BFHE 97, 502, BStBl II 1970, 216). Die Antragstellerin stellt damit ausschließlich auf Wiedereinsetzungsgründe ab, über die der BFH in diesem Verfahren verfügen konnte bzw. die das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde betreffen.

Die durch einen berufsmäßigen Prozeßbevollmächtigten vertretene Antragstellerin hat auch ausdrücklich ihren Antrag gegen den Beschluß des Senats vom 11. November 1987 wegen Nichtzulassung der Revision gerichtet. Über diesen Antrag ist allerdings nicht - wie die Antragstellerin meint - im Klageverfahren und damit durch Urteil, sondern durch Beschluß zu entscheiden (BFH in BFHE 97, 502, BStBl II 1970, 216; Tipke / Kruse, a. a. O., § 134 FGO Tz. 20, m. w. N.).

3. Die Antragsschrift enthält zwar entgegen § 134 FGO, § 587 ZPO nicht die Erklärung, ob ein Nichtigkeits- oder Restitutionsantrag erhoben wird. Es ergibt sich aber schlüssig aus dem Vorbringen der Antragstellerin, daß sie einen Restitutionsantrag stellt. Dies reicht für die Zulässigkeit des Antrags aus.

Das Vorbringen, die Aussage des Zeugen Y werde durch die des Zeugen Z widerlegt, zielt auf den Restitutionsgrund des § 580 Nr. 3 ZPO (s. dazu nachfolgend 4 a). Der Vortrag, erst in 1988 sei ein Schreiben von Frau Y aufgetaucht, wonach sie entschädigungslos aus der Antragstellerin ausgeschieden sei, hebt auf den Anfechtungsgrund des § 580 Nr. 7 b ZPO ab (nachfolgend 4 b). Hingegen entspricht das Vorbringen, eine Rechtsfrage sei steuerrechtlich bisher noch nicht entschieden worden, keinem gesetzlich zulässigen Wiederaufnahmegrund. Insoweit besteht auch keine Gesetzeslücke, die der Senat im Wege der von der Antragstellerin beantragten Rechtsfortbildung ausfüllen könnte.

4. Die beiden von der Antragstellerin geltend gemachten Resitutionsgründe sind unzulässig erhoben.

a) Nach § 134 FGO, §§ 580 Nr. 3, 581 ZPO ist ein Restitutionsantrag zulässig, wenn wegen der Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweisen nicht erfolgen kann. Der Zeuge Y ist nicht wegen uneidlicher Falschaussage rechtskräftig verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hat vielmehr - wie sich aus dem vom FA übermittelten Urteil des FG ergibt -, das Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Damit fehlt es an einer Zulässigkeitsvoraussetzung für einen Restitutionsantrag (Tipke / Kruse, a. a. O., § 134 FGO Tz. 14). Die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit können insoweit nicht nachprüfen, ob im Gegensatz zu der Verfügung der Staatsanwaltschaft eine strafbare Handlung begangen worden ist (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 21. November 1961 VI ZR 246/60, Versicherungsrecht - VersR - 1962, 175).

b) Ebensowenig liegt ein zulässiger Restitutionsantrag nach § 580 Nr. 7 b ZPO vor. Hiernach ist ein Restitutionsantrag zulässig, wenn die Partei eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Die Klage ist allerdings vor Ablauf der Notfrist eines Monats zu erheben (§ 586 Abs. 1 ZPO). Diese Frist hat die Antragstellerin versäumt.

Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Antragstellerin von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft der Entscheidung, gegen die sich der Wiederaufnahmeantrag richtet (§ 134 FGO, § 586 Abs. 2 Satz 1 ZPO; BFH-Beschluß vom 13. Februar 1986 III K 1/85, BFHE 145, 500, BStBl II 1986, 415). Im Streitfall gilt der Beschluß des Senats über die Nichtzulassung der Revision mit dem dritten Tag der Aufgabe zur Post und damit am 24. Januar 1988 als zugestellt (§ 4 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes - VwZG -). Die Antragstellerin hat ausweislich des vorgenannten FG-Urteils spätestens am 14. Juni 1988 von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt, weil sie ihn dort in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hatte. Die Frist endete damit am 14. Juli 1988. Der Antrag wurde aber erst am 5. Dezember 1989 gestellt. Die Eröffnung des Nachlaßkonkurses über das Vermögen des Beigeladenen führt schon deshalb zu keiner Unterbrechung dieser Notfrist (§ 249 Abs. 1 ZPO), weil sie erst am 28. Oktober 1988 erfolgte. Der Restitutionsantrag gemäß § 580 Nr. 7 b ZPO ist somit wegen Fristversäumnis unzulässig. Überdies hat die Antragstellerin die Tatsachen, die ergeben, daß der Antrag vor Ablauf der Notfrist erhoben ist, weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht (§ 589 Abs. 2 ZPO).

5. Im übrigen bezieht sich das Vorbringen der Antragstellerin nur auf die vom FG seiner Beweiswürdigung zugrunde zu legenden Tatsachen. Diese Tatsachen können, wenn sie erst nach Erlaß des FG-Urteils bekanntwerden und nicht i. S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO ordnungsmäßig vorgetragen ist, daß ihre Ermittlung sich dem FG zuvor hätte aufdrängen müssen, zu keinem Verfahrensmangel des FG-Urteils führen und damit auch nicht im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens eine Nichtzulassungsbeschwerde begründen. Dies gilt entsprechend, wenn der Restitutionsgrund bereits vor Erlaß des FG-Urteils bekannt war. Die Restitutionsklage ist zudem dann nur zulässig, wenn die Antragstellerin ohne ihr Verschulden außerstande war, den Grund damals im finanzgerichtlichen Verfahren geltend zu machen (§ 582 ZPO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 417391

BFH/NV 1991, 751

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