Leitsatz

1. Ist der selbständige Lehrer nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG an einer Einrichtung tätig, die die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG erfüllt, muss dieser Einrichtung die dort bezeichnete Bescheinigung erteilt worden sein.

2. Für einen selbständig tätigen Lehrer kommt die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG nicht in Betracht, wenn er nicht selbst eine Bildungseinrichtung im Sinne dieser Vorschrift betrieben, sondern als selbständiger Lehrer Unterrichtsleistungen für eine Bildungseinrichtung erbracht hat.

3. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO enthält eine Berechtigung sowie eine Verpflichtung der Finanzbehörde zur Änderung des Folgebescheids nur insoweit, als die Bindungswirkung des Grundlagenbescheids reicht.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb und Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG, § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO

 

Sachverhalt

Der Kläger war in den Streitjahren 2004 bis 2008 unter der Bezeichnung X-Schule als Referent bei Lehrgängen zur "Qualifizierung zum Kräuterpädagogen" tätig, die von den Ämtern für ... organisiert wurden. Diese gehörten zum Ministerium für ... (Ministerium), das in diesem Bundesland für die Erteilung von Bescheinigungen nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG zuständig war. Die Teilnehmer zahlten die für die Lehrgänge geschuldete Vergütung an die Ämter. Diese vergüteten den Kläger. Es bestand keine unmittelbare Vertragsbeziehung zwischen dem Kläger und den Lehrgangsteilnehmern. Die Lehrgänge dienten dazu, Bäuerinnen die fachliche und auch die methodisch-pädagogische Voraussetzung zu vermitteln, um neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln und anbieten zu können.

Das FA ging davon aus, dass die Referententätigkeit bei den Lehrgängen dem Regelsteuersatz unterliege, und erließ Änderungsbescheide für die Streitjahre. Das FA hob zugleich den Vorbehalt der Nachprüfung auf; der Änderungsbescheid für das Streitjahr 2006 erging gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Einspruch und Klage zum FG hatten keinen Erfolg.

Noch vor dem rechtskräftigen Abschluss des finanzgerichtlichen Verfahrens beantragte der Kläger mit Schreiben vom 9.3.2016 beim FA die Änderung der Steuerbescheide nach § 171 Abs. 10 AO unter Vorlage einer vom Ministerium am 13.2.2016 erteilten Bescheinigung, in der dieses bestätigte, dass die in den Jahren 2002 bis 2008 in Kooperation mit den Ämtern für ... "durchgeführten Qualifizierungsmaßnahmen die Voraussetzung der Umsatzsteuerfreiheit des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb erfüllen". Auch diesen Antrag lehnte das FA mit Bescheid vom 16.11.2016 ab und wies den hiergegen eingelegten Einspruch mit Entscheidung vom 9.4.2018 als unbegründet zurück. Auch die erneute Klage zum FG hatte keinen Erfolg (FG Köln, Urteil vom 17.7.2019, 5 K 1112/18, Haufe-Index 14501276, EFG 2021, 1415).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. Im Hinblick auf den rechtskräftigen Abschluss des ersten Klageverfahrens sei nur über das Vorliegen eines rückwirkenden Ereignisses aufgrund der vom Ministerium erteilten Bescheinigung zu entscheiden, was nicht zu einer Gesamtaufrollung des Streitfalls führe. Es liege kein rückwirkendes Ereignis vor. Dieses komme nur im Anwendungsbereich der Steuerbefreiung der Bildungseinrichtung (§ 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG), nicht aber auch bei der Steuerfreiheit des für die Bildungseinrichtung tätigen Lehrers (§ 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG) in Betracht. Im Streitfall habe der Kläger seine Leistung nicht als Bildungseinrichtung, sondern als Lehrer erbracht, da zwischen ihm und den Lehrgangsteilnehmern keine Vertragsbeziehung und kein Vergütungsanspruch bestanden habe.

 

Hinweis

1.§ 4 Nr. 21 UStG liegt ein zweistufiges Befreiungsmodell zugrunde, bei dem zwischen der Leistung der Bildungseinrichtung und der des für die Bildungseinrichtung selbstständig tätigen Lehrers zu unterscheiden ist.

a) § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG befreit die Leistung der Bildungseinrichtung. Steuerfrei sind danach die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten.

Die in § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG bezeichnete Bescheinigung der Landesbehörde ist dem Unternehmer zu erteilen, der die dem Bildungszweck dienenden Leistungen erbringt. Die Bescheinigung ist ein Grundlagenbescheid i.S. v. § 171 Abs. 10 AO.

b) Die Steuerfreiheit des für die Bildungseinrichtung tätigen Lehrers ergibt sich aus § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG. Diese Steuerfreiheit erfasst die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Unterrichtsleistungen selbstständiger Lehrer an privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, soweit diese die Voraussetzu...

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