Leitsatz

Reicht ein Steuerpflichtiger vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Berichtigungsanzeige i.S.d. § 153 Abs. 1 AO bei einem unzuständigen FA ein, so ist die Anzeige zwar erstattet; zur Berechnung der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 9 AO ist jedoch grundsätzlich auf den Eingang beim zuständigen FA abzustellen.

 

Normenkette

§ 171 Abs. 9, § 153 Abs. 1 AO, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger war bis Ende 1995 bei der Firma X (Arbeitgeber), einer Tochtergesellschaft der ausländischen Firma Y (Muttergesellschaft) beschäftigt. Er erwarb von dieser Aktienoptionsscheine auf den Erwerb ihrer Aktien; diese waren an das Dienstverhältnis mit dem Arbeitgeber gekoppelt. In den Jahren 1993 bis 1996 erzielte der Kläger aus der Ausübung der Aktienoptionen Einnahmen von insgesamt ... US-Dollar, die er in den ESt-Erklärungen für die Streitjahre 1994 und 1995 nicht berücksichtigte. Das FA hatte den Kläger (zusammen mit seiner Ehefrau) erklärungsgemäß und bestandskräftig veranlagt.

Im Oktober 1999 setzten die Rechtsanwälte D im Namen des Arbeitgebers und betroffener Arbeitnehmer (einschl. des Klägers) das Betriebsstätten-FA des Arbeitgebers über die Aktienoptionen in Kenntnis. Sie führten an, die Firma X könnte verpflichtet gewesen sein, aus den Leistungen der amerikanischen Muttergesellschaft an die deutschen Mitarbeiter gem. den Stock-Option-Plänen LSt (nebst Annexsteuern) einzubehalten. Eine entsprechende Kontrollmitteilung des Betriebsstätten-FA vom Februar 2000 erreichte das Wohnsitz-FA des Klägers nicht. Schließlich wurde das FA über den Sachverhalt vom Betriebsstätten-FA im Januar 2003 informiert.

Im Mai 2003 erfasste das FA die geldwerten Vorteile aus der verbilligten Überlassung von Aktien als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Das FG wies die Klage ab (FG München, Urteil vom 06.09.2006, 1 K 55/06, Haufe-Index 1629231, EFG 2007, 161).

 

Entscheidung

Der BFH verwies die Sache an das FG zurück. Die Vorentscheidung sei zwar – was die Frage der Festsetzungsverjährung betreffe – im Ergebnis zutreffend. Denn die Änderungsbescheide seien rechtzeitig in nicht verjährter Zeit ergangen. Die Jahresfrist des § 171 Abs. 9 AO habe erst mit dem Tag des Eingangs der Anzeige beim beklagten FA begonnen; die Jahresfrist sei noch nicht abgelaufen gewesen. Der Kläger habe den verzögerten Eingang der Berichtigungsanzeige beim FA zu vertreten.

Die Sache sei indessen deshalb an das FG zurückzuverweisen, damit dieses prüfen könne, ob die Vorteile aus der Ausübung der Aktienoptionen tarifbegünstigt seien.

 

Hinweis

1. Erkennt ein Steuerpflichtiger nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist, dass eine von ihm abgegebene Steuererklärung unrichtig oder unvollständig ist und es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist, so ist er verpflichtet, dies unverzüglich dem FA anzuzeigen und betreffende Steuererklärung zu berichtigen (§ 153 Abs. 1 S. 1 AO).

2. Im Streitfall waren die ESt-Erklärungen des Klägers für die Streitjahre 1994 und 1995 insofern unrichtig, als er geldwerte Vorteile aus der verbilligten Überlassung von Aktien der Muttergesellschaft seines Arbeitgebers nicht als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit erklärt hatte. Es entspricht insoweit ständiger Rechtsprechung des BFH, dass auch die verbilligte Überlassung von Aktien durch den Arbeitgeber oder einen Dritten, wie eine Konzernobergesellschaft, einen geldwerten Vorteil i.S.d. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG darstellt. Der Vorteil aus einem für Dienstleistungen gewährten Aktienprogramm führt dabei in dem Zeitpunkt zum Lohnzufluss, in dem die Ansprüche aus dem Optionsrecht erfüllt werden (so bereits BFH, Urteil vom 10.03.1972, VI R 278/68, Haufe-Index 413182, BStBl II 1972, 596; siehe hierzu auch BFH, Urteile jeweils vom 24.01.2001, I R 100/98, BFH/PR 2001, 210 und I R 119/98, BFH/PR 2001, 212; zuletzt: BFH, Urteile jeweils vom 23.06.2005, VI R 124/99, BFH/PR 2005, 367 und VI R 10/03, BFH/PR 2005, 368; vom 03.05.2007, VI R 36/05, BFH/PR 2007, 333). In materiell-rechtlicher Hinsicht wiederholte der BFH hier seine feststehende Rechtsprechung zur Frage der sog. Endbesteuerung.

3. Hinsichtlich des Nichteintritts der Festsetzungsverjährung hatte das FG die Auffassung vertreten, der Kläger habe eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) deshalb begangen, weil er die Berichtigungserklärung i.S.d. § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO an ein unzuständiges FA, nämlich das Betriebsstätten-FA des Arbeitgebers, gerichtet habe. Es sei die verlängerte Festsetzungsfrist von zehn Jahren (§ 169 Abs. 2 S. 2 AO) maßgebend mit der Folge, dass die strittigen ESt-Bescheide für 1994 und 1995 in nicht verjährter Zeit ergangen seien.

Der BFH hat offen gelassen, ob der Kläger eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen begangen haben könnte. Aus den Urteilsgründen klingen insoweit erhebliche Zweifel an. Beabsichtigt ein Steuerpflichtiger die eingetretene Steuerverkürzung dadurch zu beseitigen, dass er seinem fachkundigen Berater eine V...

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