Entscheidungsstichwort (Thema)

Außertarifliche Zollfreiheit keine Zolltarifsache

 

Leitsatz (NV)

1. Ein Streit um das Vorliegen einer außertariflichen Zollfreiheit (hier: Erbschaftsgut) ist keine Zolltarifsache i.S. d. § 116 Abs. 2 FGO.

2. Eine unzulässige Revision kann nicht in eine Nichtzulassungsbeschwerde umgedeutet werden.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 3, § 116 Abs. 2

 

Tatbestand

Die in der Schweiz lebende Schwester der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hatte ein Testament errichtet, in dem sie der Klägerin eine monatliche Rente sowie ihre gesamte persönliche Habe vermachte. Die Schwester der Klägerin hatte ein Bankfach bei einer Bank in der Schweiz, in dem sie Schmuck von erheblichem Wert aufbewahrte. Im . . . leitete sie den Mietvertrag an dem Bankfach auf die Klägerin über. Aufgrund einer gleichzeitigen Vollmacht, die die Klägerin erteilte, und der Aushändigung eines Safeschlüssels verblieb der Schwester der Klägerin die Verwaltung des Safeinhalts bis zu ihrem Tode. Nach dem Tod der Schwester führte die Klägerin in den Monaten April bis Juni 1984 den größten Teil des Schmucks in das Zollgebiet ein, ohne diesen einer zollamtlichen Behandlung zuzuführen.

Nach Aufdeckung des Sachverhalts erließ das beklagte und revisionsbeklagte Hauptzollamt (HZA) einen Steuerbescheid, in dem es die Eingangsabgaben für den eingeführten Schmuck auf . . . DM festsetzte.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus: Der Steuerbescheid sei rechtmäßig. Eine außertarifliche Zollfreiheit i.S. von § 24 Abs. 1 Nr.1 Buchst. c des Zollgesetzes (ZG) sei für den Schmuck nicht anzunehmen, da es sich bei ihm nicht um Erbschaftsgut oder gleichgestellte Ware handele. Erbschaftsgut im Sinne des bis zum 30. Juni 1984 geltenden § 42 Satz 1 der Allgemeinen Zollordnung (AZO) sei deswegen nicht anzunehmen, da die Klägerin den Schmuck weder als Vermächtnisnehmerin noch aus dem Nachlaß erhalten habe. Bei dem Schmuck handele es sich auch nicht um Erbschaftsgut gleichgestellte Waren im Sinne des bis zum 30. Juni 1984 geltenden § 42 Satz 3 AZO. Zwar sei der Klägerin der Schmuck bereits zu Lebzeiten ihrer Schwester zugewendet worden, aber nicht mit der von der AZO geforderten Bestimmung, daß er auf das Vermächtnis der Klägerin angerechnet werden solle. Die Möglichkeit der entsprechenden Anwendung des § 42 AZO könne im Streitfall dahingestellt bleiben.

Die Revision wurde vom FG nicht zugelassen.

Die Klägerin vertritt in ihrer Revisionsbegründung die Ansicht, daß es sich bei der Entscheidung des FG um ein ohne Zulassung revisibles Urteil in einer Zolltarifsache handele.

Mit der Revision rügt die Klägerin, daß das FG rechtsfehlerhaft die Voraussetzungen des § 42 AZO abgelehnt habe. Die von der Klägerin und ihrer Schwester gewählte Konstruktion entspreche dem im deutschen Recht anerkannten Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall. Ein solcher Vertrag erfülle die Anforderungen des § 42 AZO. Da das schweizerische Recht diesen Vertragstypus nicht kenne, hätten die Klägerin und ihre Schwester eine Rechtskonstruktion vereinbart, die dem Typus in Wirklichkeit gleich sei.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Revision ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht statthaft ist (§ 124, § 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

a) Grundsätzlich ist die Revision nur statthaft, wenn sie vom FG oder auf die Beschwerde gegen die Nichtzulassung vom Bundesfinanzhofs (BFH) zugelassen wurde (§ 115 Abs. 1 FGO i.V.m. Art.1 Nr.5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG -). Eine Zulassung der Revision ist im Streitfall nicht erfolgt.

b) Für eine zulassungsfreie Verfahrensrevision (§ 116 Abs. 1 FGO) ist von der Klägerin nichts vorgetragen worden und sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich.

c) Ein Fall der nach § 116 Abs. 2 FGO zulassungsfreien Revision ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht gegeben. Die Vorentscheidung ist kein Urteil in einer Zolltarifsache.

Nach der Rechtsprechung des Senats liegt ein ohne Zulassung revisibles Urteil in einer Zolltarifsache vor, wenn das Urteil des FG von einer in ihm getroffenen zolltariflichen Entscheidung abhängt oder abhängen kann (zuletzt Beschluß vom 26. Februar 1991 VII R 41/89, BFHE 164, 5, BStBl II 1991, 526 m.w.N.). In dem Urteil des FG muß also eine zolltarifliche Frage entschieden worden sein (Senatsbeschluß vom 22.März 1977 VII R 39/74, BFHE 121, 400, BStBl II 1977, 430). Der Zolltarif ist ein systematisches Verzeichnis, das als Rechtsnorm erlassen wird und lückenlos alle Waren mit den dazugehörigen Zollsätzen erfaßt (vgl. Lux, Allgemeines Zolltarifrecht, in: Regul, Gemeinschaftszollrecht, 61, 75). Es enthält zum einen das Zolltarifschema (Nomenklatur), d.h. ein umfassendes Verzeichnis von Waren, das durch weitere Bestimmungen ergänzt werden kann, und die Zollsätze, d.h. die Bemessungsfaktoren für die Berechnung des Zolls. Zolltarifrecht i.S. des § 116 Abs. 2 FGO ist das Recht des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) und des Deutschen Teil-Zolltarifrechts. Bis 1988 beruhte das in Deutschland geltende Zolltarifrecht auf der Nomenklatur des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens (,,Brüsseler Zolltarifschema"), die in den Europäischen Gemeinschaften mit gemeinschaftlichen und nationalen Ergänzungen Anwendung fand. Eine zolltarifliche Frage liegt demzufolge vor, wenn es darum geht, eine Ware zu tarifieren, d.h. in die richtige Tarifstelle des Warenverzeichnisses einzuordnen.

