Leitsatz

Die Beweiskraft einer Zustellungsurkunde kann nicht durch die eidesstattliche Versicherung des Betroffenen widerlegt werden.

 

Sachverhalt

Weil der Antragsteller die erforderliche Bescheinigung über das Ende des Studiums seiner Tochter nicht eingereicht hatte, hob der Antragsgegner mit Bescheid vom 26. März 2015 die Kindergeldfestsetzung für die Tochter des Antragstellers für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis 30. September 2014 auf und forderte das zu viel gezahlte Kindergeld in Höhe von insgesamt 6.072 Euro zurück. Der Bescheid wurde dem Antragsteller nach dem Inhalt der Zustellungsurkunde am 30. März 2015 persönlich übergeben. Er wurde zur Rückzahlung aufgefordert. Daraufhin wandte sich der Antragsteller mit einem per E-Mail übersandten Schreiben vom 19. Mai 2015 an den Antragsgegner, dem er eine Kopie der Exmatrikulationsbescheinigung beifügte, wonach seine Tochter ihr Studium am 30. September 2014 beendet hatte. In diesem Schreiben erklärte er außerdem, dass er diese Bescheinigung bereits im Februar über die Dienstpost seiner Dienststelle eingereicht und den Bescheid vom 26. März 2015 nicht erhalten habe. Der Antragsgegner wertete das Schreiben vom 19. Mai 2015 als Einspruch. Er erläuterte dem Antragsteller, dass der Einspruch verspätet eingelegt und deshalb unzulässig sei. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen nicht vor. Der Anragsteller beantragte die Aussetzung der Vollziehung über die vom Gericht nach Zurückweisung durch das Finanzamt zu entscheiden war. Zur Glaubhaftmachung seines Vortrags in tatsächlicher Hinsicht bezieht sich der Antragsteller auf seine eidesstattliche Versicherung vom 5. Juli 2015.

 

Entscheidung

Der Antrag hatte keinen Erfolg, da das Gericht keine Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit des Rückforderungsbescheides sah. Der angefochtene Bescheid sei bestandskräftig und damit einer Prüfung durch das Gericht entzogen. Der Bescheid sei dem Antragsteller am 30. März 2015 zugestellt und damit wirksam bekannt gegeben worden Der dagegen vom Antragsteller erhobene Einwand, er habe den zugestellten Bescheid nicht erhalten, greife nicht durch. Denn gemäß § 182 Abs. 1 VwZG i. V. m. § 418 Abs. 1 ZPO begründe die Zustellungsurkunde den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen. Die Beweiswirkung der Urkunde müsse völlig entkräftet werden. Solange die Möglichkeit der inhaltlichen Richtigkeit der Urkunde bestehe, sei diese Wirkung nicht widerlegt. Insbesondere könne der Gegenbeweis nicht durch Parteivernehmung geführt werden oder - wie im Streitfall - durch eine der Glaubhaftmachung dienende eidesstattliche Versicherung. Die Rechtsbehelfsbelehrung sei auch nicht missverständlich, so dass die Rechtsmittelfrist einen Monat betragen habe.

 

Hinweis

Die Entscheidung führt vor Augen, welche Anstrengungen zu unternehmen sind, um den Beweis der Zustellung zu erschüttern, wenn diese durch eine Zustellungsurkunde erfolgt ist. Die Zustellung eines Verwaltungsakts erfolgt nur, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder die Finanzbehörde die Zustellung in anderen Fällen anzuordnet. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sie den eindeutigen Nachweis des Zugangs für erforderlich hält. Für förmliche Zustellungen gelten die Vorschriften des VwZG. Die Zustellungsurkunde erbringt hierbei als öffentliche Urkunde den vollen Beweis für die Tatsachen, die in ihr beurkundet sind. Dies betrifft hier den Zugang des Bescheides. Die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde ist nur durch den Gegenbeweis widerlegbar (§ 418 Abs. 2 ZPO). Eine eidesstattliche Versicherung ist hierbei nicht ausreichend, um diesen Gegenbeweis zu führen. Dies hat der BFH bereits vor einigen Jahren entschieden (BFH v. 2.6.1987, VII R 36/84, BFH/NV 88, 170; zur Beweiskraft auch statt vieler Entscheidungen BFH v. 12.12.2013, X B 205/12, BFH/NV 2014, 490). Insofern ist die Entscheidung des Finanzgerichts nicht überraschend, wenngleich bedauerlich für den Betroffenen. Bei einer Zustellung mittels Zustellungsurkunde ist deshalb in einem besonderen Maße auf die Einhaltung von Fristen zu achten.

 

Link zur Entscheidung

FG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 09.03.2016, 4 V 770/15

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