Entscheidungsstichwort (Thema)

Vernehmung eines Zeugen im Ausland

 

Leitsatz (NV)

1. Die Entscheidung, ob das Finanzgericht von der Möglichkeit einer konsularischen Vernehmung Gebrauch macht, liegt in dessen Ermessen.

2. Zum Einwand, die Unmöglichkeit der Zeugenvernehmung sei auf überlange Verfahrensdauer zurückzuführen.

 

Normenkette

FGO § 82; StPO § 244 Abs. 3; ZPO § 363 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Gründe

Von einer Wiedergabe des Tatbestandes wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Mit der Rüge, das Finanzgericht (FG) habe die Aussage des Zeugen L nicht hinreichend gewürdigt, wird kein Verfahrensmangel geltend gemacht. Die Grundsätze der Beweiswürdigung sind dem materiellen Recht zuzurechnen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §115 Rdnr. 28, m. w. N.).

2. Das FG hat keinen Verfahrensfehler begangen, indem es die konsularische Vernehmung des Vaters und des Bruders der Klägerin und Beschwerdeführerin zu 1 (Klägerin zu 1) im Iran gemäß §363 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung i. V. m. §82 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abgelehnt hat.

a) Die Entscheidung, ob das Gericht von der Möglichkeit einer konsularischen Vernehmung im Ausland Gebrauch macht, liegt in dessen Ermessen (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 21. Mai 1992 VIII B 76/91, BFH/NV 1993, 92, und vom 16. September 1993 IV B 50/93, BFH/NV 1994, 449).

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben keine Tatsachen vorgetragen, die die Ablehnung des FG, den Vater und den Bruder der Klägerin zu 1 im Iran konsularisch vernehmen zu lassen, als ermessensfehlerhaft erscheinen ließen. Das Vorbringen, die veräußerten Teppiche hätten dem Vater der Klägerin zu 1 gehört, wird durch keinerlei konkrete Einzelheiten oder nachprüfbare Hinweise unterstützt. Es erweckt daher den Eindruck einer Schutzbehauptung. In einem solchem Fall ist es ermessensgerecht, wenn das FG allein die Vernehmung des Zeugen in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat zur Erforschung der Wahrheit als geeignete Form der Beweiserhebung ansieht, weil es entscheidend auf den persönlichen Eindruck und die Glaubwürdigkeit des Zeugen ankommt (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1993, 32, und in BFH/NV 1994, 449). Erklären die Kläger -- wie im Streitfall -- die Zeugen in der mündlichen Verhandlung nicht stellen zu können, so darf sie das FG analog §244 Abs. 3 der Strafprozeßordnung als unerreichbare Beweismittel bewerten (vgl. BFH-Urteil vom 29. Mai 1974 I R 167/71, BFHE 112, 455, BStBl II 1974, 612; Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Mai 1983, 9 B 10466.81, Neue Juristische Wochenschrift 1984, 574; BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1993, 32, und in BFH/NV 1994, 449).

Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei dieser Ermessensentscheidung um eine -- grundsätzlich nicht zulässige -- vorweggenommene Beweiswürdigung handelt (vgl. dazu BFH-Urteile vom 6. Februar 1985 II R 12/84, BFH/NV 1985, 41; vom 11. Januar 1977 VII R 4/74, BFHE 121, 152, BStBl II 1977, 310; Anmerkung in Juristische Rundschau 1984, 129). Weder wird über die Eignung des Beweismittels, also über die Glaubwürdigkeit des Zeugen, entschieden, noch wird eine vermutete Aussage gewürdigt bzw. zu Lasten der Kläger unterstellt. Vielmehr wird allein über die Form der Vernehmung entschieden. Jedenfalls würde es sich um eine zulässige Ausnahme vom Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung handeln (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1993, 32, und in BFH/NV 1994, 449).

b) Es kann dahinstehen, ob etwas anderes dann gilt, wenn die Kläger von Anfang an vergeblich auf eine Vernehmung des ausländischen Zeugen in Deutschland gedrängt haben und der Zeuge nur wegen der langen Prozeßdauer infolge Alters oder Krankheit die Reise nicht mehr unternehmen kann.

Die Kläger behaupten zwar, sie hätten bereits mit Schriftsatz vom 30. Mai 1991 dringend angeregt, Herrn Y als Zeugen vorab zu vernehmen. Diese Behauptung findet indessen in dem genannten Schriftsatz keine Stütze. Zwar wird der Zeuge dort benannt, es werden indessen keinerlei Hinweise für die Art oder den Zeitpunkt seiner Vernehmung gegeben. Der Schriftsatz wurde ursprünglich in einem anderen Verfahren eingereicht. In das der vorliegenden Beschwerde zugrundeliegende Verfahren wurde er im Wege der Bezugnahme eingeführt (Schriftsatz vom 18. März 1994). Der Berichterstatter des FG erteilte am 3. August 1994 den Hinweis, daß die Zeugen (Vater und Bruder der Klägerin zu 1) unerreichbar sein könnten. Darauf ließen die Kläger erwidern, daß die Zeugen durchaus zur Verfügung stünden, allerdings müsse ein entsprechender Beweisaufnahmetermin langfristig vorbereitet und abgestimmt werden. Im übrigen werde angeregt, das Verfahren zunächst auszusetzen bzw. keinen Termin zu bestimmen, bis das Strafverfahren abgeschlossen sei. Nach Abschluß des Strafverfahrens wurde die Sache vom FG unverzüglich aufgegriffen. Sie wurde nach Vernehmung des Zeugen L sowie der Erklärung der Kläger, die im Iran lebenden Zeugen nicht stellen zu können, im November 1996 entschieden. Von einer dem FG anzulastenden überlangen Verfahrensdauer kann demnach keine Rede sein. Mithin kann aus diesem Umstand auch kein Verfahrensfehler des FG resultieren.

3. Aus den unter 2. b) dargestellten Gründen kommt der Rechtssache auch nicht die von den Klägern zusätzlich geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung zu.

 

Fundstellen

Haufe-Index 153979

BFH/NV 1999, 499

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