Entscheidungsstichwort (Thema)

Pauschalbesteuerung von Luftfahrtunternehmen (§ 49 Abs. 3 EStG) und Diskriminierungsverbot der DBAs

 

Leitsatz (NV)

Es ist ernstlich zweifelhaft, of die Pauschalbesteuerung von Luftfahrtunternehmen gem. § 49 Abs. 3 EStG mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 25 DBA-Philippinen vereinbar ist.

 

Normenkette

EStG § 49 Abs. 3; DBA PHI Art. 25

 

Tatbestand

Eine philippinische Luftfahrtgesellschaft (Antragstellerin) unterhielt in den Streitjahren 1985 bis 1989 eine Niederlassung (Betriebsstätte) in der Bundesrepublik, in der sie Einnahmen aus Frachtbeförderung und aus dem Verkauf von Flugtickets erzielte. Das FA berechnete die Steuern vom Ertrag (Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer) pauschaliert gemäß § 49 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und kürzte den errechneten Steuerbetrag gem. Art. 8 Abs. 2 a des DBA-Philippinen auf 1,5 v. H. der im Inland erzielten Einnahmen. Den Steuerbetrag teilte das FA auf KSt und GewSt entsprechend dem Verhältnis der Steuerbeträge auf, die sich ohne Berücksichtigung des Höchstbetrages des Art. 8 Abs. 2 Buchst. a DBA ergeben hätten.

Gegen die Festsetzungen erhob die Antragstellerin Einspruch und beantragte beim FG Aussetzung der Vollziehung.

Das FG lehnte den Antrag ab.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist begründet. Sie führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide.

1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

2. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die angefochtenen Körperschaftsteuerbescheide 1985 bis 1989 und der Gewerbesteuermeßbescheid 1985 rechtmäßig sind.

Die Vorentscheidung berücksichtigt nicht in ausreichendem Maße die aus dem Diskriminierungsverbot des Art. 25 Abs. 2 DBA entstehenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide.

3. Gemäß Art. 25 Abs. 2 DBA darf die Besteuerung einer Betriebsstätte, die ein Unternehmen eines Vertragsstaates im anderen Vertragsstaat hat, nicht ungünstiger sein als die Besteuerung von Unternehmen des anderen Staates, welche die gleiche Tätigkeit ausüben. Die Bestimmung entspricht Art. 24 Abs. 4 des OECD-Musterabkommens. Nach Abschn. 22 des zugehörigen OECD-Kommentars zu Art. 24 liegt eine unzulässige Diskriminierung nicht allein darin, daß nichtansässige Personen aus praktischen Erwägungen in einem anderen Verfahren besteuert werden als ansässige Personen. Auch die Erhebung einer Quellensteuer oder eine pauschalierte Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger ver stoßen deshalb noch nicht gegen das Dis kriminierungsverbot (vgl. Korn/Debatin, Doppelbesteuerung, Systematik III Tz. 312; Flick/Wassermeyer/Wingert/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz, Art. 25 Anm. 32; K. Vogel, Doppelbesteuerungsabkommen, 2. Aufl., Art. 24 Rz. 125; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, S. 40). Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot ergibt sich aber, wenn die "andere" Besteuerung zu einer höheren Steuerlast führt, als für inländische Unternehmen (OECD-Kommentar zu Art. 24 Abschn. 22). Dabei ist der Vergleich der Steuerbelastungen nach überwiegender Meinung auf einer "overall"-Basis durchzuführen, d. h. die Gesamtsteuerbelastung der Betriebsstätte ist mit einem inländischen Unternehmen gleicher Tätigkeit -- möglicherweise auch während eines über ein Jahr hinausgehenden Zeitraums -- zu vergleichen (vgl. van Raad, Nondiscrimination in International Tax Law, Kluwer 1986, S. 141; Adonnino, General-Report, IFA-Kongreß 1993, Bd. LXX VIII b, S. 177; Schaumburg, a.a.O.).

4. Der Wortlaut des Abkommens und die Kommentierung zum OECD-Musterabkommen sprechen im Streitfall für das Vorliegen einer unzulässigen Diskriminierung.§

