Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen, unter denen eine im Rahmen der EWG-Getreidemarktordnung auf Grund der VO (EWG) 19/62 gewährte Drittlandserstattung widerrufen werden kann.

 

Normenkette

EWGV 10/62 Art. 19 Abs. 2, Art. 20 Abs. 2; DurchfG EWG Getr § 8; ErstVOGetr 1963; § 1 Abs. 1 Nr. 4, § 5 Abs. 1-2, § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 7; ErstVOGetr 1964; § 1 Abs. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 7; ErstVOGetrReis: § 1 Abs. 2, § 5 Abs. 2 Nr. 3, § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 7; AHStatDV § 10 Abs. 6-7, § 11 Abs. 2

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin hatte in den Jahren 1964 und 1965 von der Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel in Frankfurt/Main (EVSt) in großem Umfang Erstattungen für die Ausfuhr von perlförmig geschliffener Gerste der Tarif stelle 11.02 – A – III-b des Gemeinsamen Zolltarifs – GZT – (in der damals geltenden Fassung) nach dritten Ländern erhalten, welche ihr in Form der Genehmigung der abschöpfungsfreien Einfuhr von Gerste gewährt wurden. Durch Bescheid vom 22. September 1965 widerriet die EVSt die Erstattung für 31 Sendungen mit zusammen 1 115 007 kg Gerstengraupen. Der Ausfuhr dieser Ware lagen Ausfuhrgenehmigungen und Erstattungszusagen der EVSt zugrunde, in denen als Verbrauchsland „Länder der Länderliste A und B ausgenommen EWG-Länder” bezeichnet und die Erstattung „gem. Erstattungsverordnung Getreide 1963 i. d. F. vom 23. 3. 1964”, „gem. Erstattungsverordnung Getreide vom 5. 8. 1964” oder „gem. Erstattungsverordnung Getreide und Reis vom 24. 11. 1964” zugesagt war. In den zugehörigen, den Erstattungsanträgen beigefügten Ausfuhrbescheinigungen hatte die Antragstellerin als Verbrauchsland jeweils Österreich angegeben.

Die EVSt begründete den Widerruf der Erstattung damit, daß die betreffenden Lieferungen nicht für Österreich, sondern für Italien bestimmt gewesen und auch tatsächlich dorthin versandt worden seien. Die Antragstellerin habe hiervon Kenntnis gehabt und deshalb in den Ausfuhrpapieren vorsätzlich ein falsches Verbrauchsland angegeben.

Gegen den Widerrufsbescheid der EVSt erhob die Antragstellerin nach erfolglosem Einspruch Klage, über die noch nicht entschieden ist. Den von ihr außerdem gestellten Antrag, die Vollziehung des Widerrufsbescheids auszusetzen, lehnte das Finanzgericht (FG) durch Beschluß vom 24. Februar 1970 mit der Begründung ab, daß weder ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2 FGO bestünden noch die Vollziehung des angefochtenen Bescheids eine unbillige Härte zur Folge habe. Es führte im wesentlichen aus, daß es bei summarischer Prüfung anhand der präsenten Beweismittel nicht ernstlich zweifelhaft sei, daß die von der Antragstellerin ausgeführte Ware statt nach einem Drittland nach Italien gelangt und dort in den freien Verkehr getreten sei. Ebensowenig ergäben sich bei den vorliegenden zahlreichen Einzelbeweisen Zweifel daran, daß die Klägerin von vornherein zumindest gewußt habe, daß die Ware nicht in ein Drittland, sondern nach Italien befördert werden sollte. Damit habe sie Italien als Empfangsland bzw. als Ziel der Ausfuhren gekannt und infolgedessen keine Ausfuhren nach einem Drittland, sondern nach einem Mitgliedstaat durchgeführt. Die EVSt sei deshalb berechtigt gewesen, die gewährte Erstattung zu widerrufen.

