Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung bei Störung des Telefaxgerätes des FG; Milchreferenzmenge bei Betriebsaufgabe

 

Leitsatz (NV)

1. Wiedereinsetzung kann gewährt werden, wenn die Übermittlung einer Rechtsmittelschrift unmittelbar vor Ablauf der Frist wegen Störung des Telefaxgerätes des FG scheitert und alle anderen Möglichkeiten zur Wahrung der Frist ausscheiden.

2. Ob das Entgelt für die Übertragung einer Milchreferenzmenge als Betriebsaufgabegewinn zu erfassen ist und wie sich das auf die zum 1. Juli 1970 festgestellten Werte des für die Milcherzeugung genutzten Grund und Bodens auswirken kann, ist von grundsätzlicher Bedeutung.

 

Normenkette

FGO §§ 56, 115 Abs. 2 Nr. 1; EStG §§ 14, 16; MGVO

 

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

1. Der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist gemäß § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen unverschuldeter Versäumnis der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil das Empfangsgerät des Finanzgerichts (FG) am letzten Tag der Frist (10. Juli 1995 ) wegen eines technischen Versagens keine Sendungen mehr empfangen konnte (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 6. Februar 1991 V B 44/89, BFH/NV 1992, 111; vom 4. August 1992 VII R 40/91, BFH/NV 1993, 342, und vom 14. Juli 1993 III K 13--15/93, BFH/NV 1994, 483). Es ist nicht der Klägerin anzulasten, daß das FG die erst nach Dienstschluß eingetretene Störung nicht mehr beseitigt und für die Funktionsfähigkeit seines Gerätes gesorgt hat (Beschluß des Bundesgerichtshofs -- BGH -- vom 2. Oktober 1991 IV ZR 68/91, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -- HFR -- 1992, 572).

Die Klägerin hat auch durch Vorlage des Telefaxbriefes und des Absendeprotokolls der dem Finanzministerium des Landes ... durch Telefax übersandten (20.15 Uhr) Beschwerdeschrift hinreichend glaubhaft gemacht, daß sie am Abend des 10. Juli 1995 wiederholt versucht hat, die Beschwerdeschrift dem FG zuzusenden, daß das aber nicht gelingen konnte, weil das Empfangsgerät des FG wegen der am Abend des 10. Juli 1995 eingetretenen Störung erst wieder am 11. Juli 1995 um 8.00 Uhr empfangsbereit war. Sofort nach Beseitigung der Störung ist die Beschwerdeschrift dem FG per Telefax auch zugegangen.

Unter diesen Umständen wird die Wiedereinsetzung nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin es nicht versucht hat, die Beschwerdeschrift noch vor Mitternacht in den Nachtbriefkasten des FG zu werfen. Dazu war die Entfernung von X bis Y (Sitz des FG) zu groß; auch die Übermittlung als Telegramm kam wegen der Länge der Beschwerdeschrift nicht in Betracht (vgl. BGH-Beschluß in HFR 1992, 572). Zu diesem Zeitpunkt hatten auch die Postdienststellen geschlossen; wegen der fortgeschrittenen Zeit war auch die Einschaltung eines Berufskollegen in Y nicht mehr zumutbar. Aus dem vom FA zitierten Beschluß des BGH vom 28. September 1989 VII ZB 9/89 (Neue Juristische Wochenschrift -- NJW -- 1990, 187) ergibt sich nichts anderes. Dort ging es um die Löschung der Notfrist. Im Fall des BGH-Beschlusses vom 6. März 1995 VII ZB 1/95 (HFR 1995, 673) war zwar die Säumnis wegen der Störung des Empfangsgerätes der Außensenate entschuldbar, aber die Wahrung der Frist wäre durch ein Telefax an den eigentlichen Sitz des Gerichts möglich gewesen.

2. Die Klägerin hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hinreichend dargelegt (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 FGO). Abgesehen davon, daß die Klägerin auf die vom erkennenden Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision in der Sache IV R 8/95 verwiesen hat und dieser Zulassungsgrund offenkundig ist (vgl. Senatsbeschluß vom 9. Mai 1988 IV B 35/87, BFHE 153, 378, BStBl II 1988, 725), hat die Klägerin zutreffend dargestellt, daß die Frage der Behandlung des Entgelts für die Übertragung einer Milchreferenzmenge durch die höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht geklärt ist. Insbesondere ist durch den Senatsbeschluß vom 24. August 1993 IV B 20/93 (BFH/NV 1994, 172) noch nicht entschieden, ob sich die Erfassung des Entgelts für die durch die Milchgarantiemengenverordnung vom 25. Mai 1984 (BGBl I 1984, 720) erstmals eingeführte und seit Inkrafttreten der Neunundzwanzigsten Verordnung zur Änderung der Milchgarantiemengenverordnung vom 24. September 1993 (BGBl I 1993, 1659) auch frei handelbare Milchreferenzmenge auf die zum 1. Juli 1970 festgestellten Werte des für die Milcherzeugung genutzten Grund und Bodens auswirken kann.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421172

BFH/NV 1996, 475

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