Leitsatz

Streitig war, ob ein Unternehmer ein Gebäude nach Kenntnis einschlägiger Urteile des EuGH (EuGH, Urteil v. 4.10.1995, C-291/92, BStBl 1996 II S. 392, Armbrecht-Urteil) nachträglich seinem Unternehmensvermögen zuordnen konnte und somit nach der Entscheidung des EuGH v. 8.5.2003 (EuGH, Urteil v. 8.5.2003, C-269/00, BStBl 2004 II S. 378, Seeling-Urteil) einen Vorsteuerabzug auch für den privat genutzten Teil des Hauses vornehmen konnte. Obwohl die Zuordnungsentscheidung grundsätzlich sofort bei Anschaffung oder Herstellung des Gegenstandes zu treffen ist, hat das FG München hier die nachträgliche Zuordnung bejaht.

 

Sachverhalt

Eine Ehegatten-Bauherrengemeinschaft errichtete in 1991 und 1992 ein Gebäude, von dem ein Teil für vorsteuerabzugsberechtigende Zwecke genutzt wurde, ein anderer Teil für private Wohnzwecke der Eheleute verwendet wurde. In den Steuererklärungen für 1991 und 1992 wurde der auf den unternehmerisch genutzten Teil des Gebäudes entfallende Vorsteuerbetrag geltend gemacht. In 1992 und 1994 stimmte das zuständige Finanzamt den Steuererklärungen zu. Im Dezember 1996 beantragten die Eheleute eine Berichtigung der Umsatzsteuer, mit dem Ziel, die ihnen berechneten Umsatzsteuerbeträge in vollem Umfang als Vorsteuer abziehen zu können. Unter Berufung auf das Armbrecht-Urteil (EuGH, Urteil v. 4.10.1995, C-291/92, BStBl 1996 II S. 392) teilten sie dem Finanzamt mit, dass sie das Haus insgesamt dem Unternehmensvermögen zuordnen wollten und sich für den privat genutzten Teil des Gebäudes ein steuerpflichtiger Eigenverbrauch ergeben würde, der den Vorsteuerabzug nicht ausschließt.

 

Entscheidung

Nach dem Armbrecht-Urteil (EuGH, Urteil v. 4.10.1995, C-291/92, BStBl 1996 II S. 392) war es unstreitig, dass die Eheleute den auch nicht unternehmerisch genutzten Teil des Hauses ihrem Unternehmensvermögen zuordnen konnten. Der EuGH hatte festgestellt, dass ein sowohl unternehmerisch wie auch nichtunternehmerisch genutzter Gegenstand ganz, teilweise oder auch gar nicht dem Unternehmensvermögen zugeordnet werden kann. Grundsätzlich ist aber die Zuordnungsentscheidung sofort bei Erwerb oder bei Herstellung eines Wirtschaftgutes zu treffen. Damit musste das FG München entscheiden, ob in diesem Fall das Gebäude schon bei Leistungsbezug in vollem Umfang dem Unternehmensvermögen zugeordnet worden war.

Das FG München hat in diesem Fall die Zuordnung von Anfang an zum Unternehmensvermögen bejaht. Unschädlich war nach Auffassung des Gerichts, dass in den Erklärungen der Jahre 1991 und 1992 kein (steuerfreier) Eigenverbrauch erklärt wurde, da die Eheleute nach der damals in Deutschland herrschenden Rechtsauffassung von der Steuerfreiheit ausgehen konnten. Auch die Mitteilung der Eheleute in 1996, das Gebäude voll dem Unternehmensvermögen zuzuordnen, steht dem nicht entgegen, da vorher nach nationaler Auffassung kein Aufteilungswahlrecht bestand und die Verwaltungsentscheidungen im Zeitpunkt der Antragsstellung noch änderbar waren.

Die Eheleute konnten damit den nichtunternehmerisch genutzten Teil des Gebäudes ihrem Unternehmensvermögen zuordnen. Ihnen steht auch nach der Entscheidung des EuGH v. 8.5.2003 (EuGH, Urteil v. 8.5.2003, C-269/00, BStBl 2004 II S. 378, Seeling-Urteil) der volle Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen zu, da die private Nutzung des dem Unternehmensvermögen zugeordneten Teil des Hauses eine steuerbare und steuerpflichtige Verwendung im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG darstellt. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung für die Frage der Zuordnung zum Unternehmensvermögen hat das FG die Revision beim BFH zugelassen.

 

Hinweis

Das Urteil behandelt die Übergangsprobleme, die sich für Unternehmer ergeben, die sich vorerst an die von der Finanzverwaltung vertretene nationale Auffassung halten, dann aber nach Bekanntgabe eines Urteils des EuGH auf die Linie des EuGH umschwenken wollen. Hier lag insoweit ein besonders gewichtiger Fall vor, da die Zuordnung eines Gegenstandes zum Unternehmensvermögen nach bisheriger Auffassung nicht nachträglich verändert werden kann. Die Rechtsauffassung des FG München lässt aber keinen Schluss auf die Zuordnungsentscheidung in anderen Fällen zu. Das Gericht stellt unter Verweis auf die einschlägige Rechtsprechung des EuGH eindeutig klar, dass die Zuordnungsentscheidung sofort und endgültig bei Anschaffung oder Herstellung zu treffen ist. Nur in diesem besonderen Fall konnte in Ermangelung eines nationalen Wahlrechtes zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs kein Wahlrecht ausgeübt werden. Zu beachten ist, dass in aktuellen Fällen der Zuordnung von Gegenständen zum Unternehmensvermögen die Finanzverwaltung eine andere Rechtsauffassung vertritt. Während früher im Zweifelsfall eine Zuordnung zum Unternehmensvermögen unterstellt wurde (vgl. bisher Abschn. 192 Abs. 18 UStR 2000) kann seit dem 1.7.2004 eine Zuordnung des Gegenstandes zum Unternehmensvermögen nicht mehr unterstellt werden, wenn sich keine verifizierbare Zuordnungsentscheidung aus einem Vorsteuerabzug oder aus anderen Kriterie...

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