Mit der gegen den Beschluß des FG erhobenen Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, daß der Umstand, daß ein deutscher Unternehmer Getreideerzeugnisse an ein Unternehmen veräußere, das seinen Sitz in Italien habe und dessen Inhaber die italienische Nationalität besitze, nichts darüber besage, ob das Erzeugnis in das Zollinland Italiens gelangen solle. Werde ein solches Geschäft in der Form abgeschlossen und abgewickelt, daß der italienische Käufer weder eine Warenverkehrsbescheinigung nach dem Muster D. D. 4 (WVB D. D. 4) verlange noch erhalte, so sei nach Sinn und Zweck des Abschöpfungs- und Erstattungssystems bei dessen richtiger Handhabung in tatsächlicher Hinsicht sogar zu vermuten, daß das Getreide nicht in das italienische Zollinland gelangen solle. Dieser tatsächlichen Situation trage die Entscheidung des FG keine Rechnung.

Es sei richtig, daß die Antragstellerin von der Weiterveräußerung der Ware durch ihre Schweizer Käuferin an einen italienischen Unternehmer gewußt habe. Sie habe sogar zeitweise direkt an eine italienische Firma verkauft und auch Kenntnis davon gehabt, daß die ausgeführten Getreideerzeugnisse in Richtung Italien transportiert würden. All das besage aber nichts darüber, daß die Getreideerzeugnisse nach den Vorstellungen oder dem Willen der Antragstellerin auch in das Zollinland von Italien gelangen und dort verbraucht werden sollten.

In rechtlicher Hinsicht legt die Antragstellerin dar, daß nach dem Inhalt und Zweck der durch die Verordnung (EWG) Nr. 19/62 über die schrittweise Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Getreide – VO (EWG) 19/62 – (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1962 S. 933 – ABlEG 1962, 933 –) geschaffenen europäischen Marktorganisation für Getreide die Begriffe der Ausfuhr nach dritten Ländern und der Ausfuhr nach einem Mitgliedstaat in allen Mitgliedstaaten die gleiche Tragweite haben müßten. Aus diesem Grunde seien die Mitgliedstaaten nicht befugt gewesen, verbindliche Regeln über die Auslegung und Abgrenzung dieser beiden Begriffe zu schaffen, die von der Bundesrepublik Deutschland (BRD) in § 1 Abs. 2 der Erstattungsverordnung Getreide vom 5. August 1964 (ErstVOGetr 1964) aufgestellten Begriffsbestimmungen seien also unwirksam.

Nach dem Sinn und Zweck des europäischen Marktordnungsrechts liege eine Ausfuhr nach einem Mitgliedstaat vor, wenn die Ware unmittelbar aus dem ausführenden Mitgliedstaat ohne Berührung eines Drittlandes oder mittels eines im ausführenden Mitgliedstaat ausgestellten Frachtpapiers ohne Aufenthalt in einem Drittland befördert werde und der Ausführer eine WVB D. D. 4 beantragt und erhalten habe, um sie dem Einführer zur Inanspruchnahme der innergemeinschaftlichen Präferenz zur Verfügung zu stellen. Seien diese Voraussetzungen bei einer Ausfuhr nicht erfüllt, so liege eine Ausfuhr nach dritten Ländern vor.

Die Antragstellerin beantragt, den Beschluß des FG aufzuheben und die Vollziehung des Widerrufsbescheids der EVSt auszusetzen.

Die EVSt beantragt, die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Zu Recht hat es die Vorinstanz abgelehnt, die Vollziehung des von der Antragstellerin angefochtenen Widerrufsbescheids der EVSt vom 22. September 1965 auszusetzen. Denn weder bestehen an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes ernstliche Zweifel noch hat die Antragstellerin dargetan, daß die Vollziehung für sie eine unbillige Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 FGO).

Ernstliche Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen, wie der Bundesfinanzhof (BFH) wiederholt entschieden hat, vor, wenn bei einer summarischen Prüfung neben für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts sprechenden Umständen gewichtige, gegen seine Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (vgl. Beschlüsse III B 9/66 vom 10. Februar 1967, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 87 S. 447 – BFH 87, 447 –, BStBl III 1967, 182, und VII B 48/66 vom 6. Dezember 1967, BFH 91, 328). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt.

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids kommt es darauf an, ob die damit widerrufenen Ausfuhrerstattungen der Antragstellerin zu Unrecht gewährt worden waren, und ob dies gegebenenfalls den Widerruf der ihr erteilten Erstattungsbescheide rechtfertigt. Eine summarische Prüfung dieser Fragen ergibt folgendes.

