Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an eine Beschwerdeschrift

 

Leitsatz (NV)

1. Ein Schriftsatz an das FG, in dem ein Prozeßbevollmächtigter ausführt, er sei beauftragt, Revision einzulegen, und bitte daher um Rücksendung einer zu den Gerichtsakten gereichten Urkunde, um diese auf ihr Alter untersuchen zu lassen, stellt keine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision dar.

2. Zur Nachholung der versäumten Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb der Zweiwochenfrist des §56 Abs. 2 Satz 1 FGO einer der Zulassungsgründe darzulegen.

 

Normenkette

FGO § 56 Abs. 2, § 115 Abs. 3

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Mit Urteil vom 26. November 1996 hat das Finanzgericht (FG) die Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) auf Herabsetzung der gegen sie festgesetzten Schenkungsteuer abgewiesen, ohne sich zur Zulassung der Revision zu äußern. Das Urteil ist dem Prozeßbevollmächtigten am 8. Februar 1997 zugestellt worden. In dem Verfahren vor dem FG war streitig, ob eine zu den Gerichtsakten gereichte Schenkungsurkunde tatsächlich an dem angegebenen Tag erstellt worden ist. Das FG hatte darüber Beweis erhoben und das Beweisergebnis dahin gewürdigt, daß die Urkunde erst zu einem späteren Zeitpunkt angefertigt worden sei.

Mit Schreiben vom 20. Februar 1997 wandte sich der Prozeßbevollmächtigte an den zuvor mit der Sache befaßten Berichterstatter und führte aus, die Klägerin habe ihn beauftragt, Revision einzulegen. Er ersuche daher um Zusendung des Originals der Schenkungsurkunde. Er sei beauftragt, die Urkunde für das Revisionsverfahren durch ein wissenschaftliches Institut auf ihr Alter untersuchen zu lassen.

Darauf antwortete der Senatsvorsitzende mit Schreiben vom 21. Februar 1997, es sei leider nicht möglich, die Urkunde im Original zu überlassen, weil sie einen Teil der Gerichtsakten bilde. Diese würden nach Revisionseinlegung dem Bundesfinanzhof (BFH) vorgelegt. Es werde anheimgestellt, die Urkunde von dort anzufordern. Sodann übersandte das FG die Akten mit dem Bemerken an den BFH, die Klägerin habe durch das Schreiben vom 20. Februar 1997 Revision eingelegt. Die Klägerin erhielt eine Abgabenachricht.

Auf den Hinweis des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt -- FA --), die Revision sei nicht zugelassen worden und die Voraussetzungen einer zulassungsfreien Revision lägen nicht vor, machte die Klägerin geltend, aufgrund des Schreibens des Senatsvorsitzenden vom 21. Februar 1997 sowie der Mitteilung, daß die Revision mit Akten dem BFH vorgelegt worden sei, sei davon auszugehen gewesen, daß das FG "die Revision nun zugelassen" habe und weitere Schritte, die noch rechtzeitig hätten unternommen werden können, nicht erforderlich seien.

Mit Beschluß vom 16. Juli 1997 II R 16/97 hat der Senat die Revision als unzulässig verworfen, da eine Zulassung erforderlich gewesen wäre und es an dieser fehle. In den Gründen heißt es, eine Nichtzulassungsbeschwerde, der hätte abgeholfen werden können, sei nicht eingelegt worden. Der Schriftsatz vom 20. Februar 1997 habe allenfalls zu Zweifeln darüber Anlaß geben können, ob er erst als Ankündigung einer Revision oder bereits als deren Einlegung gedacht gewesen sei. Werde das Schreiben dahin ausgelegt, daß es bereits die Einlegung einer Revision darstelle, sei eine Umdeutung in eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht möglich.

Nach Erhalt des am 13. August 1997 abgesandten Senatsbeschlusses vom 16. Juli 1997 wandte sich die Klägerin am 19. August 1997 erneut an das FG mit dem Antrag, das Schreiben ihres Prozeßbevollmächtigten vom 20. Februar 1997 als Nichtzulassungsbeschwerde zu behandeln.

