Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässige Revision und unzulässige unselbständige Anschlußrevision

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Revisionsbegründung muß sich mit den Gründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzen und zu erkennen geben, mit welchen Erwägungen die Vorentscheidung angegriffen wird.

2. Ist die Revision unzulässig, so ist auch die unselbständige Anschlußrevision unzulässig.

 

Normenkette

FGO § 120 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob die Kl. für den Kauf eines Miteigentumsanteiles an einem Grundstück die Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStEigWoG in Anspruch nehmen können. Die Kl. und zwei weitere Ehepaare kauften dieses Grundstück mit drei vom Verkäufer noch zu errichtenden Reihenhäusern zu je 1/3 Anteil, wobei jedes Ehepaar seinerseits den Drittelanteil je zur Hälfte erwarb. Nach einer gleichzeitig abgeschlossenen Miteigentümervereinbarung gemäß § 1010 BGB wurde jedem Ehepaar eines der Reihenhäuser zur alleinigen Nutzung und Unterhaltung zugewiesen. Die Eintragung dieser Vereinbarung im Grundbuch wurde beantragt und bewilligt.

Das beklagte FA setzte mit zwei Bescheiden gegen jeden der Kl. GrESt fest, berechnet nach der Hälfte des vereinbarten Kaufpreises für den 1/3 Miteigentumsanteil. Den Antrag auf Steuerbefreiung gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStEigWoG lehnte es ab. Es vertrat die Auffassung, zwar sei auch ein Miteigentumsanteil ein Grundstück im Sinne dieser Vorschrift. Die Kl. hätten jedoch nicht - wie die Vorschrift voraussetze - ein Einfamilienhaus, sondern lediglich (Miteigentums-)Anteile an drei Reihenhäusern erworben. Daß mit diesen Anteilen das Recht zur ausschließlichen Nutzung eines der drei Häuser verbunden sei, reiche nicht aus. Die Aufzählung der begünstigten Tatbestände im GrEStEigWoG sei abschließend. Fälle der vorliegenden Art seien dort nicht genannt.

Die drei Reihenhäuser wurden am 9. November 1981 fertiggestellt. Am selben Tag wurde die vorgenannte Miteigentümervereinbarung durch die Begründung von Wohnungseigentum für jedes Ehepaar an dem von ihm genutzten Reihenhaus ersetzt.

Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der Klage teilweise statt. Die Steuerbefreiung sei wenigstens insoweit zu gewähren, ,,als sich die Anteile der Kläger auf den befreiten Teil des gesamten Grundstückes erstrecken". Die nachträgliche Begründung von Wohnungseigentum sei unschädlich. Damit sei die Nutzungsbezogenheit auf das ursprüngliche Erwerbsobjekt nicht unterbrochen worden.

Mit der Revision beantragen die Kl., die GrESt-Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung sowie das FG-Urteil aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Es hat mit Schriftsatz vom 19. September 1983 - beim BFH eingegangen am 22. September 1983 - außerdem Anschlußrevision eingelegt und beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Kl. beantragen, diese Anschlußrevision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Revision ist unzulässig.

Gemäß § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO muß die Revisionsbegründung u.a. die verletzte Rechtsnorm bezeichnen. Nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift soll der Revisions-Kl. dem Revisionsgericht erklären, aus welchen Gründen er mit dem angefochtenen Urteil nicht einverstanden ist. Er muß sich daher nach der ständigen Rechtsprechung des BFH unter gleichzeitiger Überprüfung des eigenen bisherigen Vorbringens mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen und zu erkennen geben, mit welchen Erwägungen er diese Vorentscheidung angreift (Beschluß vom 23. April 1971 VI R 254/70, BFHE 102, 217, BStBl II 1971, 588 m.w.N.).

Die innerhalb der Frist des § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO eingereichte Revisionsbegründung der Kl. erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Die Kl. schildern zunächst den Sachverhalt und den Prozeßverlauf bis zur Entscheidung des FG. Dieses Gericht habe in den Entscheidungsgründen festgestellt, daß der Erwerb des Miteigentums an einem Grundstück mit einem Einfamilienhaus dem Erwerb des Alleineigentums gleichstehe. Es habe weiter ausgeführt, daß im vorliegenden Fall das von den Kl. eigengenutzte Reihenhaus eine Wohnung enthalte, die sämtliche Merkmale eines Einfamilienhauses erfülle. Es sei ferner ein rechtlicher Zusammenhang zwischen Steuertatbestand und Befreiungstatbestand festgestellt. Ferner heiße es in dem Urteil, daß die Kl. das ihnen zugewiesene Einfamilienhaus aus eigenem Recht nutzen. Dann heißt es in der Revisionsbegründung:

,,Es muß daher verwundern, daß das Finanzgericht trotz der vorerwähnten Feststellungen in dem Urteil jedem der Kläger nur 1/18 des von ihnen aufgewendeten Kaufpreises bei der Berechnung der Grunderwerbsteuer berücksichtigen will. Bei richtiger Gesetzesanwendung muß jedoch der gesamte von den Klägern gezahlte Kaufpreis berücksichtigt werden. Nur das entspricht dem Sinn des Gesetzes.

