Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlende Beschwer bei absolutem Revisionsgrund

 

Leitsatz (NV)

1. Auch bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes muß die Revision zulässig sein.

2. Der Revisionskläger ist nur beschwert, wenn im Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels ein ihm nachteiliger Unterschied zwischen seinem Begehren in der Vorinstanz und der angefochtenen Entscheidung besteht.

 

Normenkette

FGO § 40 Abs. 2, § 119 Nr. 6

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Die Klägerin betrieb in den Streitjahren (1968 bis 1970) einen auf ihren Namen angemeldeten Güternahverkehr sowie einen Kohlen- und Kokshandel. Der Kläger war in dem Unternehmen seiner Ehefrau angestellt.

Nach einer Steuerfahndungsprüfung erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) gegen die Kläger geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre, in denen er die von den Klägern erklärten gewerblichen Einkünfte um 48 182 DM für 1968, um 61 521 DM für 1969 und um 65 286 DM für 1970 erhöhte. Grundlage der Zuschätzungen war ein von dem Steuerfahndungsprüfer durchgeführter Vermögensvergleich, in dem als zu berücksichtigende Ausgaben für Schuldentilgung und Unterhaltszahlungen im Jahr 1968 25 000 DM, im Jahr 1969 48 000 DM und im Jahr 1970 50 000 DM angesetzt worden waren.

Mit ihrer nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage beantragten die Kläger, die Einkommensteuer der Streitjahre unter Herabsetzung der gewerblichen Einkünfte um 25 000 DM für 1968, 48 000 DM für 1969 und 50 000 DM für 1970 neu festzusetzen.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage in vollem Umfang statt und setzte die Einkommensteuer 1968 auf 0 DM, für 1969 auf 14 354 DM und für 1970 auf 17 058 DM herab. Wegen der näheren Begründung nahm das FG Bezug auf sein Urteil in der Umsatzsteuersache der Klägerin, das am 8. August 1983 zugestellt wurde. Die angefochtene Entscheidung war den Prozeßbevollmächtigten der Kläger bereits am 28. Juli 1983 zugestellt worden.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Sie machen insbesondere geltend, daß das angefochtene Urteil wegen der Bezugnahme auf die erst später zugestellte Umsatzsteuersache nicht mit Gründen versehen sei. Die Entscheidung der Vorinstanz sei auch materiell unrichtig, da die den Steuerbescheiden zugrundeliegende Berechnung der Steuerfahndung fehlerhaft und unzulässig sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig; sie war daher zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Kläger sind durch das angefochtene Urteil nicht beschwert (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 118, Anm. 3). Für das Jahr 1968 folgt dies bereits daraus, daß die Einkommensteuer durch das FG auf 0 DM herabgesetzt worden ist. Eine Beschwer ist aber auch für die Streitjahre 1969 und 1970 zu verneinen. Denn diese liegt nur dann vor, wenn im Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung ein dem rechtsmittelführenden Beteiligten nachteiliger Unterschied zwischen seinem Begehren in der Vorinstanz und der angefochtenen Entscheidung besteht (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, Vor § 115 FGO, Tz. 8; vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. Juni 1976 IV R 236/71, BFHE 120, 348, BStBl II 1977, 62). Das FG hat jedoch dem Klagebegehren in vollem Umfang entsprochen.

Soweit die Kläger mit ihrem Revisionsbegehren über den Klageantrag hinausgehen, liegt im übrigen eine im Revisionsverfahren unzulässige Klageerweiterung vor (§ 123 FGO; vgl. BFH-Urteil vom 4. April 1974 IV R 7/71, BFHE 112, 331, BStBl II 1974, 522).

Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob der von den Klägern gerügte absolute Revisionsgrund des § 119 Nr. 6 FGO gegeben ist. Denn auch bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes muß die Revision zulässig sein; anderenfalls kann es nicht zu dessen Prüfung kommen (Gräber, a.a.O., § 119, Anm. 1 D mit weiteren Nachweisen).

 

Fundstellen

Haufe-Index 415199

BFH/NV 1988, 782

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