1. Nach den für den Streitfall geltenden Vorschriften des europäischen Marktordnungsrechts konnten die Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) bei der Ausfuhr von Getreide und bestimmten Getreideverarbeitungserzeugnissen nach dritten Ländern Erstattungen gewähren, die dazu dienten, den Unterschied zwischen den jeweiligen Weltmarktpreisen und den Preisen im ausführenden Mitgliedstaat auszugleichen. Erstattungen konnten außerdem auch im Handel unter den Mitgliedstaaten gezahlt werden, soweit der ausführende Mitgliedstaat gegenüber dem einführenden Mitgliedstaat berechtigt war, eine Abschöpfung zu erheben – Art. 19 Nr. 2, Art. 20 Nr. 2 VO (EWG) 19/62 –.

Für perlförmig geschliffene Gerste der Tarifnr. 11.02 des GZT betrug der Höchstsatz der zulässigen Erstattung bei Ausfuhren nach dritten Ländern 250 v. H. der Drittlandsabschöpfung für Rohgerste – Art. 5 Abs. 1 Buchst. e, Art. 16 VO (EWG) 55/62 (ABlEG 1962, 1583) und Art. 5 Abs. 1 Unterabsatz D Buchst. a VO (EWG) 141/64 (ABlEG 1964, 2666), Art. 1 Abs. 1 VO (EWG) 164/64 (ABlEG 1964, 2743) –, und bei Ausfuhren nach einem anderen Mitgliedstaat 137,50 v. H. der Mitgliedslandsabschöpfung (bzw. des Unterschieds zwischen den Schwellenpreisen von ausführendem und einführendem Mitgliedstaat) für Rohgerste – Art. 5 Abs. 1 Buchst. e, Art. 15 Abs. 1 VO (EWG) 55/62, VO (EWG) 5/64 (ABlEG 1964, 121) bzw. Art. 5 Abs. 1 Unterabsatz D Buchst. a, Art. 14 Abs. 1 VO (EWG) 141/64 VO (EWG) 162/64 (ABlEG 1964, 2739) –.

Für die BRD wurde die Gewährung von Erstattungen für Getreide und Getreideverarbeitungserzeugnisse in dem für den Streitfall in Betracht kommenden Zeitraum durch die ErstVOGetr 1963 vom 30. Juli 1963 (BGBl I, 543, Bundeszollblatt 1963 S. 672 – BZBl 1963, 672 –), die ErstVOGetr. 1964 vom 5. August 1964 (BGBl I, 578, BZBl 1964, 709) sowie die Erstattungsverordnung Getreide und Reis (ErstVOGetrReis) vom 24. November 1964 (BGBl I, 917, BZBl 1965, 2) geregelt. Danach wurde für perlförmig geschliffene Gerste sowohl bei der Ausfuhr nach Drittländern als auch bei der Ausfuhr nach Mitgliedstaaten eine Erstattung gewährt, und zwar zunächst in Höhe der nach den EWG-Vorschriften zugelassenen Höchstsätze (§ 1 Abs. 1 Nr. 4, § 5 Abs. 1 und 2 ErstVOGetr 1963), wobei bei Ausfuhren nach dritten Ländern für je 100 kg perlförmig geschliffener Gerste die abschöpfungsfreie Einfuhr von 250 kg Rohgerste genehmigt wurde. Später wurde dieser Umrechnungssatz nur mehr bei Waren mit bestimmten Qualitätsmerkmalen und im übrigen ein Umrechnungssatz von 160 : 100 angewandt. Dies galt entsprechend für die Berechnung der Barerstattung bei Mitgliedslandsausfuhren (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 ErstVOGetrReis). Außerdem wurde ab 1. Juli 1964 bestimmt, daß eine Ausfuhr nach Mitgliedstaaten vorliege, wenn das Verbrauchsland ein Mitgliedstaat der EWG sei, und eine Ausfuhr nach dritten Ländern, wenn das Verbrauchsland ein drittes Land sei. Der Begriff des Verbrauchslandes sollte sich dabei nach den Vorschriften über die Statistik des grenzüberschreitenden Warenverkehrs bestimmen (§ 1 Abs. 2 ErstVOGetr 1964 bzw. ErstVOGetrReis).

