Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage einer mehrgemeindlichen Betriebstätte bei einem Wasserkraftwerk (Elektrizitätswerk), das Kraft aus Stauanlagen bezieht, deren Eigentümer die Verfügungsgewalt über diese Anlagen nicht aufgegeben hat.

 

Normenkette

GewStG § 30; StAnpG § 16

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige (Stpfl.), eine AG, unterhält auf dem Gebiet der linksmainischen Gemeinde X an dem Fluß ein Kraftwerk, das die elektrische Energie vermittels der dort befindlichen, dem Bund gehörigen Stau- und Wehranlagen gewinnt. Das Kraftbezugsrecht geht auf eine Reihe von Verträgen zurück, welche die Stpfl. mit dem Bund bzw. dessen Rechtsvorgängern geschlossen hat. Diese Verträge verpflichten die AG zum Ausbau der Main-Donau- Großschiffahrtstraße auf eigene Rechnung und zur unentgeltlichen übertragung aller der Schiffahrt dienenden Einrichtungen, wie Wehre, Schleusen usw., jedoch ohne die Wasserkraftanlagen, auf den Bund. Als Gegenleistung wird der AG das Recht zur Benutzung des Wassers und des Flußbettes sowie zur Ausnützung der Wasserkräfte eingeräumt. Nach Ablauf der bis zum 31. Dezember 2050 festgelegten Erlaubniszeit hat die steuerpflichtige AG die Kraftwerke mit allem Zubehör betriebsfertig auf den Bund zu übertragen. Die AG unterhält in oder auf den Wehr- und Stauanlagen an keiner Stelle eigene Bauwerke oder Betriebsvorrichtungen. Ihre Krafterzeugungsanlagen sind neben dem eigentlichen Flußlauf erbaut. Das durch die Wehre und Stauanlagen der Großschiffahrtstraße gespannte Wasser wird durch besondere Kanäle in die Krafterzeugungsanlagen geleitet, von wo es dann ebenfalls durch besondere Kanäle wieder in das Flußbett zurückgeleitet wird. Laut Vertrag hat das Reich bzw. der Bund die Schiffahrtstraße zu betreiben und zu unterhalten. Es ist ferner festgelegt, daß durch die ordnungsmäßige Wasserwirtschaft des Flusses, insbesondere durch die Ausübung der Schiffahrt bedingte Minderungen der Kraftleistungen von der AG ohne Anspruch auf Entschädigung zu dulden sind. Das bedeutet, daß die AG keinerlei Befugnisse hinsichtlich der Bedienung der Wehr- und Stauanlagen besitzt und damit keinen Einfluß auf den Wasserstau ausüben kann. Die Stau- und Wehranlagen, an die das Kraftwerk angeschlossen ist, erstrecken sich über den Flußlauf, dessen Mitte die Grenze zwischen den Gemeinden X und Y bildet. Auf dem rechten Flußufer berühren diese Anlagen ein gleichfalls dem Bund gehörendes Grundstück. Auf dem Gebiet der beschwerdeführenden Gemeinde Y besitzt die Stpfl. lediglich ein nicht an den Fluß grenzendes Grundstück, auf dem sich eine seit 1940 stillgelegte Transformatorenstation des Bundes und ein Arbeiterwohnhaus der Stpfl. binden.

Die Vorinstanzen haben den Antrag der beschwerdeführenden Gemeinde Y auf Zuteilung eines Zerlegungsanteils am einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag der Stpfl. abgelehnt.

 

Entscheidungsgründe

Die weitere Beschwerde ist unbegründet.

