Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache; Anforderungen an eine schlüssige Sachaufklärungsrüge

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muß der Beschwerdeführer konkret auf die Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Diesen Anforderungen genügt nicht der bloße Hinweis, es sei von grundsätzlicher Bedeutung, ob die Verfassungswidrigkeit und damit Nichtigkeit einer vorangegangenen zivilgerichtlichen Entscheidung im finanzgerichtlichen Verfahren überprüft werden müsse. Vielmehr hätte der Kläger u.a. näher ausführen müssen, aus welchen Gründen er die zivilgerichtliche Entscheidung trotz Erfolglosigkeit seiner Verfassungsbeschwerde für verfassungswidrig und nichtig halte.

2. Zu den Anforderungen an eine schlüssige Sachaufklärungsrüge.

 

Normenkette

FGO §§ 76, 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3; ZPO § 295

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) stellte den Einheitswert für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) auf den 1. Januar 1980 mit . . . DM fest. Im Jahre 1986 wurde eine Teilfläche des Betriebs von rund . . . qm an die Teilnehmergemeinschaft der Flurbereinigung X zwangsversteigert. Die von dem Kläger gegen den Zuschlagsbeschluß im Zwangsversteigerungsverfahren erhobene Beschwerde wurde vom Landgericht und vom Oberlandesgericht zurückgewiesen; der Zuschlagsbeschluß ist damit rechtskräftig geworden.

Mit dem angefochtenen Wertfortschreibungsbescheid auf den 1. Januar 1987 vom 22.August 1988 setzte das FA - der durch die Zwangsversteigerung geänderten Eigentumslage Rechnung tragend - den Einheitswert auf . . . DM herab.

Mit der dagegen nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage machte der Kläger geltend, daß der Zuschlagsbeschluß nichtig sei und es daher bei dem auf den 1. Januar 1980 festgestellten Einheitswert verbleiben müsse.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Es führte aus, der Kläger habe sein Eigentum an den zwangsversteigerten Flächen durch den rechtskräftigen Zuschlagsbeschluß verloren. Entgegen der Ansicht des Klägers sei das Gericht nicht befugt, die Rechtmäßigkeit des Zuschlagsverfahrens in Zweifel zu ziehen und selbst zu überprüfen, weil dafür die ordentlichen Gerichte zuständig (gewesen) seien. Deshalb seien die auf eine Überprüfung des Zwangsversteigerungsverfahrens gerichteten Beweisantritte des Klägers nicht zu beachten.

Mit der Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und wegen Verfahrensmängel. Er trägt im wesentlichen vor:

Er habe unter Beweisantritt dargelegt, daß der Zuschlagsbeschluß u.a. wegen Verstoßes gegen Art. 14 des Grundgesetzes (GG) nichtig sei. Es sei von grundsätzlicher Bedeutung, ob eine von ihm - dem Kläger - dargelegte Verfassungswidrigkeit und damit Nichtigkeit einer vorangegangenen zivilgerichtlichen Entscheidung im finanzgerichtlichen Verfahren überprüft werden müsse. Hieraus ergebe sich sodann die weitere Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ,,ob Beweisanträge (meint offenbar das Übergehen solcher Beweisanträge) zur Frage der Nichtigkeit eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) darstellen".

Ein Verfahrensfehler sei auch darin zu sehen, daß das FG den Beweisangeboten nicht nachgekommen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht.

1. Zur grundsätzlichen Bedeutung:

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist einer Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beizumessen, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. z.B. Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 115 Rdnr.7, m.w.N.).

Die grundsätzliche Bedeutung muß dargelegt werden. Dafür reicht die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, nicht aus. Vielmehr muß der Beschwerdeführer konkret auf die Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen (Gräber / Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr.61, m.w.N.).

b) Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Zur Herausarbeitung einer konkreten - im Streitfall entscheidungserheblichen - Rechtsfrage hätte der Kläger u.a. näher ausführen müssen, aus welchen Gründen er die den Zuschlagsbeschluß im Zwangsversteigerungsverfahren bestätigenden zivilgerichtlichen Entscheidungen trotz der Erfolglosigkeit seiner Verfassungsbeschwerde für verfassungswidrig und nichtig halte. Eine gerichtliche Entscheidung ist nur in extremen Ausnahmefällen nichtig (zu den möglichen Fallgruppen vgl. z.B. Thomas / Putzo, Zivilprozeßordnung, 10. Aufl., Vorbem. § 300 Anm.2). Der Kläger hätte daher substantiiert darlegen müssen, daß und aus welchen Gründen ein derartiger Ausnahmefall in Betracht komme.

Soweit der Kläger der Frage grundsätzliche Bedeutung beimißt, ob das Übergehen von Beweisanträgen eine Verletzung des Rechts auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO) darstelle, hätte er näher ausführen müssen, daß und warum diese Frage der höchstrichterlichen Klärung bedürfe.

2. Zur Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch Nichterhebung der angebotenen Beweise (§ 76 FGO).

Die substantiierte Rüge eines solchen Verfahrensmangels setzt voraus, daß der Beschwerdeführer die ermittlungsbedürftigen Punkte sowie die Beweisthemen und Beweismittel genau bezeichnet und exakt (unter Benennung der Seitenzahlen) angibt, in welchen Schriftsätzen (etc.) die Beweisantritte erfolgt seien. Des weiteren ist darzulegen, inwiefern das angefochtene Urteil aufgrund der sachlich-rechtlichen Auffassung des FG auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen könne. Da es sich um eine verzichtbare Rüge i.S. des § 295 der Zivilprozeßordnung (ZPO) handelt, muß der Beschwerdeführer schließlich angeben, daß er den Mangel vor dem FG gerügt habe bzw. aus welchen Gründen er am Vorbringen einer solchen Rüge gehindert gewesen sei (Klein / Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof, 1986, Rdnr.170, m.w.N.; Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, 1986, Rdnr.99, m.w.N.).

Im Streitfall fehlt es an sämtlichen genannten Erfordernissen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1993, 181

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