Zu Art. 20 VO (EWG) 19/62 hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EGH) durch Urteil Rs. 6/71 vom 27. Oktober 1971 entschieden, daß der Begriff „Ausfuhr nach dritten Ländern” im Sinne dieser Vorschrift zumindest voraussetze, daß die Ware in einem Drittland in den freien Verkehr überführt worden sei oder werden würde. Den Mitgliedstaaten habe es freigestanden, für die Gewährung einer Erstattung weitergehende Erfordernisse aufzustellen. Sie hätten des weiteren selbständig bestimmen können, welche Beweise sie für das Vorliegen einer Ausfuhr nach dritten Ländern verlangten, jedoch hätten sie sich dabei nicht mit unzureichenden Indizien, wie etwa der bloßen Tatsache der Ausfuhr ohne WVB D. D. 4 begnügen dürfen.

Diese Auslegung ergibt, daß den Mitgliedstaaten der EWG die Gewährung von Erstattungen nach den für die Ausfuhr von Getreideerzeugnissen nach dritten Ländern festgelegten Höchstsätzen auf Grund des europäischen Gemeinschaftsrechts nur gestattet war, wenn die ausgeführte Ware in einem Drittland in den freien Verkehr überführt worden war oder überführt wurde. Bestimmungen des nationalen Rechts, nach denen für solche Drittlandserstattungen weniger strenge Voraussetzungen vorgeschrieben wurden, standen demnach in Widerspruch zum europäischen Gemeinschaftsrecht.

Für das deutsche Erstattungsrecht bedeutet dies, daß die ErstVOGetr 1963 und die ErstVOGetr 1964 sowie die ErstVOGetrReis die Voraussetzungen für die Drittlandserstattung nicht rechtswirksam in einer Weise abgrenzen konnten, welche auf die Überführung der ausgeführten Ware in den freien Verkehr eines Drittlands verzichtete. Denn bei diesen Erstattungsverordnungen handelt es sich um Rechtsverordnungen, und die ihnen zugrunde liegende gesetzliche Ermächtigung wird hinsichtlich ihres Inhalts, Zwecks und Ausmaßes im wesentlichen durch Verweisung auf die Art. 19 Abs. 2 und 20 Abs. 2 der VO (EWG) 19/62 bestimmt – vgl. § 8 des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 19 (Getreide) des Rates der EWG (DurchfG EWG Getr) vom 26. Juli 1962, BGBl I, 455, BZBl 1962, 643; 1964, 817 –, Deshalb sind die Vorschriften der deutschen Erstattungsverordnungen nur in dem Umfange von der Ermächtigung des Gesetzgebers gedeckt, als sie sich im Rahmen der den Mitgliedstaaten durch das europäische Marktordnungsrecht zugestandenen Befugnisse halten, und alle Bestimmungen, die diesen Rahmen überschreiten, also insoweit nicht rechtsgültig.

Daraus ergibt sich, daß nach den für den Streitfall maßgebenden Rechtsvorschriften für die Ausfuhr von Getreideerzeugnissen aus der BRD nach dritten Ländern eine Erstattung nur dann gewährt werden durfte, wenn die ausgeführte Ware in einem Drittland in den freien Verkehr überführt wurde. Von daher gesehen hatte deshalb die Antragstellerin die strittigen Erstattungen zu Unrecht erhalten, wenn die von ihr ausgeführten Warensendungen nicht in einem Drittland, sondern in einem Mitgliedstaat der EWG in den freien Verkehr getreten waren. Daß dies der Fall war, ist bei summarischer Prüfung der vorliegenden Beweismittel nicht ernstlich zweifelhaft.

Für das vorliegende Verfahren der Vollziehungsaussetzung muß deshalb davon ausgegangen werden, daß für die von der Antragstellerin ausgeführten Sendungen mit Gerstengraupen die vom Gesetz für die Gewährung der Drittlandserstattung erforderten Voraussetzungen nicht erfüllt waren.

2. Daraus folgt allerdings noch nicht ohne weiteres, daß die der Antragstellerin erteilten und später widerrufenen Erstattungsbescheide als rechtswidrig anzusehen sind. Denn die EVSt hatte der Antragstellerin vor Durchführung der fraglichen Ausfuhren die Erstattung, wie dies in den deutschen Erstattungsvorschriften vorgesehen war (§ 6 Abs. 1 Nr. 1, § 7 ErstVOGetr 1963 und 1964 bzw. ErstVOGetrReis), durch förmliche Bescheide zugesagt. Nach dem Inhalt dieser Erstattungszusagen konnte die Antragstellerin aber einen Anspruch auf die ihr gewährten Leistungen auch ungeachtet des Fehlens der vom Gesetz für Drittlandserstattungen vorgeschriebenen Voraussetzungen erlangt haben.

