Entscheidungsstichwort (Thema)

Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes

 

Leitsatz (NV)

Zu den Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes

 

Normenkette

FGO § 114 Abs. 1 S. 2, Abs. 3; ZPO § 920 Abs. 2

 

Tatbestand

Zur Durchsetzung der Einkommensteueransprüche 1981 und 1982 gegen den Antragsteller und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) pfändete der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) ,,Ansprüche, Forderungen und Rechte" des Beschwerdeführers aus einer Bankverbindung und dessen Arbeitseinkommen. Den Antrag des Beschwerdeführers, die Pfändungen im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzuheben, lehnte das Finanzgericht (FG) ab.

Seine Beschwerde gegen die Entscheidung des FG begründet der Beschwerdeführer im wesentlichen wie folgt: Das FG habe seine Auffassung, ein auf § 258 der Abgabenordnung (AO 1977) beruhender Anspruch sei nicht glaubhaft gemacht, nicht hinreichend begründet. Allein aufgrund der Lebenserfahrung dürfe bekannt sein, daß, wenn das alleinige Bankkonto, über das sämtliche Zahlungen - Beiträge an Krankenkassen und Lebensversicherungen, Hypothekenzinsen usw. - abgewickelt würden, sowie das Gehaltskonto beim Arbeitgeber gepfändet würden, der Beschwerdeführer nicht mehr in der Lage sei, der Familie den nötigen Krankenschutz und Unterhalt zu gewähren, und darüber hinaus sein selbstbewohntes Zweifamilienhaus gefährdet werde. Die finanzierenden Institute hätten bereits infolge der Nichtzahlung der fälligen Zins- und Tilgungsleistungen die Zwangsvollstreckung angedroht. Die wirtschaftliche und persönliche Existenz des Beschwerdeführers habe auf dem Spiel gestanden. Außerdem sei ein wesentlicher Nachteil zu bejahen, wenn das FA einen negativen Feststellungsbescheid erlassen habe, der Beschwerdeführer aber glaubhaft machen könne, einen Rechtsanspruch auf eine einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung zu haben. Der vorläufige Rechtsschutz

im Feststellungsverfahren solle auch Rechtsschutz gegenüber den belastenden Folgebescheiden bewirken. Vorläufiger Rechtsschutz sei durch Aussetzung der Vollziehung zu gewähren. Vor der Entscheidung über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung sei die Vollstreckung aus dem Folgebescheid unbillig, wenn die summarische Prüfung ergebe, daß ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Grundlagenbescheids bestünden. Seinen Verpflichtungen habe der Beschwerdeführer bisher nur aufgrund großzügiger Unterstützung durch seine Verwandtschaft auf dem Darlehenswege nachkommen können.

Der Beschwerdeführer beantragt, den Beschluß des FG aufzuheben und den beantragten Vollstreckungsaufschub durch einstweilige Anordnung zu gewähren.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Es führt u.a. aus, das von der Pfändung betroffene Bankkonto habe nur ein Guthaben von 210 DM ausgewiesen und die Pfändung des Arbeitseinkommens sei erfolglos verlaufen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Sie kann zumindest deshalb keinen Erfolg haben, weil der Beschwerdeführer einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht hat (§ 114 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -, § 920 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -).

Der Beschwerdeführer strebt eine Regelungsanordnung i. S. des § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO dahin an, daß bestehende Pfändungsmaßnahmen aufgehoben und weitere Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund der Einkommensteueransprüche des FA unterbunden werden. Die genannte Vorschrift räumt dem Gericht keine schrankenlose Befugnis zum Erlaß einer einstweiligen Anordnung ein. Die in § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO ausdrücklich genannten Gründe (,,wesentliche Nachteile" und ,,drohende Gewalt") setzen Maßstäbe auch für die ,,anderen Gründe" im Sinne dieser Bestimmung. Als befürchtete Nachteile können nur solche berücksichtigt werden, die über die allgemeinen Nachteile einer Steuerzahlung hinausgehen (vgl. Beschluß des erkennenden Senats vom 25. September 1985 VII B 77/85, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 1986, 223). Zur Glaubhaftmachung derartiger Nachteile reichen bloße Behauptungen nicht aus (vgl. Beschluß des erkennenden Senats vom 19. September 1985 VII B 35/85, BFH/NV 1986, 170).

Unter Beachtung dieser Grundsätze kann dem Vorbringen des Beschwerdeführers die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes im vorgenannten Sinne nicht entnommen werden. Auch wenn der Senat davon ausgeht, daß sich aus den Ausführungen des Beschwerdeführers die Behauptung ergibt, er sei durch die Pfändung in der Erfüllung seiner Unterhaltsverpflichtungen beeinträchtigt worden, und daß eine derartige Beeinträchtigung ein für die Anerkennung eines Anordnungsgrundes hinreichender Nachteil ist, so fehlt es doch an Anhaltspunkten, die es glaubhaft erscheinen lassen, daß dieser Nachteil infolge der Pfändungen tatsächlich eingetreten ist. Die Ausführungen des Beschwerdeführers enthalten keine konkreten Darlegungen, die geeignet sind, die Richtigkeit seiner aufgezeigten Behauptung zu belegen. So bringt der Beschwerdeführer nichts zur Höhe der gepfändeten Beträge sowie zu dem Umfang seiner Unterhaltsverpflichtungen einschließlich der Beiträge zu Versicherungen und der Aufwendungen für das Familienwohnheim vor. Seine Ausführungen enthalten auch keine konkreten Angaben zu der Frage, ob die Vorschriften über Beschränkungen und Verbote für die Pfändung von Forderungen und Ansprüchen (vgl. § 319 AO 1977) bei den streitbefangenen Pfändungen beachtet worden sind und, sofern das zutrifft, weshalb gleichwohl Beeinträchtigungen eingetreten sind, die über die üblichen Nachteile einer Steuerzahlung hinausgehen.

Dabei hätte der Beschwerdeführer zu derartigen Angaben besonders deshalb Anlaß gehabt, weil das FA vorgebracht hat, bei der Bank sei nur ein Guthaben von 210 DM gepfändet worden und die Pfändung des Arbeitseinkommens sei erfolglos verlaufen. Schon weil der Beschwerdeführer diesen Angaben nicht widersprochen hat, hat der Senat keine Veranlassung, ihnen nicht zu folgen. Geht man aber von der Richtigkeit dieser Angaben aus, so kann nicht angenommen werden, daß die Pfändungen den Beschwerdeführer in der Erfüllung seiner Unterhaltspflicht beeinträchtigt haben.

 

Fundstellen

BFH/NV 1987, 39

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