49 Abs. 3 EStG schreibt für beschränkt steuerpflichtige Luftfahrtunternehmen eine Pauschalbesteuerung in Höhe von 5 v. H. der im Inland für Beförderungsleistungen erzielten Einnahmen vor. Die Regelung nimmt dem Träger einer Betriebsstätte die Möglichkeit, den Betriebsstättengewinn wie inländische Unternehmen durch Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben oder durch Betriebsvermögensvergleich (vgl. § 4 EStG; Art. 7 Abs. 3 DBA) zu ermitteln. Zwar würden die pauschalierte Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen und der damit verbundene besondere Steuersatz allein keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerbescheide auslösen, wenn die steuerliche Belastung der Betriebsstätte der eines vergleichbaren inländischen Unternehmens entspräche. Das ist jedoch zumindest in Verlustfällen ernstlich zweifelhaft. Nach ihren vom FA nicht bestrittenen Angaben erwirtschaftete die Antragstellerin in den Streitjahren in ihrer inländischen Betriebsstätte Verluste. Durch die pauschalierte Steuerberechnung des § 49 Abs. 3 EStG i. V. m. Art. 8 Abs. 2 Buchst. a DBA ergaben sich bei der Antragstellerin ungeachtet der von ihr behaupteten Verluste Ertragsteuerbelastungen. Inländische Unternehmen gleicher Tätigkeit unterliegen in Verlustjahren keiner Ertragsbesteuerung. Zwar ist die Steuerbelastung der Antragstellerin durch Art. 8 Abs. 2 DBA auf 1,5 v. H. der Einnahmen beschränkt. Die Steuerberechnungen im Streitfall zeigen jedoch, daß auch auf der Grundlage dieser Beschränkung erhebliche Steuerbelastungen entstehen, denen inländische Unternehmen nicht ausgesetzt wären. Es kommt hinzu, daß vergleichbare inländische Unternehmen die Möglichkeit eines Verlustvortrags oder -rücktrags gemäß § 10 d EStG hätten, der dem pauschaliert besteuerten Luftfahrtunternehmen verschlossen ist.

5. Allerdings verkennt der Senat nicht, daß die Diskriminierungsklausel des Art. 25 Abs. 3 DBA möglicherweise durch die für Luftfahrtgesellschaften getroffene Spezialregelung des Art. 8 Abs. 2 DBA modifiziert sein könnte. Wenn Art. 8 Abs. 2 DBA -- ebenso wie § 49 Abs. 3 EStG -- für Luftverkehrsgesellschaften eine Besteuerung auf der Grundlage der im Betriebsstättenstaat erzielten Einnahmen vorsieht, so ist nicht auszuschließen, daß das Abkommen solche Pauschbesteuerungen bis zur vorgesehenen Höchstgrenze mit Vorrang vor dem Diskriminierungsverbot für zulässig erklären wollte. Für eine solche Spezial regelung spricht, daß das deutsch-philippinische DBA die Besteuerung von Luftfahrtgesellschaften abweichend vom OECD- Musterabkommen regelt. Während das Musterabkommen wegen praktischer Schwierigkeiten der Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben bei international tätigen Luftverkehrsunternehmen eine ausschließliche Besteuerung im Geschäfts leitungsstaat vorsieht, räumt das deutsch- philippinische DBA trotz dieser Schwierigkeiten dem Betriebsstättenstaat ein Besteuerungsrecht ein. Daraus könnte auf den Willen der Vertragsstaaten geschlossen werden, eine Pauschalbesteuerung ohne Rücksicht auf die tatsächlich erzielten Erträge zuzulassen. Gegen eine solche Absicht spricht jedoch, daß Art. 8 Abs. 2 DBA nur eine Besteuerungs-Höchstgrenze enthält. Die Steuer darf den Satz von 1,5 v. H. der Bruttoeinnahmen aus deutschen Quellen "nicht übersteigen". Diese Fassung der Vorschrift spricht dafür, daß das Abkommen von der grundsätzlichen Anwendbarkeit der Gewinnermittlungsvorschrift des Art. 7 Abs. 2 und 3 DBA auch für Luftverkehrsunternehmen ausging und lediglich einen absoluten Steuerhöchstbetrag setzen wollte. Unter diesen Umständen ist auch die Sondervorschrift des Art. 8 Abs. 2 DBA zumindest bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Überprüfung nicht geeignet, die aus Art. 25 DBA entstehenden rechtlichen Zweifel zu beseitigen.

6. Die Vollziehung der Steuerbescheide war in vollem Umfang auszusetzen. Da die Antragstellerin in den Streitjahren nach ihren vom FA nicht bestrittenen Angaben Verluste erlitten hat, wäre bei einer Gewinn ermittlung nach § 4 EStG mit großer Wahrscheinlichkeit keine Ertragsteuer angefallen. Damit erstrecken sich die aus Art. 25 DBA erwachsenen Zweifel auf den gesamten festgesetzten Steuerbetrag. Die Anordnung einer Sicherheitsleistung war schon deshalb geboten, weil die Antragstellerin beschränkt steuerpflichtig ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 27. August 1970 V R 102/67, BFHE 100, 291, BStBl II 1971, 1) und bisher keine zuverlässigen Berechnungen über die von ihr behaupteten Verluste vorliegen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420244

BFH/NV 1995, 376

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