In dieser Hinsicht ist zu berücksichtigen, daß in den Anträgen, auf die sich die Erstattungszusagen der EVSt bezogen, als Verbrauchsland „Länder der Länderliste A und B ausgenommen EWG-Länder” bezeichnet waren, daß die Erstattungszusagen selbst auf die jeweils geltenden ErstVOenGetr bzw. die ErstVOGetrReis verwiesen und, daß ferner in den Erläuterungen zu den Ausfuhrgenehmigungen, welche von der EVSt zusammen mit den Erstattungszusagen erteilt wurden, das Verbrauchsland, wie folgt, definiert war: Verbrauchsland ist das Land, in dem die Waren gebraucht oder verbraucht, bearbeitet oder verarbeitet werden sollen. Als Verbrauchsland gilt … bei Waren, deren Verbrauchsland nicht bekannt ist, das letzte bekannte Land, nach dem die Waren versandt werden.

Daraus wird man entnehmen müssen, daß sich die der Antragstellerin erteilten Erstattungszusagen auf solche Ausfuhren bezogen, bei denen das Verbrauchsland in dem angegebenen, im wesentlichen mit den Vorschriften der ErstVOGetr 1964 und der ErstVOGetrReis (vgl. §§ 10 Abs. 6, 7, 11 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Statistik des grenzüberschreitenden Warenverkehrs, Außenhandelsstatistik – AHStatDV –, in der Fassung vom 13. Januar 1964, BGBl I, 10) übereinstimmenden Sinne ein Drittland war, und daß die Antragstellerin infolgedessen auf Grund dieser Erstattungszusagen einen Anspruch auf Erstattung erwarb, wenn sie bei dem einzelnen Ausfuhrgeschäft diese Bedingung erfüllte (vgl. BFH-Urteil VII R 75/67 vom 13. Januar 1970, BFH 98, 113). Das würde bedeuten, daß die EVSt der Antragstellerin für die Ausfuhr der Gerstengraupen die Erstattung auch dann zu Recht gewährt hätte, wenn diese Ware zwar nicht in den freien Verkehr eines Drittlandes überführt wurde, aber für die jeweils ausgeführte Sendung ein Drittland das Verbrauchsland in dem zuvor genannten Sinne gewesen wäre. Indessen erweist sich im Rahmen der hier gebotenen summarischen Prüfung, daß auch dies offenbar nicht der Fall war.

Der Senat geht bei der Prüfung dieser Frage zugunsten der Antragstellerin von deren eigener Sachdarstellung aus. Danach hatte sie keine Kenntnis davon, in welches Land die ausgeführten Waren letztlich gelangen und wo sie verbraucht oder verarbeitet werden sollten. Das besagt, daß ihr deren Verbrauchsland nicht bekannt war. Als Verbrauchsland galt daher das letzte (dem Ausführer) bekannte Land, nach dem die Waren versandt wurden. Als solches muß Italien angesehen werden, nachdem die Antragstellerin ihrer eigenen Einlassung zufolge wußte, daß die Waren von ihren Abnehmern in Osterreich bzw. der Schweiz an italienische Händler weiterveräußert worden waren und auch unmittelbar an italienische Empfangsorte weiterversendet wurden. Galt demnach aber als Verbrauchsland der ausgeführten Gerstengraupen ein Mitgliedsland der EWG, so waren die Voraussetzungen, unter denen die Antragstellerin auf Grund der ihr erteilten Erstattungszusagen die Drittlandserstattung hätte beanspruchen können, ebenfalls nicht erfüllt.

3. Ergeben sich somit im Rahmen einer summarischen Prüfung keine stichhaltigen Gründe, welche es fraglich erscheinen lassen könnten, daß die Antragstellerin die ihr gewährten Leistungen zu Unrecht erhalten hat, so bleibt weiter zu prüfen, ob dies unter den gegebenen Umständen den Widerruf der Erstattung rechtfertigt. Auszugehen ist dabei von den Grundsätzen, welche in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zum Widerruf rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte entwickelt wurden. Denn die Regeln, nach denen die Widerrufbarkeit von Erstattungsbescheiden der Marktordnungsstellen zu beurteilen ist, sind nicht dem Abgabenrecht, sondern dem allgemeinen Verwaltungsrecht zu entnehmen (BFH-Urteil VII R 52/67 vom 8. Mai 1970, BFH 99, 281).