Zur Begründung trägt sie vor, sie habe nicht beabsichtigt, mit dem genannten Schreiben bereits Revision einzulegen. Dem Antwortschreiben des Senatsvorsitzenden vom folgenden Tag sei eindeutig zu entnehmen gewesen, daß auch er nicht von einer bereits eingelegten Revision ausgehe. Erst aus der Abgabenachricht sei hervorgegangen, daß der Schriftsatz vom 20. Februar 1997 als Revisionsschrift behandelt worden sei. Dies habe nur so verstanden werden können, daß der Schriftsatz als Nichtzulassungsbeschwerde gedeutet und die Revision mittlerweile zugelassen worden sei. Die Behandlung des Schreibens als Revision ohne deren gleichzeitige Zulassung sei abwegig gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Als Beschwerde kann erst der Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin vom 19. August 1997 angesehen werden. Der Schriftsatz vom 20. Februar 1997 stellte noch keine Beschwerdeschrift dar.

1. Wie der Senat bereits mit Beschluß vom 16. Juli 1997 ausgeführt hat, gab das Schreiben des Prozeßbevollmächtigten vom 20. Februar 1997 allenfalls zu Zweifeln darüber Anlaß, ob es erst die Ankündigung einer Revision enthielt oder bereits als Einlegung derselben gedacht war. Wenn die Klägerin nunmehr vorträgt, das Schreiben habe nur im Sinne der ersten Alternative verstanden werden können, bedeutet dies, daß es lediglich eine Absichtserklärung enthalten und noch keine Rechtsmittelschrift darstellen sollte. Dann scheidet aber nicht nur die Einlegung einer Revision aus, sondern die Einlegung jedweden Rechtsmittels, und damit auch einer Nichtzulassungsbeschwerde.

2. Der Schriftsatz vom 19. August 1997, in dem erstmals bekundet wird, eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen zu wollen, ist erst nach Ablauf der Beschwerdefrist gemäß §115 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugegangen und die Beschwerde damit verspätet. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §56 Abs. 1 FGO hinsichtlich der versäumten Frist scheidet aus. Dies gilt selbst dann, wenn angenommen wird, die Klägerin sei durch mißverständliche Äußerungen des FG an der Wahrung der Frist gehindert worden und dieses Hindernis sei erst durch den Beschluß des Senats vom 16. Juli 1997, der das Mißverständnis offengelegt habe, weggefallen. Eine Wiedereinsetzung erforderte nämlich gemäß §56 Abs. 2 Satz 3 FGO, daß die versäumte Rechtshandlung binnen zweier Wochen nach Wegfall des Hindernisses -- hier also nach Zugang des genannten Beschlusses -- nachgeholt worden ist. Zur Nachholung der versäumten Rechtshandlung hätte vorliegend aber über das bloße Einlegen der Beschwerde hinaus gehört, diese zu begründen (vgl. BFH-Beschluß vom 27. September 1968 VI B 53/68, BFHE 93, 512). Das ergibt sich aus §115 Abs. 3 Satz 3 FGO, wonach bereits die Beschwerdeschrift die Begründung enthalten muß. Zwar wird zugelassen, innerhalb der Frist die Begründung in einem gesonderten Schriftsatz vorzunehmen (vgl. Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, §115 Anm. 55); dieses Zugeständnis ändert aber nichts daran, daß die Begründung noch zur Rechtshandlung gehört, die, um unter den sonstigen Voraussetzungen eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu ermöglichen, binnen zweier Wochen nach Wegfall des Hindernisses nachgeholt worden sein muß. Zur Begründung hätte gehört, einen der Zulassungsgründe des §115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO darzulegen. Dies ist im Streitfall nicht geschehen.

Eine Wiedereinsetzung bezüglich der versäumten Frist zur Nachholung der Rechtshandlung scheiterte am Verschulden des Prozeßbevollmächtigten, das der Klägerin gemäß §155 FGO i. V. m. §85 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung zuzurechnen wäre (vgl. BFH-Beschluß vom 2. März 1994 I R 143/93, I S 18/93, BFH/NV 1995, 121). Von einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe wird erwartet, daß er die Voraussetzungen und Anforderungen für ein von ihm einzulegendes Rechtsmittel kennt oder sich zumindest die Kenntnis davon verschafft (so BFH-Beschluß vom 23. November 1992 III B 76/92, BFH/NV 1994, 105).

 

Fundstellen

Haufe-Index 66641

BFH/NV 1998, 478

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge