Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Ernsthaftigkeit einer Pensionszusage

 

Leitsatz (NV)

Eine eindeutige und ernsthafte Pensionszusage an einen Arbeitnehmer liegt nicht vor, wenn der Versorgungsanspruch davon abhängig gemacht wird, daß der Arbeitnehmer sich durch ,,außerordentliche Leistungen" um den Betrieb verdient gemacht habe und über die jeweilige Höhe der Versorgung die gegenwärtige und künftige Ertragslage des Betriebs sowie die ,,allgemeine Entgeltentwicklung" entscheiden solle. Wird der schon 70 Jahre alten mitarbeitenden Mutter des Betriebsinhabers eine ab dem 75. Lebensjahr zu zahlenden Rente zugesagt, können die Umstände des Falles ergeben, daß keine betriebliche Veranlassung für diese Versorgungszusage vorgelegen hat.

 

Normenkette

EStG § 6a

 

Tatbestand

Die Antragsteller, Kläger und Revisionskläger (Antragsteller) sind Eheleute. Der Ehemann übernahm im Jahre 1970 von seinem Vater die Bäckerei mit Lebensmitteleinzelhandel. In dem Übergabevertrag war der Mutter des Antragstellers - ebenso wie dessen Vater - ein Wohnrecht bei freier Beheizung und Beleuchtung, ferner volle Verköstigung, Wartung und Pflege sowie eine Unterhaltsrente nebst Zahlung aller Versicherungsbeiträge zugesagt worden. Die 1904 geborene Mutter war seit 1964 im Betrieb beschäftigt. Noch im Jahre 1970 (mit Datum vom 1. Januar 1970) schloß der Antragsteller mit seiner Mutter einen Arbeitsvertrag, wonach diese aushilfsweise als Verkäuferin im Ladengeschäft tätig sein sollte; die Bruttovergütung sollte monatlich 200 DM betragen. In den Streitjahren 1974 bis 1976 erhöhte sich die gezahlte jährliche Bruttovergütung auf 3 200 DM, 3 800 DM und 4 300 DM. Im Betrieb des Antragstellers waren neben der Mutter noch die Ehefrau und der Vater im Rahmen von Arbeitsverhältnissen beschäftigt.

Der Antragsteller erteilte seiner Mutter 1974 eine Versorgungszusage. Danach sollte die Mutter im Falle des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis nach Vollendung ihres 75. Lebensjahres oder vorzeitig wegen Dienstunfähigkeit eine monatliche Rente von 450 DM erhalten. Der Anspruch sollte erst nach mindestens zehnjähriger Betriebszugehörigkeit entstehen. Der Antragsteller behielt sich vor, die zugesagten Leistungen unter bestimmten Voraussetzungen zu kürzen oder einzustellen. Eine Rückdeckungsversicherung für die Zusage wurde nicht abgeschlossen. Den übrigen Arbeitnehmern des Betriebes wurden keine Versorgungszusagen erteilt. Mit Datum vom 10. Januar 1974 gab der Antragsteller in einer schriftlichen ,,Betriebsvereinbarung" bekannt, daß jeder Betriebsangehörige einen Versorgungsanspruch erwirbt, falls er im Betrieb mindestens fünf Jahre tätig sei und sich durch ,,außerordentliche Leistungen am Betrieb" verdient gemacht habe. Ferner sollten über die jeweilige Höhe der betrieblichen Altersversorgung ,,die gegenwärtige und künftige Ertragslage des Betriebs sowie die allgemeine Entgeltentwicklung" entscheiden. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) sind aufgrund dieser Betriebsvereinbarung keine Versorgungszusagen gewährt worden.

Im Anschluß an eine Betriebsprüfung sah der Antragsgegner, Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Versorgungszusage an die Mutter nicht als betrieblich veranlaßt an und strich die gebildeten Rückstellungen. Es ergingen entsprechende Einkommensteuerveranlagungen für die Jahre 1974 bis 1976. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Gegen das Urteil des FG haben sich die Antragsteller mit der von der Vorinstanz zugelassenen Revision gewandt und zugleich die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide beantragt und vorgetragen, das FA habe einen nach Einlegung der Revision gestellten Antrag auf weitere Aussetzung der Vollziehung mit Schreiben vom 10. Januar 1985 abgelehnt. Zur Begründung ihres Antrags beziehen sich die Antragsteller auf ihre Revisionsbegründungsschrift.

Das FA beantragt die Zurückweisung des Antrags.

 

Entscheidungsgründe

1. Der Antrag ist zulässig.

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung konnte beim Bundesfinanzhof (BFH) gestellt werden. Dieser ist, da die Revision gegen das Urteil des FG bei ihm anhängig ist, das für die Aussetzung der Vollziehung zuständige Gericht der Hauptsache i. S. des § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die nach Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) erforderliche Voraussetzung für den Zugang zum Gericht ist erfüllt. Nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Antragsteller hat das FA den Antrag auf weitere Aussetzung der Vollziehung abgelehnt.

