Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Anforderungen an die Begründung eines Urteils

 

Leitsatz (NV)

Ein Verfahrensmangel i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO liegt erst vor, wenn den Beteiligten des Rechtsstreits die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu prüfen.

 

Normenkette

FGO § 105 Abs. 2 Nr. 5, § 116 Abs. 1 Nr. 5

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob eine im Rahmen eines Ehegatten-Arbeitsverhältnisses erteilte Pensionszusage steuerrechtlich anzuerkennen ist.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für die Streitjahre 1984 und 1985 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Der Kläger hat im Jahre 1984 seiner Ehefrau eine Versorgungszusage erteilt. Danach sollte die Klägerin nach Vollendung des 60. Lebensjahres bzw. nach vorzeitigem Ausscheiden aus dem Unternehmen - unter weiteren Voraussetzungen - 25 v.H. des letzten monatlichen Bruttogehalts als Versorgungsbezüge erhalten. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hat die aufgrund der Versorgungszusage gebildeten Pensionsrückstellungen nicht als betrieblich veranlaßt anerkannt. Das Finanzgericht (FG) hat die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage als unbegründet abgewiesen; es hat die Revision nicht zugelassen.

Mit der Revision rügen die Kläger, die Entscheidung des FG sei nicht mit Gründen versehen (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig. Die Kläger haben keine hinreichenden Tatsachen vorgetragen, die schlüssig einen Verfahrensmangel i.S. der §§ 116 Abs. 1 Nr. 5, 119 Nr. 6 FGO ergeben würden.

Die zulassungsfreie Verfahrensrevision nach § 116 FGO ist nur statthaft, wenn - innerhalb der Revisionsbegründungsfrist - ein Mangel i.S. des § 116 Abs. 1 FGO schlüssig gerügt wird. Dies ist dann der Fall, wenn die zur Begründung vorgetragenen Tatsachen - ihre Richtigkeit unterstellt - einen Mangel i.S. von § 116 Abs. 1 FGO ergeben.

Gemäß § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO müssen Urteile begründet werden. Der Sinn des Begründungszwangs liegt darin, den Prozeßbeteiligten die Kenntnis darüber zu vermitteln, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Urteil beruht (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Juni 1975 IV R 122/71, BFHE 116, 540, BStBl II 1975, 885). Dies erfordert nicht, daß jedes Vorbringen der Beteiligten im einzelnen erörtert werden müßte. Entsprechend dem dargelegten Zweck der Urteilsbegründung kann von einem Verfahrensmangel im Sinne der genannten Vorschrift erst dann ausgegangen werden, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen (BFH-Urteil vom 23. Januar 1985 I R 292/81, BFHE 143, 325, BStBl II 1985, 417); so etwa, wenn die Begründung des Urteilsausspruchs überhaupt oder in Hinsicht auf einen selbständigen prozessualen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel fehlt (Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 116 FGO Anm. 5e, m.w.N.) oder wenn die Entscheidungsgründe nur aus inhaltsleeren Floskeln bestehen oder mißverständlich oder verworren sind. Unter selbständigen Ansprüchen und selbständigen Angriffs- und Verteidigungsmitteln sind dabei - ebenso wie im Zivilprozeßrecht - nur die eigenständigen Klagegründe und solche Angriffs- oder Verteidigungsmittel zu verstehen, die den vollständigen Tatbestand einer mit selbständiger Wirkung ausgestatteten Rechtsnorm bilden (BFH-Beschluß vom 9. Februar 1977 I R 136/76, BFHE 121, 298, BStBl II 1977, 351). Dagegen ist der Verfahrensmangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO nicht schlüssig gerügt, wenn der geltend gemachte Begründungsmangel nur ein Tatbestandsmerkmal einer Rechtsnorm berührt. Gleiches gilt, wenn die Vorentscheidung zwar lückenhaft und widersprüchlich ist, gleichwohl aber noch zu erkennen ist, welche Überlegungen für das Gericht maßgeblich waren. Das FG braucht sich nicht mit jeder rechtlichen Erwägung eines Beteiligten in den Entscheidungsgründen auseinanderzusetzen (vgl. BFH-Beschluß vom 15. April 1992 III R 31/91, BFH/NV 1993, 367). Eine Bezugnahme auf veröffentlichte Entscheidungen zwecks Abkürzung der rechtlichen Darlegungen ist unbedenklich (BFH-Urteil vom 3. März 1970 VII R 43/68, BFHE 98, 525, BStBl II 1970, 494).

Trotz ihrer Ausführlichkeit enthalten die Ausführungen der Kläger in ihrer Revisionsbegründungsschrift keine hinreichenden Tatsachen, die einen wesentlichen Begründungsmangel schlüssig ergeben würden. Die Kläger haben insbesondere nicht vorgetragen, daß das FG einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen habe. Sie rügen im wesentlichen, die Entscheidung des FG habe die ihr zugrunde liegende Vorschrift nicht bezeichnet, sondern auf eine Rechtsprechung verwiesen, die zu außer Kraft getretenen Vorschriften (§ 6a des Einkommensteuergesetzes - EStG - i.d.F. vor dem Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung - BetrAVG - vom 19. Dezember 1974, BGBl I 1974, 3610) ergangen sei. Das FG habe nicht zu dem Antrag Stellung genommen, die Steuerbilanz an die Passivierung der zugesagten Versorgungsleistungen in der Handelsbilanz ... anzupassen. Nach der neuen Fassung des § 6a EStG bestimme jedes einzelne Arbeits- und Dienstverhältnis aus seiner Rechtsnatur die betriebliche Rechtsnatur der Versorgungsleistungen. Das Steuerrecht dürfe die arbeitsrechtlichen Schutzgarantien nicht unterlaufen.

Dieser Vortrag reicht für eine schlüssige Rüge des Verfahrensmangels nicht aus. Das FG hat unter Bezugnahme u.a. auf das BFH-Urteil vom 14. Juli 1989 III R 97/86 (BFHE 157, 565, BStBl II 1989, 969) und einschlägige Kommentarliteratur ausgeführt, daß auch dann, wenn die Voraussetzungen des § 6a EStG in der in den Streitjahren gültigen Fassung vorliegen, eine Pensionsrückstellung für den mitarbeitenden Ehegatten nur dann anzuerkennen ist, wenn ihre betriebliche Veranlassung feststeht; für die Frage der betrieblichen Veranlassung ist in erster Linie ein Fremdvergleich von Bedeutung. Diese Begründung, die erkennbar auf § 4 Abs. 4 EStG abhebt, trägt das angefochtene Urteil. Das FG brauchte weder die rechtliche Herleitung des sog. Fremdvergleichs zu erläutern noch die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung zu Pensionszusagen i.S. des § 6a EStG in der Fassung des § 19 BetrAVG (Urteil S. 10) im einzelnen darzustellen. Das Urteil ist in sich verständlich. Die Kläger geben lediglich zu erkennen, daß sie die tragenden Entscheidungsgründe nicht akzeptieren.

Wenn die Kläger vortragen, durch die Inanspruchnahme des klagenden Ehemannes aus der arbeitsrechtlich wirksamen Versorgungszusage sei ein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) eingetreten, können sie hiermit im vorliegenden Verfahren nicht gehört werden.

 

Fundstellen

BFH/NV 1994, 491

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