Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsmißbräuchliches Richterablehnungsgesuch

 

Leitsatz (NV)

Die pauschale Ablehnung aller Berufsrichter eines Spruchkörpers ohne Angaben von ernstlichen Befangenheitsgründen in der Person des einzelnen Richters stellt einen Mißbrauch des Ablehnungsrechts dar und ist daher unzulässig.

 

Normenkette

FGO § 51 Abs. 1, § 142 Abs. 1; ZPO § 42 Abs. 1-2, § 114 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer und Antragsteller (Antragsteller) beantragte beim Finanzgericht (FG), ihm Prozeßkostenhilfe für ein Verfahren zu bewilligen, mit dem er die Verurteilung des Beschwerdegegners (Finanzamt - FA -) begehrt, ihn ,,nur so zu besteuern, wie das Gesetz es vorsieht". Im Rahmen dieses Antrags machte er geltend, das FG habe ihn bisher in einer Vielzahl von Verfahren ungerecht behandelt. Er lehne deshalb alle Richter ab, die ihm ,,bisher so übel zu (seinem) Recht verholfen" hätten.

Das FG hat den Antrag auf Ablehnung der Richter des . . . Senats unter Mitwirkung der abgelehnten Richter zurückgewiesen.

Der Antrag sei rechtsmißbräuchlich und daher unzulässig, weil der Antragsteller sämtliche Richter des Senats abgelehnt habe, ohne Gründe darzulegen, die gegen die Unparteilichkeit der einzelnen Richter sprächen.

Der Antragsteller hat gegen die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs Beschwerde eingelegt und zugleich beantragt, ihm für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens Prozeßkostenhilfe zu bewilligen. Er hat seinem Antrag eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Prozeßkostenhilfe ist unbegründet.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung (Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen die Zurückweisung des Richterablehnungsgesuchs) hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozeßordnung - ZPO -).

1. Die hinreichende Aussicht auf Erfolg fehlt zwar nicht schon deshalb, weil während des Laufs der Beschwerdefrist von zwei Wochen (§ 129 Abs. 1 FGO) lediglich der Antragsteller selbst Beschwerde eingelegt hat, also entgegen der Regelung des Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) nicht durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten war. Damit ist zwar die vorliegende Beschwerde unzulässig; dem Antragsteller könnte aber Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Versäumung der Beschwerdefrist gewährt werden (§ 56 FGO), falls der Prozeßbevollmächtigte erneut Beschwerde einlegen und gleichzeitig den entsprechenden Wiedereinsetzungsantrag stellen würde. Im Hinblick auf diese dann zulässig eingelegte Beschwerde wäre die Unzulässigkeit der bisher vom Antragsteller selbst eingelegten Beschwerde unbeachtlich (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. Februar 1978 VIII R 112/75, BFHE 124, 494, BStBl II 1978, 376).

2. Der Antrag auf Prozeßkostenhilfe ist mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg abzulehnen, weil selbst eine zulässige Beschwerde des Antragstellers nicht begründet wäre.

Das FG hat das Ablehnungsgesuch gegen die Richter A, B und C zu Recht als unzulässig angesehen.

Nach § 42 Abs. 1 und 2 ZPO i. V. m. § 51 Abs. 1 FGO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dabei kommt es darauf an, ob ein an dem Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlaß hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln.

Das Ablehnungsgesuch des Antragstellers richtet sich gegen alle Berufsrichter des erkennenden Senats des FG. Eine solche pauschale Ablehnung eines ganzen Spruchkörpers ohne Angabe von ernstlichen Gründen in der Person des einzelnen Richters stellt einen Mißbrauch des Ablehnungsrechts dar und ist daher unzulässig (BFH-Urteil vom 25. Oktober 1973 IV R 80/72, BFHE 110, 479, BStBl II 1974, 142). Der . . . Senat des FG konnte das unzulässige Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung der abgelehnten Richter zurückweisen (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Februar 1960 2 BvR 36/60, BVerfGE 11, 1). Eine dienstliche Äußerung der abgelehnten Richter (§ 44 ZPO i. V. m. § 51 FGO) war bei dieser Sachlage nicht geboten.

Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen; Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO, § 142 FGO).

 

Fundstellen

BFH/NV 1988, 779

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