2. Der Antrag ist aber nicht begründet.

a) Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide (vgl. BFH-Beschluß vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182) kann die eingeschränkte Prüfungsmöglichkeit des Revisionsgerichts bezüglich des FG-Urteils (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) nicht unberücksichtigt bleiben: In dem Aussetzungsverfahren dürfen keine Umstände verwertet werden, deren Berücksichtigung dem Gericht bei der Gewährung des endgültigen Rechtsschutzes im Hauptverfahren verwehrt ist. Deshalb können - wenn das FG der Klage nicht oder nicht voll entsprochen hat - ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts i. S. des § 69 FGO nur dann bestehen, wenn unter revisionsrechtlichen Gesichtspunkten mit einer Aufhebung oder einer Änderung des Bescheides gerechnet werden kann. Daher ist bei einer voraussichtlich endgültigen Entscheidung über die Revision (Verwerfung, Zurückweisung oder Sachentscheidung; § 126 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 1 FGO) der wahrscheinliche Ausgang dieses Verfahrens, bei voraussichtlicher Aufhebung und Zurückverweisung der Sache (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO) der wahrscheinliche Ausgang des Verfahrens vor dem FG summarisch zu beurteilen (BFH-Beschluß vom 21. November 1973 I S 8/73, BFHE 110, 498, BStBl II 1974, 114).

b) Die für die Entscheidung über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ausreichende und erforderliche summarische Prüfung ergibt, daß keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerbescheide bestehen. Pensionsrückstellungen zu Lasten des steuerpflichtigen Gewinns sind im Streitfall nicht zulässig.

Rückstellungen für eine Pensionszusage an den im Betrieb des Steuerpflichtigen im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses mitarbeitenden nahen Angehörigen können nach Maßgabe des § 6a des Einkommensteuergesetzes (EStG) gebildet werden, wenn und soweit eine Pensionsverpflichtung eindeutig vereinbart und ernsthaft gewollt ist, mit einer tatsächlichen Inanspruchnahme aus der Pensionsverpflichtung gerechnet werden muß und die Pensionsverpflichtung dem Grunde und der Höhe nach betrieblich veranlaßt ist (vgl. BFH-Urteil vom 29. Mai 1984 VIII R 177/78, BFHE 141, 272, BStBl II 1984, 661 mit Rechtsprechungsnachweisen).

aa) Eindeutigkeit und Ernsthaftigkeit einer Pensionszusage sind mit Rücksicht auf die besonderen persönlichen Beziehungen der Vertragspartner zueinander zu würdigen. Die summarische Prüfung ergibt, daß es schon an diesem Merkmal im Streitfall fehlt.

In der nicht zur Veröffentlichung bestimmten Entscheidung des Senats vom 30. März 1983 I R 2/80, die zwar einen anderen Steuerpflichtigen betraf, aber eine gleichlautende Betriebsvereinbarung zu beurteilen hatte, wurde zu der Klausel ,,außerordentliche Leistungen" ausgeführt, deren Vorliegen könne nicht nach objektiven Maßstäben, sondern nur nach dem Ermessen des Unternehmers bestimmt werden. Die Erteilung einer Pensionszusage gegenüber familienfremden Arbeitnehmern sei damit in das freie Belieben des Unternehmers gestellt. Eine weitere Unbestimmtheit der Betriebsvereinbarung ergebe sich daraus, daß ,,über die jeweilige Höhe der betrieblichen Altersversorgung . . . die gegenwärtige und künftige Ertragslage des Betriebs sowie die allgemeine Entgeltentwicklung" entscheiden solle. Mit diesem Vorbehalt habe der Unternehmer die Höhe etwaiger Versorgungsleistungen von der Ertragsentwicklung des Betriebs abhängig gemacht. Danach hätte es der Unternehmer in der Hand, die Einräumung und Weitergewährung von betrieblichen Versorgungsleistungen an die anderen Arbeitnehmer von einer bestimmten Ertragsentwicklung des Unternehmens abhängig zu machen. Nach alledem habe der Unternehmer die Möglichkeit, etwaige Ansprüche der Arbeitnehmer, welche die Voraussetzung einer längeren Betriebszugehörigkeit erfüllten, auf Einräumung einer betrieblichen Altersversorgung mit der Begründung abzuwehren, daß keine außerordentlichen Leistungen vorlägen oder daß die Ertragsentwicklung des Betriebs Versorgungsleistungen nicht zulasse. Der erkennende Senat hält - jedenfalls für das Verfahren der Aussetzung der Vollziehung - an diesen Ausführungen fest. Gegen diese Auffassung führen die Antragsteller in ihrer Revisionsbegründungsschrift aus, die Klausel, der Arbeitnehmer müsse sich ,,durch außerordentliche Leistungen am Betrieb verdient gemacht haben", sei auch unter dem Gesichtspunkt zu sehen, daß damit bisher vorenthaltener Arbeitslohn abgegolten werden solle. Zu denken sei an nicht bezahlte Überstunden, an Arbeit außerhalb der normalen Arbeitszeit, an Arbeit an Wochenenden und ähnliches. Damit stehe die Anspruchsgewährung nicht im freien Ermessen des Arbeitgebers. Die Zusage erlaube dem Arbeitgeber auch keine ,,Null-Leistungen". Die Klausel hinsichtlich der außerordentlichen Leistungen läßt eine Auslegung in dem Sinne, daß damit nur unbezahlte Überstunden und sonstige außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit etwa erbrachte Arbeitsleistungen gemeint seien, nicht zu. Zusammen mit der weiteren Bestimmung, daß über die jeweilige Höhe der Versorgung die gegenwärtige und künftige Ertragslage und die ,,allgemeine Entgeltentwicklung" entscheide, zeigt die ganze Versorgungszusage, daß der Betriebsinhaber sich möglichst eine Entscheidung, ob und in welcher Höhe er einmal eine Rente tatsächlich gewähren werde, weitgehend selbst vorbehalten wollte.

