Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrüge; Sachaufklärung; Tatbestandsberichtigung; Divergenz

 

Leitsatz (NV)

1. Wird ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht des FG mit der Begründung geltend gemacht, das FG habe von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, ist u.a. darzulegen, dass die weitere Aufklärung vom insoweit maßgebenden materiell-rechtlichen Standpunkt des FG aus entscheidungserheblich war, warum der fachkundig vertretene Kläger nicht von sich aus einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat und warum sich dem FG die Notwendigkeit der Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen.

2. Das FG verstößt nicht gegen den Inhalt der Akten, wenn es klägerische Ausführungen zu Tatsachen aus der mündlichen Verhandlung in den Entscheidungsgründen wiedergibt und würdigt. Soweit der Kläger die Richtigkeit derartiger Ausführungen bestreiten will, muss er einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung stellen.

3. Die schlüssige Darlegung einer Abweichung der Vorentscheidung von der Rechtsprechung des BFH erfordert, dass der Kläger Rechtssätze aus BFH-Urteilen einerseits und dem angefochtenen FG-Urteil andererseits herausarbeitet und einander so gegenüberstellt, dass eine Abweichung erkennbar wird.

 

Normenkette

FGO §§ 76, 108, 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, § 116 Abs. 3 S. 3; AO § 233a

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG (Urteil vom 04.09.2008; Aktenzeichen 5 K 27/07)

 

Gründe

Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) ist unbegründet.

1. Die Rüge, das Finanzgericht (FG) habe dadurch gegen seine Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) verstoßen, dass es die Finanzbeamten nicht als Zeugen darüber vernommen habe, ob sie auf die Möglichkeit eines Erlasses hingewiesen bzw. einen Erlass zugesichert hätten, ist jedenfalls nicht begründet.

Soweit der Kläger mit diesem Vorbringen im vorliegenden Verfahren mittelbar die Behauptung aufstellt, die Finanzbeamten hätten ihm einen Erlass der gemäß § 233a der Abgabenordnung festzusetzenden Zinsen zugesagt, enthält der Tatbestand des angefochtenen Urteils ein derartiges Vorbringen des Klägers nicht. Es kann aber keinen Verfahrensfehler begründen, wenn das FG keinen Beweis über Tatsachen erhebt, die von den Beteiligten auch nicht vorgetragen worden sind.

Hinsichtlich des im finanzgerichtlichen Urteil festgestellten Vorbringens des Klägers, die Finanzbeamten hätten auf die Möglichkeit eines Erlasses hingewiesen, hat er nicht dargelegt, dass ein derartiger Hinweis vom materiell-rechtlichen Standpunkt des FG aus, von dem bei der Prüfung, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, auszugehen ist, überhaupt entscheidungserheblich war (vgl. zur Maßgeblichkeit des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG bei einer Verfahrensrüge z.B. das Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Juli 2002 IX R 28/98, BFHE 198, 403, BStBl II 2002, 714, unter II.1. der Gründe). Darüber hinaus hat der Kläger aber auch nicht geltend gemacht, dass er selbst einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hatte. Deshalb könnte die Rüge nur dann Erfolg haben, wenn sich dem FG eine Beweiserhebung auch ohne einen entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 28. Juli 2004 IX B 136/03, BFH/NV 2005, 43). Das ist jedoch entgegen der Auffassung des Klägers nicht der Fall.

Der Kläger war im Klageverfahren fachkundig vertreten und konnte erkennen, dass das FG zur mündlichen Verhandlung keine Zeugen geladen hatte. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb sich dem FG eine Beweiserhebung hätte aufdrängen sollen, die der fachkundig vertretene Kläger selbst nicht beantragt hatte.

Dies gilt auch, soweit sich der Kläger gegen die Ausführung des FG wendet, der durch die Steuerfahndungsprüfung festgestellte Sachverhalt sei in seiner umsatzsteuerlichen Konsequenz unstreitig geblieben, und in diesem Zusammenhang das Unterlassen der Beweiserhebung rügt.

2. Das FG hat entgegen der Auffassung des Klägers nicht dadurch gegen den Inhalt der Akten verstoßen, dass es bestimmte Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung in den Entscheidungsgründen wiedergegeben und in seine Würdigung einbezogen hat. Derartige Ausführungen tatsächlicher Art sind ihrer Funktion nach dem Tatbestand zuzuordnen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 21. Januar 2005 VIII B 93/03, BFH/NV 2005, 894). Soweit der Kläger ihre Richtigkeit bestreiten will, hätte er einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung (§ 108 FGO) stellen müssen. Soweit er die Würdigung dieser Ausführungen durch das FG beanstandet, macht er keinen Verfahrensfehler, sondern einen die Zulassung der Revision nicht rechtfertigenden materiell-rechtlichen Fehler geltend.

3. Die Rüge, das FG habe seinen, des Klägers, Anspruch auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es nicht auf die Stellung von Beweisanträgen zur Frage der tatsächlichen Verständigung hingewiesen habe, führt ebenfalls nicht zum Erfolg. Aus den gleichen Gründen, aus denen sich dem FG eine Beweiserhebung trotz Fehlens eines Beweisantrags des fachkundig vertretenen Klägers nicht aufdrängen musste, bestand für das FG auch kein Anlass, gemäß § 76 Abs. 2 FGO einen Hinweis zur Stellung eines Beweisantrags zu geben.

4. Der Kläger hat eine Abweichung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative FGO) der Vorentscheidung von der Rechtsprechung des BFH nicht schlüssig dargelegt. Denn er hat keine Rechtssätze aus den aufgeführten BFH-Urteilen einerseits und dem angefochtenen FG-Urteil andererseits herausgearbeitet und einander so gegenübergestellt, dass eine Abweichung erkennbar wird (vgl. zu diesem Erfordernis z.B. BFH-Beschluss vom 30. Mai 2005 X B 149/04, BFH/NV 2005, 1618). Im Übrigen liegt eine Abweichung auch nicht vor, weil das FG seiner Entscheidung ausdrücklich die vom Kläger zitierten BFH-Entscheidungen zugrunde gelegt hat. Soweit der Kläger vorträgt, das FG sei zu dem entgegengesetzten Ergebnis gelangt, rügt er keine Abweichung in einer abstrakten Rechtsfrage, sondern lediglich eine seiner Meinung nach fehlerhafte Rechtsanwendung.

5. Mit seinem Vorbringen, das FG habe nicht erkannt, dass für Umsatzsteuer 1996 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen sei, rügt der Kläger in Wirklichkeit nicht --wie er geltend macht-- einen Verstoß gegen das Sachaufklärungsgebot oder gegen den Inhalt der Akten als Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), sondern einen materiell-rechtlichen Fehler, der die Zulassung der Revision nicht rechtfertigt. Denn die Frage, ob eine --nach Auffassung des Klägers vorliegende, aber vom FG nicht erkannte-- Festsetzungsverjährung eingetreten ist, ist revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2206638

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