Durch das Gesetz vom 11. 7. 1977 soll das Wohnen im eigenen Heim gefördert werden. So hat es wörtlich auch der BFH in seinem Urteil vom 25. 6. 1980 (veröffentlicht im Bundessteuerblatt 1980, Seite 728 und 729) unmißverständlich ausgedrückt. Diese Zweckbestimmung des Gesetzes darf nicht durch bloße Formalien gefährdet oder eingeschränkt werden. Der Befreiungstatbestand aufgrund des Gesetzes zur Grunderwerbsteuerbefreiung vom 11. 7. 1977 liegt daher vor in bezug auf den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bzw. hilfsweise auf den Steuertatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG. Dabei muß sich der Befreiungstatbestand auf den gesamten Kaufpreis beziehen. Das ist in dem angefochtenen Urteil von dem Finanzgericht verkannt worden."

Diesen Ausführungen der Kl. ist nicht zu entnehmen, inwiefern die Entscheidung des FG verwundert und worin die Kl. die bloßen Formalien sehen. Es bleibt offen, aus welchen Gründen und mit welchen Erwägungen sie das FG-Urteil angreifen.

Zwar heißt es noch an anderer Stelle des Schriftsatzes, daß nach Auffassung der Kl. bei richtiger Anwendung des § 1 Abs. 1 Satz 1 GrEStEigWoG die Voraussetzungen dieser Steuerbefreiung gegeben seien. ,,Wir" (das heißt die Prozeßbevollmächtigten) ,,haben dieses für die Kläger ausführlich in der Begründung der Klage vor dem FG vorgetragen." Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, das bisherige Vorbringen auf Revisionsgründe zu überprüfen. Das kann außerdem zu Mißverständnissen darüber führen, welche Ausführungen der Revions-Kl. berücksichtigt haben möchte (vgl. BFH-Entscheidungen vom 12. Februar 1975 VII R 5/72, BFHE 115, 180, 181, BStBl II 1975, 609, und vom 25. Oktober 1973 V R 38/72, BFHE 110, 324, 325, BStBl II 1974, 13). Die Bezugnahme auf die Klageschrift genügt daher nicht (BFH-Beschluß vom 8. März 1967 I R 185/66, BFHE 88, 230, BStBl III 1967, 342). Dasselbe gilt für die Ausführungen der Kl. zu § 1 Abs. 2 GrEStG, zu dem sie an anderer Stelle des Revisionsbegründungsschriftsatzes noch vortragen: ,,Darüber hinaus sind die Kläger auch der Auffassung, daß gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG in Verbindung mit dem Befreiungsgesetz vom 11. 7. 1977 Grunderwerbsteuerbefreiung zusteht. Die Kläger hatten die Möglichkeit, auch ohne Begründung eines Anspruches auf Übereignung, das Einfamilienreihenhaus rechtlich oder wirtschaftlich zu verwerten. Auch insoweit hatten wir ausdrücklich in der Klage vor dem Finanzgericht den Anspruch begründet." Inwiefern die Anwendung dieser Vorschrift nach Auffassung der Kl. zu einer Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStEigWoG führt, ist daraus nicht ersichtlich. Die Begründung dieser Ansicht läßt sich nicht durch den Hinweis auf die Klageschrift ersetzen.

Die Mängel der Revisionsbegründung werden auch nicht dadurch geheilt, daß die Kl. vortragen, es werde die Verletzung materiellen Rechts gerügt (vgl. die bereits genannte Entscheidung in BFHE 88, 230, BStBl III 1967, 342).

2. Die unselbständige Anschlußrevision des FA ist ebenfalls unzulässig. Zwar ging sie beim BFH am 22. September 1983 und damit entsprechend § 155 FGO i.V.m. § 556 Abs. 1 ZPO innerhalb eines Monats nach Zugang der Revisionsbegründung beim FA - 31. August 1983 - ein (vgl. das BFH-Urteil vom 8. April 1981 II R 4/78, BFHE 133, 155, BStBl II 1981, 534). Als unselbständige - d. h. nach Ende der am 6. Juli 1983 für das FA abgelaufenen Revisionsbegründungsfrist eingelegte - Anschlußrevision ist sie jedoch von dem Bestand der Revision der Kl. abhängig und daher wie diese unzulässig (BFH-Beschluß vom 12. Januar 1968 VI R 140/67, BFHE 90, 395, BStBl II 1968, 121).

 

Fundstellen

BFH/NV 1986, 164

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