Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Streitverkündung und Beiladung im Steuerprozeß

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Streitverkündung nach §§ 72 ff. ZPO ist im Steuerprozeß nicht statthaft. Der Steuerprozeß kennt nur die Beiladung nach §§ 60 f. FGO.

2. Eine Beiladung einer Gebietskörperschaft ist nicht durch die Absicht des Klägers gerechtfertigt, gegen diese im Falle eines negativen Ausgangs seiner Klage Entschädigungsansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen.

 

Normenkette

FGO § 60f; ZPO § 72 ff.

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) und die 33 Beteiligten sind Mitglieder der Bauherrengemeinschaft X. Sie haben beim Finanzgericht (FG) Anfechtungsklage wegen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Bauherrengemeinschaft für die Jahre 1976 bis 1978 mit dem Begehren erhoben, einen höheren Werbungskostenüberschuß festzustellen.

Der Kläger und die Beteiligten erklärten mit Schriftsatz vom 20. März 1985 die Streitverkündung an die Bundesrepublik Deutschland und das Land . . . mit der Aufforderung, dem Rechtsstreit auf seiten der Kläger beizutreten. Hilfsweise begehrten sie, die beiden Gebietskörperschaften nach § 60 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beizuladen. Zur Begründung trugen sie vor, sie wollten im Falle eines negativen Ausgangs ihrer Anfechtungsklage Entschädigungsansprüche gegen die beiden Gebietskörperschaften aus enteignungsgleichem Eingriff auf dem Zivilrechtsweg geltend machen.

Das FG lehnte es mit dem angefochtenen Beschluß ab, den Schriftsatz vom 20. März 1985 den beiden Gebietskörperschaften zuzustellen und diese zum Verfahren beizuladen.

Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Aufhebung des Beschlusses des FG und entsprechend seinem Hilfsantrag die Beiladung der beiden Gebietskörperschaften. Er habe keine Zustellung des Schriftsatzes vom 20. März 1985 an die beiden Gebietskörperschaften beantragt. Wenn das FG diese antragsgemäß beigeladen hätte, wäre der Schriftsatz diesen als Beteiligten von Amts wegen nach § 77 Abs. 1 Satz 3 FGO zuzustellen gewesen. Außerdem hätte das FG den Schriftsatz nach § 155 FGO in Verbindung mit § 73 der Zivilprozeßordnung (ZPO) zustellen müssen. Halte man eine Streitverkündung im Steuerprozeß nicht für statthaft, so folge daraus zwangsläufig die Notwendigkeit einer Beiladung.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde des Klägers ist unbegründet.

Das FG hat zutreffend eine vom Kläger aus § 155 FGO in Verbindung mit § 73 ZPO hergeleitete Verpflichtung verneint, die Streitverkündungsschrift vom 20. März 1985 der Bundesrepublik Deutschland und dem Land . . . als Streitverkündeten zuzustellen. Eine Streitverkündung ist im Steuerprozeß nicht statthaft. Die die Streitverkündung betreffenden Vorschriften der §§ 72 bis 74 ZPO sind weder ausdrücklich noch über § 155 FGO entsprechend anwendbar. Der Steuerprozeß kennt nur die Beiladung nach §§ 60 f. FGO und den Beitritt nach § 122 Abs. 2 FGO. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) wiederholt ausgesprochen (Urteil vom 20. Februar 1970 III R 75/66, BFHE 98, 553, BStBl II 1970, 484; Beschluß vom 6. Februar 1986 VII R 61-62/85). Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.

Das FG hat auch den Hilfsantrag des Klägers, die Bundesrepublik Deutschland und das Land Hessen gemäß § 60 FGO beizuladen, zutreffend abgelehnt. Das Interesse der beiden Gebietskörperschaften als Abgabenberechtigten ist kein Grund zur Beiladung, weil es durch den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt) wahrgenommen wird (§ 60 Abs. 2 FGO). Eine Beiladung ist auch nicht durch die Absicht des Klägers gerechtfertigt, im Falle eines negativen Ausgangs seiner Anfechtungsklage wegen der gesonderten und einheitlichen Feststellungsbescheide Entschädigungsansprüche gegen die beiden Gebietskörperschaften aus enteignungsgleichem Eingriff auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. Angesichts dessen würden durch eine klagabweisende Entscheidung des FG keine sich aus den Steuergesetzen ergebenden rechtlichen Interessen der beiden Gebietskörperschaften berührt, wie es § 60 Abs. 1 Satz 1 FGO voraussetzt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414516

BFH/NV 1986, 745

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