Dr. Björn-Axel Dißars, Dr. Ulf-Christian Dißars
Leitsatz
Eine wirksame Bekanntgabe kann an die Meldeadresse auch an erfolgen, wenn der Steuerpflichtige tatsächlich in der JVA inhaftiert ist.
Sachverhalt
Der Kläger erzielte als Rechtsanwalt Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Nachdem der Kläger für 2006 und 2007 keine Steuererklärung abgegeben hatte, erließ das Finanzamt Schätzungsbescheide, gegen die kein Einspruch eingelegt wurde. Auch für 2008 wurde keine Steuererklärung abgegeben, so dass es erneut zu einer Schätzung kann. Der Bescheid wurde an die letzte bekannte Wohnadresse des Klägers am 29.10.2009 zugestellt. Unter dieser Adresse war der Kläger bis 01.11.2009 gemeldet. Am 04.12.2009 legte der Vertreter des Klägers Einspruch gegen den Schätzungsbescheid ein. Er teilte hierbei mit, dass der Kläger seit fünf Monaten in einer Justizvollzugsanstalt sei. Mit Schreiben vom 07.07.2012 wies das Finanzamt auf die Verfristung des Einspruchs hin. Das Schreiben war an die Adresse versandt, unter der der Kläger seit 01.11.2009 gemeldet war. Der Kläger teilte mit, dass er sich in einer Justizvollzugsanstalt befindet. Am 06.08.2012 wurde der Einspruch als verfristet verworfen, am 20.09.2012 wurde Klage erhoben. Die Einspruchsentscheidung war an die Meldeadresse des Klägers bekanntgemacht worden.
Entscheidung
Das FG des Saarlandes wies die Klage als unzulässig ab, da die Frist für die Einreichung der Klage abgelaufen sei. Die Klagefrist beträgt einen Monat. Sie beginnt mit der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung, die regelmäßig am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post erfolge. Zweifel an der Bekanntgabe am 9.8.2012 bestünden nicht, so dass die Einspruchsfrist am 10.9.2012 abgelaufen sei. Ein Verwaltungsakt sei zugegangen, wenn er in den Machtbereich des Empfängers gelange und damit zu rechnen sei, dass er Kenntnis hätte erlangen können. Die Meldeadresse des Klägers sei die Wohnung seiner Eltern gewesen. Es sei ohne Frage möglich gewesen, dass er diese Adresse als Zustelladresse beibehalten habe, auch wenn er selber in der JVA inhaftiert sei. Ein tatsächliches Wohnen an der Meldeadresse sei nicht erforderlich. Es sei nicht zu beanstanden, dass das Finanzamt sich an der amtlichen Meldeadresse orientiert habe.
Hinweis
Die Entscheidung des FG des Saarlandes ist meines Erachtens nicht zutreffend. Zwar war der Kläger hier während des Einspruchsverfahrens unter der Meldeadresse mit dem Finanzamt in Kontakt getreten. Dem Finanzamt war aber bekannt, dass der Kläger inhaftiert war. Da nach der Rechtsprechung des BFH bei einer längeren Inhaftierung die bisherige Wohnung ihre Eigenschaft verliert, so dass die Zustellung unwirksam wird (BFH, Urteil v. 11.4.1986, VI R 22/85, BFH/NV 1986 S. 545; BFH, Urteil v. 20.10.1987, VII R 19/87, BStBl 1988 II S.97) und zudem die Meldung bei der Gemeinde stets nur Indizcharakter hat, wäre es hier meines Erachtens zutreffend gewesen, einen Zugang erst bei Zugang des Verwaltungsakts bei dem Kläger in der JVA anzunehmen.
Link zur Entscheidung
FG des Saarlandes, Gerichtsbescheid vom 08.03.2013, 1 K 1342/12