2.4.3.2.1 Im Allgemeinen

 

Rz. 111

§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Hs. 2 HGB ist keine Vorgabe hinsichtlich des Realisationszeitpunkts zu entnehmen. Demnach kommen theoretisch etwa folgende Realisationszeitpunkte in Betracht:[1]

  • Vertragsabschluss
  • Zugang zur produktionsnachgelagerten Lagerung
  • Erfüllung der Lieferungs-/Leistungsverpflichtung
  • Erfolgte Gegenleistung/Zahlung
  • Ablauf der Gewährleistung
  • Ablauf der Produkthaftung

Nach h. M. sowohl im Schrifttum[2] als auch der BFH-Rechtsprechung[3] ist von Gewinnrealisation i. S. d. GoB auszugehen, wenn die Lieferungs-/Leistungsverpflichtung erfüllt ist. Von einer Erfüllung kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn ein quasi-sicherer, ausschüttungsfähiger Erfolgsbeitrag vorliegt[4] bzw. die Gefahr (Preis, Untergang etc.) übergegangen und der geschuldete Lieferungs-/Leistungsauftrag wirtschaftlich erfüllt ist.[5]

Daraus ergibt sich, dass sowohl der Vertragsabschluss als auch der Zugang zur produktionsnachgelagerten Lagerung als Realisationszeitpunkte ausscheiden. Der Gefahrenübergang (auf den Käufer/Auftraggeber) ist in diesen Fällen noch nicht erfolgt. Aus der Vorschrift des § 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB wiederum folgt, dass Aufwendungen und Erträge unabhängig von den Zeitpunkten der entsprechenden Zahlungen zu berücksichtigen sind (Rz 134 ff.) und damit der Zeitpunkt der erfolgten Gegenleistung/Zahlung für die Realisation irrelevant ist. Zur Berücksichtigung von Gewährleistungs- sowie Produkthaftungsrisiken bedarf es keiner Ausdehnung/Verschiebung des Realisationszeitpunkts.[6] Vorhersehbare Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, sind gem. § 252 Abs. 1 Nr. 4 Hs. 1 HGB zu berücksichtigen (Rz 102 ff.).

Erfolgt die Gegenleistung/Zahlung vor Erfüllung der Lieferungs-/Leistungsverpflichtung, so ändert dies nichts an der Realisation erst mit Gefahrenübergang. In diesen Fällen erfolgt buchhalterisch eine Berücksichtigung der Zahlung als erhaltene Anzahlung unter den Verbindlichkeiten (C.3.).

Hinsichtlich der Frage, wann im Speziellen von einer entsprechenden Erfüllung der Lieferungs-/Leistungsverpflichtung bzw. einem Übergang der Gefahr auszugehen ist, ist zwischen den möglichen Geschäftsarten (Verkaufsgeschäfte, Dienstleistungen, Nutzungsvergütungen etc.) sowie möglichen Ausprägungen dieser (etwa kurz- oder langfristige Auftragsfertigung) zu differenzieren. Dazu nachfolgend die Rz 112 ff.

[1] Vgl. Baetge/Ziesemer/Schmidt, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 252 HGB Rz 188, Stand: 10/2011; mit einer kürzeren Liste Hoffmann/Lüdenbach, NWB-Kommentar Bilanzierung, 14. Aufl. 2022, § 252 HGB Rz 105.
[2] Vgl. Claussen, in Kölner Kommentar zum HGB, 2011, vor § 252 HGB Rz. 45; Fülbier/Federsel, in Küting/Weber, HdR-E, § 252 HGB Rn 91, Stand: 6/2021; Störk/Büssow, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 252 HGB Rz 58; Hoffmann/Lüdenbach, NWB-Kommentar Bilanzierung, 14. Aufl. 2022, § 252 HGB Rz 110; Baetge/Ziesemer/Schmidt, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 252 HGB Rz 189, Stand: 10/2011.
[4] Vgl. Baetge/Ziesemer/Schmidt, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 252 HGB Rz 190, Stand: 10/2011.
[5] Vgl. Claussen, in Kölner Kommentar zum HGB, 2011, vor § 252 HGB Rz. 45; Hoffmann/Lüdenbach, NWB-Kommentar Bilanzierung, 14. Aufl. 2022, § 252 HGB Rz 110.
[6] Vgl. Störk/Büssow, in Beck Bil-Komm. 13. Aufl. 2022, § 252 HGB Rz 58.

2.4.3.2.2 Verkaufsgeschäfte

 

Rz. 112

Im Rahmen von Verkaufsgeschäften ist von einer Erfüllung der Lieferungs-/Leistungsverpflichtung und damit einer Gewinn-/Ertragsrealisation auszugehen, wenn die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung[1] bzw. die Chancen und Risiken[2] auf den Käufer übergehen. Dies erfolgt gem. § 446 Satz 1 BGB mit der Übergabe der verkauften Sache (dazu das Schrifttum tw. einschränkend s. Rz 115).

Bei der Übergabe kommt es zudem auf den Übergang des wirtschaftlichen und nicht (erst) des rechtlichen Eigentums an. Dies kann sich auch dann nicht ändern, wenn das rechtliche Eigentum vor dem wirtschaftlichen Eigentum übergeht.[3]

 

Rz. 113

Im Kontext von Versendungsverkäufen ist hinsichtlich des Gefahrenübergangs zwischen einem Verbrauchsgüterverkauf und einem Verkauf nicht an Verbraucher zu unterscheiden. Gem. § 447 Abs. 1 BGB erfolgt jenseits eines Verbrauchsgüterverkaufs der Gefahrenübergang, sobald der Verkäufer die Sache dem Spediteur, dem Frachtführer oder der sonst zur Ausführung der Versendung bestimmten Person oder Anstalt ausgeliefert hat. Handelt es sich um einen Verbrauchsgüterkauf, geht die Gefahr erst über, wenn der Verbraucher die Sache erhalten hat.

 

Rz. 114

Die in einigen Branchen/Unt gängige Praxis der Forderungsverbuchung im Zuge bzw. infolge der Rechnungsstellung ist streng genommen unzulässig. Zwar können Erfüllung der Lieferungs-/Leistungsverpflichtung und Rechnungsstellung zusammenliegen, es bleibt jedoch grds. bei der Maßgeblichkeit der Erfüllung der Lieferungs-/Leistungsverpflichtung. Allerdings kann der Zeitpunk...

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