Nach den vom BVerwG hierzu aufgestellten Grundsätzen ist bei der Entscheidung über den Widerruf eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts im Einzelfall zu prüfen, ob das schutzwürdige Interesse des Begünstigten an der Aufrechterhaltung oder das öffentliche Interesse an der Beseitigung des Verwaltungsaktes überwiegt (BVerwG-Urteil III C 370.56 vom 25. Oktober 1957, Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bd. 5 S. 312 – BVerwGE 5, 312 –). Bei einer summarischen Abwägung dieser beiderseitigen Interessen überwiegen im Streitfall nach Auffassung des Senats die öffentlichen Belange so eindeutig, daß die Rechtmäßigkeit des von der EVSt ausgesprochenen Widerrufs auch unter diesem Gesichtspunkt keinen ernsthaften Zweifeln begegnet.

Er hat dabei berücksichtigt, daß das öffentliche Interesse an diesem Widerruf sich nicht darauf beschränkt, schlechthin die Folgen einer objektiv unrichtigen Gesetzesanwendung rückgängig zu machen. Denn eine dem Gesetz entsprechende Handhabung der Erstattungsvorschriften berührt nicht nur das Verhältnis des Staates zu dem einzelnen Betroffenen, sondern dient vor allem der Wahrung gleicher Wettbewerbsbedingungen und dem Schutz der Märkte. Deshalb wird mit der Rückforderung zu Unrecht gewährter Erstattungen in erster Linie ein ungerechtfertigter Wettbewerbs- bzw. Marktvorteil des einzelnen gegenüber den übrigen Marktteilnehmern beseitigt. Dem öffentlichen Interesse am Widerruf rechtswidriger Erstattungsbescheide ist aus diesem Grunde im Streitfall besonderes Gewicht beizumessen. Andererseits erscheint das Vertrauen, welches die Antragstellerin in die Beständigkeit der Entscheidungen der EVSt über ihre Erstattungsanträge gesetzt haben mag, wenig schutzwürdig. Denn die fehlerhaften Erstattungsbescheide dieser Behörde beruhen darauf, daß die Antragstellerin in den ihren Erstattungsanträgen beigefügten Unterlagen unrichtige Angaben über das Verbrauchsland der ausgeführten Waren gemacht hat. Bei summarischer Prüfung sprechen ferner erhebliche Gründe dafür, daß sie dabei schuldhaft gehandelt hat und die Ursache für den Erlaß der fehlerhaften Verwaltungsakte schon aus diesem Grunde in ihrem Verantwortungsbereich liegt (vgl. BVerwG-Urteile IV C 235.56 vom 28. Juni 1957, BVerwGE 6, 1 [6], und VI C 91.57 vom 24. April 1959, BVerwG 8, 261 [271]).

Die Antragstellerin hat nämlich in den Ausfuhrbescheinigungen als Verbrauchsland Österreich angegeben, obwohl sie, wie bereits an anderer Stelle dargelegt, wußte, daß die ausgeführten Waren nur durch dieses Land durchgeführt und nach Italien weitertransportiert werden sollten. Das bedeutet, daß nach der Kenntnis der Antragstellerin die Ware weder in Osterreich verbraucht oder verarbeitet werden sollte noch daß dies das letzte ihr bekannte Land gewesen wäre, nach dem die Ware versandt wurde.

Dafür, daß die Antragstellerin bzw. deren Inhaber an der sonach objektiv unrichtigen Bezeichnung des Verbrauchslandes auch ein Verschulden trifft, sprechen indes die folgenden Umstände. Zunächst ist die Begriffsbestimmung des Verbrauchslandes, wie sie in den der Antragstellerin erteilten Ausfuhrgenehmigungen enthalten ist, verhältnismäßig klar und einfach und konnte jedenfalls im Streitfall keinen Anlaß zu Mißdeutungen geben. Denn unter den der Antragstellerin über die Abwicklung ihrer Ausfuhrgeschäfte bekannten Umständen würde es jeder verständigen Betrachtung widersprechen, Österreich als das letzte bekannte Land anzusprechen, nach dem die Waren versandt worden seien. Daß dies offenbar auch der Antragstellerin bewußt war, wird man daraus entnehmen müssen, daß sie noch gegenüber der Vorinstanz zunächst in Abrede gestellt hatte, von dem Weiterverkauf und der Weiter Versendung der Gerstengraupen nach Italien Kenntnis gehabt zu haben.

