Leitsatz

Die FÄ sind nicht berechtigt, die für die Bedarfsbewertung von Rohbauland maßgebenden Bodenrichtwerte aus den von den Gutachterausschüssen für erschließungsbeitragsfreies Bauland mitgeteilten Bodenrichtwerten abzuleiten (Abweichung von R 160 Abs. 2 Sätze 1 und 7 ErbStR 2003).

 

Normenkette

§ 9, § 138, § 139, § 145 Abs. 3 BewG, § 192, § 196 BauGB

 

Sachverhalt

Die Kläger erwarben 1997 schenkweise unbebauten Grundbesitz. Anschließend verkauften sie diesen für 1 DM/qm an eine Stadtentwicklungs-GmbH, die von der Stadt mit der Entwicklung des Geländes zum Neubaugebiet beauftragt war. Die GmbH räumte den Klägern das Recht ein, im Umfang von 70 % der veräußerten Fläche zum Kostenpreis Bauplätze zurückverlangen zu können. Sollte dieses Recht nicht ausgeübt werden, hatte die GmbH 89 DM/qm für den von den Klägern erworbenen Grundbesitz nachzuentrichten. Den Preis von 90 DM/qm hatte die Stadt der GmbH für den Ankauf des zu entwickelnden Geländes vorgegeben. Das FA setzte den Grundstückswert für den schenkweise erworbenen Grundbesitz mit der Hälfte des Bodenrichtwerts für baureifes und erschließungsbeitragsfreies Land an, nämlich mit 480 DM/qm. Demgegenüber verlangten die Kläger, 90 DM/qm anzusetzen. Ihre Klage hatte Erfolg.

 

Entscheidung

Auf die Revision des FA hob der BFH die Vorentscheidung auf. Mit dem der GmbH vorgegebenen Ankaufspreis von 90 DM/qm hätten die Kläger keinen niedrigeren Wert i.S.d. § 145 Abs. 3 Satz 3 BewG nachgewiesen. Dieser Preis sei nicht das Ergebnis von Angebot und Nachfrage und daher nicht im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommen. Zu Unrecht habe das FG auf das Unlegungsrecht Bezug genommen; ein Umlegungsverfahren habe nicht stattgefunden.

Die Sache sei allerdings nicht spruchreif. Dem FA sei Gelegenheit zu geben, beim Gutachterausschuss auf die Ermittlung eines Bodenrichtwerts hinzuwirken, der den Wertverhältnissen zum 1.1.1996 und den tatsächlichen Verhältnissen des Grundbesitzes zum Besteuerungszeitpunkt entspricht. Sollte das FA damit innerhalb angemessener Frist keinen Erfolg haben, sei mangels eines anderen Werts auf die von den Klägern verlangten 90 DM/qm zurückzugreifen.

 

Hinweis

Die Finanzverwaltung sieht in R 160 Abs. 2 Satz 1 ErbStR vor, dass der Wert von Bauerwartungsland und Rohbauland immer dann, wenn für das Land kein (besonderer) Bodenrichtwert ermittelt worden ist, aus dem Bodenrichtwert für vergleichbares Bauland abzuleiten ist. Die Begriffe Bauerwartungs- und Rohbauland werden in den folgenden Sätzen definiert. In Satz 7 heißt es sodann, der Bodenwert für Bruttorohbauland – d.h. für solches Rohbauland, bei dem die für öffentliche Zwecke benötigten Flächen noch nicht abgezogen sind – sei regelmäßig mit 50 % des Bodenrichtwerts erschließungsbeitragsfreier vergleichbarer Baulandflächen und Nettorohbauland regelmäßig mit 75 % dieses Bodenrichtwerts anzusetzen.

Diese Ableitungsanweisung hält der BFH für nicht gesetzeskonform. Sie laufe auf die Einräumung einer Schätzungsbefugnis für die FÄ hinaus. Eine Schätzung durch die FÄ vertrage sich aber nicht mit der Kompetenzverteilung in § 145 Abs. 3 Satz 2 BewG. Danach sei die Ermittlung der gerichtlich regelmäßig nicht überprüfbaren Bodenrichtwerte den über besondere Sachkunde, Erfahrung und Ortsnähe verfügenden Gutachterausschüssen übertragen.

Diese Kompetenzverteilung lasse eine Ableitung des konkreten Bodenwerts durch die FÄ nur insoweit zu, als lediglich eine von den Gutachterausschüssen bereits vorgegebene Differenzierung umzusetzen ist. Das sei etwa der Fall, bei der Berücksichtigung abweichender Geschossflächenzahlen oder bei der Anwendung solcher Bodenrichtwerte, die nach dem beitrags- oder abgabenrechtlichen Zustand unterscheiden (R 161 Abs. 2 und 6 ErbStR).

Der BFH setzt mit der vorliegenden Entscheidung eine Rechtsprechung fort, die er mit dem Urteil vom 18.8.2005, II R 62/03 (BFH-PR 2005, 466) begonnen hat. Im damaligen Fall hatte der Gutachterausschuss für die Grundstücke einer Richtwertzone lediglich eine Preisspanne vorgegeben. Auch dies hielt der BFH für unzulänglich. Sowohl in dem damaligen als auch in dem jetzigen Fall gab bzw. gibt der BFH dem FA nur deshalb Gelegenheit, beim Gutachterausschuss einen brauchbaren Bodenrichtwert zu erwirken, weil die Rechtslage insoweit "bislang ungeklärt" gewesen sei. Dies wird man aber nicht mehr lange so sagen können.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 26.4.2006, II R 58/04

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