Voraussetzung für die Zuteilung von Zerlegungsanteilen wäre, daß sich in den Streitjahren auf dem Gebiet der beschwerdeführenden Gemeinde entweder eine selbständige Betriebstätte im Sinne des § 16 StAnpG befunden oder sich die einheitliche Betriebstätte der Stpfl. als sogenannte mehrgemeindliche Betriebstätte auch auf das Gebiet der Bfin. erstreckt hätte. Keine dieser Voraussetzungen aber ist im Streitfall gegeben. Die auf dem Gebiet der Bfin. belegene und seit langem stillgelegte Transformatorenstation sowie das Arbeiterwohnhaus der steuerpflichtigen AG begründen keine Betriebstätte im Sinne des § 16 StAnpG. Bereits im Beschluß I B 148/59 U vom 30. August 1960 (BStBl 1960 III S. 468, Slg. Bd. 71 S. 585) hat der Senat ausgesprochen, daß verpachtete oder stillgelegte Teilbetriebe keine Betriebstätten in der Gemeinde begründen, in der sich diese Anlagen befinden. Aus dem Vorhandensein stillgelegter Betriebsteile eines auswärtigen Gewerbebetriebs kann eine Gemeinde in der Regel keinen Gewerbesteueranspruch herleiten. Wie der Beschluß weiter ausführt, liegt eine Betriebstätte nur dann vor, wenn sich in einer festen örtlichen Anlage dauernde Tätigkeiten, wenn auch bloß Hilfstätigkeiten oder andere unwesentlichen Tätigkeiten, vollziehen, die dem Gewerbebetrieb unmittelbar dienen. Eine ruhende betriebliche Anlage allein bildet keine Betriebstätte. Nach den Grundsätzen dieses Beschlusses begründen die stillgelegte Transformatorenstation und das Arbeiterwohnhaus (vgl. Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. Juni 1904 und vom 25. März 1930, abgedruckt in Entscheidungen des Königlich Preußischen Oberverwaltungsgerichts in Staatssachen Bd. 12 S. 473, und im Reichsverwaltungsblatt und Preußischen Verwaltungsblatt Bd. 51 S. 609, sowie Ausführungen in den Gewerbesteuer-Richtlinien 1958 Abschn. 24 Abs. 4) keine Betriebstätte und demzufolge keinen Anspruch auf Zuteilung eines Zerlegungsanteils. Die Zuteilung eines Zerlegungsanteils kann auch nicht darauf gestützt werden, daß sich die Betriebstätte der steuerpflichtigen AG auf das Gebiet der Bfin. erstreckt habe, daß also eine sogenannte mehrgemeindliche Betriebstätte vorliege. Teile eines gewerblichen Betriebsvermögens, insbesondere auch Teile des Vermögens einer Kapitalgesellschaft, die räumlich miteinander verbunden sind, bilden im allgemeinen auch eine einheitliche Betriebstätte (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs I B 218/56 U vom 26. November 1957, BStBl 1958 III S. 261, Slg. Bd. 66 S. 679). Dabei wird nicht vorausgesetzt, daß der in jeder Gemeinde belegene Teil der einheitlichen Betriebstätte für sich allein die Voraussetzungen einer Betriebstätte im Sinne des § 16 StAnpG erfüllt. Eine etwa stillgelegte Betriebstätte bildet mit den weiterarbeitenden Betriebsteilen eine einheitliche, zusammenhängende Betriebstätte (vgl. I B 148/59 U, a. a. O.). Im Streitfall fehlt es am entscheidenden Merkmal einer mehrgemeindlichen Betriebstätte, nämlich der räumlichen Verbindung von Betriebsvermögensteilen eines gewerblichen Betriebs. Die Bfin. kann sich für eine mehrgemeindliche Betriebstätte nicht auf die sich über den Strom und auch auf ihr Gebiet erstreckenden Stau- und Wehranlagen berufen. Diese Anlagen gehören dem Bund. Sie sind von der Stpfl. nicht gepachtet und ihrer Verfügungsgewalt entzogen. Es mag zugegeben werden, daß der Betrieb des Kraftwerkes auf dem Fall des durch die Wehr- und Stauanlagen fließenden Wassers und der damit angesammelten Wasserkraft beruht. Das Elektrizitätswerk wandelt Wasserkraft in elektrische Energie um. Dieser Tatbestand entscheidet nicht darüber, wem die Stau- und Wehranlagen zuzurechnen sind. Nach Lage der Verhältnisse muß davon ausgegangen werden, daß der Bund durch seine Anlagen die Wasserkraft erzeugt und der AG lediglich ein Kraftbezugsrecht eingeräumt hat. Es liegt kein Kauf gespannten Wassers vor, die Stpfl. hat nur das Recht, das durch die Anlagen des Bundes gestaute Wasser (Wasserkraft) zu nutzen. Sie hat ein Nutzungsrecht hinsichtlich der in dem gespannten Wasser angesammelten Kraft. Welche steuerlichen Folgen sich aus dieser entgeltlichen Kraftabgabe für die Besteuerung des Bundes ergeben, braucht in diesem Verfahren nicht untersucht zu werden.

Die Stpfl. kann keinerlei Einfluß auf die Anlagen des Bundes ausüben. Schon das Finanzgericht München hat sich in der Entscheidung vom 14. April 1955, Entscheidungen der Finanzgerichte 1955 S. 303, ausführlich damit beschäftigt, welche Folgerungen sich aus diesem Umstande für die Frage der Hinzurechnungen gemäß §§ 8 Ziff. 8 und 12 Ziff. 2 des Gewerbesteuergesetzes ergeben. Unter Bezug auf die Verträge, nach denen der Bund die Schiffahrtstraße zu unterhalten und zu betreiben hat, gelangte das Finanzgericht zu dem Ergebnis, daß die Stpfl. am Wehr- und Schleusenbetrieb keinen Anteil habe. Der Vorgang der Benutzung gestauten Wassers - als Kraftabgabe - und der Betrieb bzw. der Unterhalt der Stau- und Wehranlagen sind zwei voneinander unabhängige Tatbestandsmerkmale. Der Umstand, daß im Kraftwerk Wasserkraft in elektrische Kraft umgewandelt wird, genügt allein nicht, die zur Erzeugung von gespanntem Wasser erforderlichen Anlagen und die Stromerzeugungsanlagen als eine einheitliche Anlage anzusehen. Da die Stpfl. vertraglich und tatsächlich keine Verfügungsmacht über die streitigen Anlagen besitzt, haben die Vorinstanzen mit Recht keine mehrgemeindliche Betriebstätte angenommen und die beschwerdeführende Gemeinde von der Zuteilung eines Zerlegungsanteils ausgeschlossen. Soweit im Beschluß des Bundesfinanzhofs I B 86/51 vom 30. November 1951 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Gewerbesteuergesetz, § 30, Rechtsspruch 6) von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, hält der Senat daran nicht mehr fest.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410685

BStBl III 1963, 156

BFHE 1963, 428

BFHE 76, 428

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