Nicht stichhaltig erscheint auch der Einwand der Antragstellerin, daß infolge der Nichtausstellung von WVB D. D. 4 für die ausgeführten Waren im Hinblick auf den Sinn und Zweck des Abschöpfungs- und Erstattungssystems eine tatsächliche Vermutung dafür bestanden habe, daß diese Waren für ein Drittland bestimmt gewesen seien und daß auch die Antragstellerin davon habe ausgehen dürfen und müssen. Diesem Vorbringen ist zunächst entgegenzuhalten, daß derartige Erwägungen im Hinblick auf die tatsächliche und der Antragstellerin insoweit bekannte Gestaltung ihrer Ausfuhrgeschäfte keinesfalls die Annahme rechtfertigen konnten, daß die ausgeführten Waren für den freien Verkehr Österreichs bestimmt gewesen seien. Dieses Land hat aber die Antragstellerin als Verbrauchsland angegeben.

Ferner erweist sich die Argumentation der Antragstellerin insofern als falsch, als sie davon ausgeht, daß die europäische Getreidemarktordnung in dem fraglichen Zeitraum die unmittelbare Ausfuhr von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat gegenüber dem Handel über Drittländer in jedem Fall begünstigt habe. Tatsächlich war für bestimmte Getreideerzeugnisse und eben auch für perlförmig geschliffene Gerste, soweit es die Ausfuhr aus Hochpreisländern betraf, gerade das Gegenteil der Fall. Denn für perlförmig geschliffene Gerste wurde bei der Ausfuhr aus der BRD nach dritten Ländern für je 100 kg ausgeführte Ware die abschöpfungsfreie Einfuhr von 250 kg Gerste genehmigt. Demgegenüber belief sich die für die Ausfuhr der gleichen Ware nach Italien gezahlte Barerstattung nur auf 137,5 v. H. des Unterschieds der Schwellenpreise für Gerste im Aus- und Einfuhrland. Die Antragstellerin hat selbst in ihrem umfangreichen Schriftsatz vom 24. Mai 1971 dargelegt, daß diese Regelung praktisch zur Unterbindung aller Ausfuhren aus den Hochpreisländern der EWG in Niedrigpreisländer der Gemeinschaft führen mußte. Schon aus diesem Grunde konnte die Nichtausstellung einer WVB D. D. 4 kein Anzeichen dafür sein, daß eine aus der BRD ausgeführte Sendung Gerstengraupen für den Verbrauch in einem Drittland bestimmt sei.

Im Streitfall kommt hinzu, daß der bei der Herstellung der von der Antragstellerin ausgeführten Waren erzielte Ausbeutesatz nach dem unwidersprochenen Vorbringen der EVSt etwa doppelt so hoch war als der den Drittlandserstattungen zugrunde liegende Verarbeitungssatz, nämlich etwa 80 : 100 gegenüber 40 : 100. Da deshalb die Antragstellerin für je tatsächlich verarbeitete 100 kg Gerste bei der Ausfuhr der daraus hergestellten Graupen eine Erstattung für 200 kg Gerste erhielt, liegt es auf der Hand, daß sie dadurch in die Lage versetzt wurde, ihre Ware auf dem italienischen Markt als Drittlandsware erheblich unter dem Weltmarktpreis anzubieten. Bei dieser Sachlage vermag deshalb der Senat dem Vorbringen der Antragstellerin kein Gewicht beizumessen, wonach sie wegen der Nichtausstellung von WVB D. D. 4 davon habe ausgehen dürfen, daß die von ihr ausgeführten Waren für ein Drittland bestimmt gewesen seien.

Da nach alldem keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erstattungswiderrufs bestehen, kann dem Begehren der Antragstellerin auf Aussetzung seiner Vollziehung nicht stattgegeben werden. Ihre gegen die Ablehnung ihres Antrags durch die Vorinstanz gerichtete Beschwerde mußte deshalb mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückgewiesen werden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI514630

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