bb) Bei summarischer Prüfung ist auch keine betriebliche Veranlassung für die Pensionszusage anzuerkennen. Für die betriebliche Veranlassung ist ein Fremdvergleich von Bedeutung. Betrieblich veranlaßt ist die Versorgungszusage an den nahen Familienangehörigen dann, wenn und soweit mit hoher Wahrscheinlichkeit eine vergleichbare Zusage auch einem familienfremden Arbeitnehmer im Betrieb erteilt worden wäre. Der erkennende Senat schließt sich der Würdigung des FG an, daß sich ein Arbeitgeber nicht auf das Wagnis einlassen würde, einen im Zeitpunkt der Zusage schon siebzigjährigen Arbeitnehmer - der zudem nur als Aushilfskraft eingestellt worden ist - nach spätestens fünf Jahren eine Rente zahlen zu müssen. Aus den ganzen Umständen des Falles ergibt sich, daß die Versorgung der Mutter des Antragstellers, die - wie das FG festgestellt hat - durch den Übergabevertrag aus dem Jahre 1970 weitgehend sichergestellt war, durch die Pensionszusage auf den Betrieb abgewälzt werden sollte.

cc) Etwaige Unterschiede in der Beurteilung von Pensionszusagen, je nachdem, ob ihre arbeitsrechtliche oder steuerrechtliche Würdigung in Rede steht, müssen hingenommen werden. Die Finanzbehörden und FG haben nach den Steuergesetzen und nach steuerrechtlichen Gesichtspunkten selbständig zu beurteilen, ob steuerlich wirksame Arbeitsverhältnisse und Pensionszusagen vorliegen. Das wird vom Bundesarbeitsgericht (BAG) auch gesehen. In dessen Entscheidung vom 10. März 1972 3 AZR 278/71 (Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts - Arbeitsrechtliche Praxis - AP - Nr. 156 zu § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - Ruhegehalt -) wird gesagt, dem Steuerrecht falle die Beantwortung der Frage zu, ob und unter welchen Voraussetzungen die Aufwendungen für die betriebliche Altersversorgung gewinnmindernd berücksichtigt werden sollen; dem Arbeitsrecht falle die Beantwortung der Frage zu, ob und inwieweit der Arbeitnehmer seine Gegenleistung (gemeint ist seine Arbeitsleistung) erbracht habe.

c) Verfassungsrechtliche Grundsätze stehen nicht entgegen, daß an den Nachweis der Ernsthaftigkeit einer Pensionszusage besondere Anforderungen gestellt werden (vgl. den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 22. Juli 1970 1 BvR 285/66, 1 BvR 445/67, 1 BvR 192/69, BVerfGE 29, 104, BStBl II 1970, 652).

Entgegen der Auffassung der Antragsteller brauchte auf § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) - die Unbeachtlichkeit von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts zum Zwecke der Steuerumgehung - nicht eingegangen zu werden, wenn schon die Auslegung der in Rede stehenden Vorschrift - hier des § 6a EStG - ergibt, daß ihre Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

Das FG hat auch nicht gegen seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts verstoßen, wenn es bei den gegebenen Verhältnissen die Beteiligten und etwaige Zeugen über Art und Umfang der Tätigkeit der Mutter des Antragstellers nicht vernommen hat. Die Antragsteller haben - was zur Zulässigkeit einer auf Verfahrensmängel gestützten Revisionsrüge gehört - in ihrer Revisionsbegründungsschrift auch nicht vorgetragen, daß sie einen derartigen Beweisantrag in der Vorinstanz vergeblich gestellt haben.

 

Fundstellen

BFH/NV 1986, 203

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