Eine zolltarifliche Entscheidung liegt im Streitfall nicht vor. Es geht nicht um die Tarifierung der von der Klägerin eingeführten Schmuckgegenstände. Die Tarifstelle des Warenverzeichnisses ist nicht streitig. Streitig ist, ob der Schmuck einer außertariflichen Zollfreiheit unterliegt (§ 24 Abs. 1 ZG, § 42 AZO a.F.), weil es sich bei ihm nach Meinung der Klägerin um Erbschaftsgut handelt. Die Regelungen über außertarifliche Zollfreiheiten gehören aber nicht zum Zolltarifrecht (Olbertz, Grundsätze des Wirtschaftszollrechts, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern - ZfZ - 1972, 198, 199); sie ergeben sich nicht aus dem GZT oder sonstigen tarifrechtlichen Vorschriften.

Mit den im Zolltarif vorgesehenen Zollfreiheiten werden im allgemeinen wirtschaftliche Ziele verfolgt (Bail/Schädel/Hutter, Kommentar zum Zollrecht, F VIII 1, Rdnr.2). Zollfreiheit wird danach gewährt für Einfuhren, die der Wirtschaft der Gemeinschaft dienen. Daneben wird seit einiger Zeit tariflich Zollfreiheit auch aus entwicklungspolitischen Gründen gewährt. Demgegenüber sind die außertariflichen Zollbefreiungen in aller Regel weder wirtschafts- noch entwicklungspolitisch motiviert (Bail/Schädel/Hutter, a.a.O.; Kampf, Vorzugsbehandlungen, in: Witte/Wolffgang, Lehrbuch des Zollrechts, Rdnr.847). Sie werden vielmehr aus humanitären oder kulturellen Gründen, zur Förderung des Tourismus, zur Erleichterung des Grenzverkehrs, zur Verwaltungsvereinfachung bei geringwertigen Einfuhren oder aus ähnlichen Gründen gewährt. Im allgemeinen handelt es sich um Sachverhalte, die nicht in den Wettbewerb eingreifen und auch fiskalisch kaum ins Gewicht fallen (Bail/ Schädel/Hutter, a.a.O.).

Gerade das letzte Argument bestätigt, daß Streitigkeiten über außertarifliche Zollfreiheiten nicht zu den Zolltarifsachen zählen. Dem § 116 Abs. 2 FGO liegt nämlich die Erwägung zugrunde, daß Urteile über die Tarifierung von Waren stets grundsätzliche Bedeutung haben und sie deshalb ohne weiteres revisibel sein sollen (Senatsbeschluß vom 20. Februar 1990 VII R 125/89, BFHE 159, 573, BStBl II 1990, 546 m.w.N.). Eine derartige grundsätzliche Bedeutung liegt bei den außertariflichen Zollfreiheiten wie der für Erbschaftsgut im Einzelfall jedoch zumindest nicht ohne weiteres vor. Damit scheidet eine nach § 116 Abs. 2 FGO zulassungsfreie Revision im Streitfall aus.

2. Die von der Klägerin eingelegte Revision kann nicht hilfsweise als Nichtzulassungsbeschwerde gelten.

Eine Revision kann regelmäßig nicht in eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision umgedeutet werden (ständige Rechtsprechung seit BFH-Beschluß vom 27. Januar 1967 VI R 216/66, BFHE 88, 73, BStBl III 1967, 291; zuletzt BFH-Beschluß vom 10. Juni 1988 IX R 29/88, BFH/NV 1990, 119), da zwischen beiden Rechtsmitteln erhebliche rechtliche und verfahrensmäßige Unterschiede bestehen. Die Revision enthält unmittelbar den Angriff gegen das FG-Urteil (§ 115 Abs. 1 FGO). Die Nichtzulassungsbeschwerde bereitet diesen Schritt nur vor; denn wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt erst dann der Lauf der Revisionsfrist (§ 115 Abs. 5 Satz 4 FGO); es liegt nunmehr beim Beschwerdeführer, die Revision einzulegen (§ 120 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Revision ist grundsätzlich auf die Verletzung von Bundesrecht zu stützen (§ 118 Abs. 1 FGO). In der Nichtzulassungsbeschwerde dagegen muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des BFH, von der das Urteil des FG abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruht, bezeichnet werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Gerade diese Besonderheit in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde unterscheidet sie wesentlich von der Revision (vgl. zu den sonstigen Unterschieden BFHE 88, 73).

 

Fundstellen

Haufe-Index 418876

BFH/NV 1993, 338

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